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C. INDUSTRIEMELANISMUS

 

Dieses Standard-Lehrbuchthema wird von Kull 1979, pp. 149/150 'am bestuntersuchten Beispiel, dem des Birkenspanners' wie folgt beschrieben:

Dieser Schmetterling ist normalerweise hellgrau und daher auf der grauen, flechtenüberzogenen Baumrinde sehr unauffällig. Immer wieder treten Mutationen auf, die durch Vermehrung des schwarzen Farbstoffs dunkel gefärbt sind. Diese Varietäten (melano-Formen) heben sich von der Rinde gut ab und werden daher von Vögeln leichter entdeckt und gefressen (stabilisierende Selektion). Als in Europa mit zunehmender Industrialisierung die Baumrinde vom Ruß dunkler gefärbt wurde und die Flechten zugrunde gingen, hob sich aber die helle Form deutlicher ab und wurde dann von den Feinden häufiger entdeckt als die dunkle. Infolgedessen überlebte die dunkle Form 10 % besser als die helle, während in industriearmen Gebieten die helle Form um 17 % bessere Lebensaussichten hatte. Vor hundert Jahren betrug der Anteil der schwarzen Varietät 1 %, heute sind es in Industriegebieten 99 % (Folge der transformierenden Selektion nach Änderung der Umwelt).

Häufig wird in Verbindung mit diesem Beispiel von Evolution gesprochen.

Huxley hielt (1958, p. 83) diesen Fall für "Evolution under our own eyes", Osche schreibt 1981, p. 850: "Hier ist eine relativ rasche evolutive Veränderung abgelaufen, deren Tempo u.a. dadurch bedingt ist, daß das den Melanismus bedingende Gen dominant ist und damit bereits Heterozygote den Vorteil besserer Tarnung genießen." Mikkola meint 1984, p. 15: "In industrial melanism of Lepidoptera, evolution seems to have led to the possibility that the mutations are directly dominant, irrespective of the genetic background in which they work."

Zur Frage, wo diese schwarzen Formen überall auftreten, weisen Lees und Creed 1973, p. 227 auf folgenden Punkt hin:

...melanic forms of several species which today show industrial melanism also occur in unpolluted areas and have done so since before 1870 (White, 1876).

Parkin kommentiert diese Frage 1975, pp. 137/138:

It seems the melanism in moths can occur almost anywhere.

...some species have melanic forms that live on peat bogs, in dark shady pine forests, or even, perhaps, in areas where the trees are blackened by frequent burning.

...Such polymorphisms have probably been in existence for a very long time, and it would be of interest to know whether any of these alleles have migrated into industrial areas.

Mikkola schreibt zur Entstehung und Verbreitung neuer carbonaria-Fälle (wie die schwarze Variante von Biston betularia dem Birkenspanner, genannt wird) für seine Untersuchungen in Finnland u.a. 1984, p. 11:

...the occurrence of f. carbonaria was for a long time limited to the southwesternmost parts of Fennoscandia (fig. 1.). New finds may indicate dispersal of the form. However, the distance between, e.g. Riga and Helsinki is so big, that the possibility of independent mutation must be taken into account, besides that of long range flights.

Für Oligia strigilis, einem weiteren Beispiel für Industriemelanismus bei Schmetterlingen, ist derselbe Verfasser der Auffassung (p. 14):

The island-like melanism of Oligia strigilis in Finland shows that, in this case, the melanism has arisen several times, independently of each other (Mikkola 1980).

West stellt 1977, p. 75 zum Problem des wiederholten, unabhängigen Auftretens schwarzer Formen in der Alten und der Neuen Welt fest:

The origins of the melanic forms in both Old and New World populations are believed to be as recurrent mutations which had low fitness on the clean and lichen-covered tree limps and trunks of pre-industrial woodlands.

Vogel und Angermann bemerken 1984, p. 500, zu den Melano-Mutanten des Birkenspanners, dass sie "immer wieder und überall spontan auftreten".

Nach Osche 1981, p. 851 kennt man 'melanistische Populationen in Industriegebieten inzwischen von annähernd 100 Schmetterlingsarten aus verschiedenen Familien'.

Da solche schwarzen Varianten auch in den Wäldern Schottlands, in Nordkanada und in den Regenwäldern der Südinseln von Neuseeland nachgewiesen sind (vgl. z.B. Kahle 1984, und oben Lees und Creed sowie Parkin), ist das Auftreten schwarzer Formen nicht an Industriegebiete gebunden, - wahrscheinlich aber die Frage des Selektionswerts, woraus die Frequenz in den verschiedenen Populationen folgt.

Für die Richtigkeit der Regel der Rekurrenten Variation könnte man sich kaum noch ein besseres Beispiel ausdenken als die Realität des Industriemelanismus uns zeigt: In nahezu 100 Schmetterlingsarten aus verschiedenen Familien treten (selbst noch innerhalb der einzelnen Arten) unabhängig voneinander immer wieder die gleichen Formen auf. Dieser rekurrente Mutationsprozess muss sich allein in den letzten hundert Jahren Tausende von Malen abgespielt haben und dürfte so alt wie die Formen selbst sein.

Zur Frