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Schlussbetrachtung zum Anhang II: Wie nach den oben diskutierten Prämissen heutige Darwinisten Gregor Mendels Arbeit beurteilen würden

Im Zusammenhang mit der vorliegenden Mendel-Arbeit hatte ich den Leser gebeten, beim Studium der Diskussion die Frage im Sinn zu behalten, wie Gutachter mit einer ausgeprägt darwinistischen Grundhaltung seinerzeit Mendels Arbeit von 1866 beurteilt haben (als sie u.a. 67-mal in seiner relativ kurzen Pisum-Arbeit das Adjektiv "constant" in Verbindungen wie "constant differierende Merkmale", "constante Nachkommen", "constante Formen", "constante Verbindungen, "constante Combinationsformen" etc. gelesen und darüber hinaus festgestellt hatten, dass Mendel in der Entdeckung der Vererbungsgesetze eine Bestätigung von Gärtners Auffassung sah, "dass der Species feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag").

Wie oben angedeutet, ist meine Artbefriffsarbeit ein bestätigendes 622-Seiten Exposé zur Frage, ob der Species "feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag".

Nach meinem Verständnis hätten Herr A., Dr. B. und die Professoren C. und D. Johann Gregor Mendels Arbeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit grundsätzlich wie folgt beurteilt (die im Schriftbild fett hervorgehobenen Passagen sind Substitutionen bzw. Ergänzungen von mir - nur der letzte Absatz ist nicht durchweg so gekennzeichnet"):

Herr A.: "Wie ich sehe, sind Sie auf das Fallbeispiel "Pisum sativum" im Rahmen der Typogenese geradezu fixiert."

Dr. B.:"Nach Makromutationen, die für die sogenannte Makroevolution oder transspezifische Evolution verantwortlich gemacht werden sollen, wird in der Forschung schon lange nicht mehr gesucht."…" Die Erklärung für die Entstehung neuer Baupläne liefert die Theorie der kontinuierlichen Evolution (Darwin), wonach die Summe vieler kleiner Schritte mit Anpassungscharakter einen neuen Typus ergibt."…" Der graduelle Gestaltwandel ist durch die gängigen Evolutionsfaktoren verständlich zu machen." "Ich weise noch einmal in absoluter Kürze auf einige Kernpunkte hin, die Herrn Johann Gregor Mendel, Ihnen und manch anderem Anhänger der "Schöpfungslehre" (Kreationisten) unklar zu sein scheinen: Für Anhänger der "Schöpfungslehre" bleiben zahlreiche mit Gesinnungsgenossen zu diskutierende Fragen, bei deren Klärung man nicht der Gefahr unterliegt, sich auf wissenschaftliches Terrain zu begeben.""denn es hat keinen Sinn die Diskussion der letzten 150 Jahre (seit La Mettrie: 1709-1751) nochmals zu Papier zu bringen.

Prof. C: Ich kann "nirgends "Megasaltationen" oder unüberbrückbare "Bauplanzäsuren" sehen: nur viele kleine Schritte, wie sie auch beim Vergleich verwandter Arten in Erscheinung treten."

"Anhand des schon gut dokumentierten Bildes von der Entwicklung der heutigen Equiden (Marsh 1879) (etwa im Hinblick auf die Zähne, Skelettmerkmale, Gehirnvolumina etc.) lässt sich überzeugend darstellen, wie kleine quantitative Veränderungen letztendlich zu unglaublichen qualitativen Fortschritten führen können, ohne dass man deshalb spezifische intelligente Schöpfungsakte postulieren müsste."

Prof. D.:"Beim Studium der Pisum-Arbeit wird dem Leser allmählich klar, dass es dem Autor nicht nur um das Klarlegen von Schwachstellen der D.E. (= Darwinschen Evolutionstheorie) geht, sondern auch oder vielleicht sogar in erster Linie darum, mögliche Ansatzpunkte oder Freiräume für eine "Schöpfungslehre" (Kreationismus) aufzuzeigen.

"Die offenkundig für die ganze Arbeit Versuche über Pflanzen-Hybriden grundlegendsten und wichtigsten und thematisch interessantesten Ausführungen sind hier leider nur auf 2 Seiten beschränkt…"

"…Mendels mangelhafte Präzision der Fragestellung, Methodik und Präsentation der Ergebnisse (das wären auch kritische Thesen) sowie das Gefühl, als würden unausgesprochene Beweggründe eine wichtige Rolle spielen, erweckt beim Leser den Eindruck, als würde der Autor seine eigene Forderung nach offener, vorurteilsfreier, kritischer Vorgangsweise missachten."

"…Ob und inwieweit Mendel theologische Fragen ernsthaft diskutieren will, bleibt leider unklar, denn es werden nur einige (durchaus interessante) Andeutungen geboten. (Der Autor getraut sich offenbar nicht, weil er doch den Anschein des Naturwissenschaftlers wahren will...)

"Die Frage nach dem Konstrukteur der Arten (und darauf will Herr J. G. Mendel ganz offensichtlich mit seinem Kommentar hinaus, wenn er mit von Gärtner meint, dass der Species feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag), ist daher tatsächlich vom Naturwissenschaftler grundsätzlich abzulehnen."

"Makromutationen, Saltationen bleiben immer nur hypothetisch: sie sind naive Extrapolation aus der Maus-Perspektive Herrn Mendels. Der Antidarwinist hofft auf sie, postuliert sie, weil sie die D. E. falsifizieren würden (und/oder, weil sich dann für Gott oder die "intelligente Ursache" ein Betätigungsfeld eröffnet)."

"…Die Unhaltbarkeit oder eigentlich prinzipielle Unsinnigkeit von solchen methodisch unzulässigen Ausflüchten zeigt übrigens auch die Wissenschaftsgeschichte, seit ihren Anfängen…Peinlich für Mendels - schlechte! -Theologie."

Ich halte "die - mit Agassiz (1859, 1866) wieder verstärkt aus den USA kommende Kreationismus-Debatte (zu der man das vorliegende Werk von Herrn Mendel wohl rechnen muss) im Grunde für historisch überholt."

"… Da es Herrn Mendel im wesentlichen um ein philosophisches Thema geht, wäre eine stärker fachspezifisch philosophische Diskussion nötig, unter besserer Berücksichtigung der einschlägigen Literatur. Ich bezweifle daher, ob die Arbeit als eine philosophisch adäquate Abhandlung zu beurteilen ist. Dazu müsste aber besser ein Fachphilosoph Stellung nehmen.

"Angesichts der Tatsache, dass wir spätestens seit Darwin (1859) sicher wissen, dass auch in der Biologie "alles fließt", erscheint Mendels ununterbrochenes Gerede von "konstanten" Erbeinheiten schon im Ansatz als völlig verfehlt."

Mit einem Wort:Mendels Arbeit ist am besten durch 'key-words' zu charakterisieren wie unausgesprochene Beweggründe, Unhaltbarkeit, prinzipielle Unsinnigkeit, schlechte Theologie, Kreationismus sowie unzulässigen Ausflüchten auf der total falschen Basis konstanter Erbeinheiten. Wer Darwin nicht akzeptiert, ist "ignorant, stupid or insane (or wicked, but I'd rather not consider that)" (Dawkins 1989).

Usw., usf.

Eine bestätigende Antwort zur Frage, dass der Species tatsächlich "feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag", ist der heutigen darwinistisch-evolutionistischen Grundhaltung genauso unerträglich (um nicht zusagen "ein Gräul"!) wie zur Zeit Mendels vor rund 140 Jahren.

Dass Mendel grundlegende Entdeckungen zur Vererbung gemacht hat, wäre diesen Darwinisten und Biologen sowenig aufgefallen wie einst Carl von Nägeli und Kerner von Marilaun sowie tausend weiteren Evolutionstheoretikern seiner Epoche.

Der Fall Mendel sowie die obigen Diskussionen zeigen meiner Meinung nach deutlich, wie Evolutionstheorien verschiedener Prägung den Blick auf naturwissenschaftliche Realitäten verstellen können, so dass selbst eine bedeutende und klare naturwissenschaftliche Argumentation nicht einmal mehr wahrgenommen wird.

Abschließend ein Wort zu einem Hauptpunkt der Artbegriffsarbeit: Mit dem Rückgriff auf den Mutationsbegriff hoffte der Neodarwinismus nicht nur den Mendelschen Konstanzbegriff vom Gen zu trennen, sondern mit den "Mikromutationen" das Gen darwinistisch so umzudeuten, dass die grenzenlose kontinuierliche Evolution im ursprünglich darwinistischen Sinne wieder möglich war (mit Ausnahme der Vererbung erworbener Eigenschaften). Diese seit 1937 weltweit verbreitete und mit dem Anspruch auf absolute Richtigkeit verkündete Metaphysik scheitert am Gesetz der rekurrenten Variation, welches ich erstmals 1986 (Artbegriff 1. Auflage - 120 Jahre nach Mendels Pisum-Arbeit) auf der Basis eines umfangreichen mutationsgenetischen Tatsachenmaterials zunächst als "Regel der Rekurrenten Variation" abgeleitet habe.

Unsere in der vorliegenden Arbeit vieldiskutierte Frage nach der Entstehung des Utricularia-Fangapparates (als Musterbeispiel für eine Unzahl prinzipiell ähnlicher Fälle) scheitert damit nicht nur am Widerspruch zwischen dem neodarwinistischen Postulat der kontinuierlichen Evolution für den Ursprung von irreducibly complex structures, sondern auch am Gesetz der Rekurrenten Variation.

 


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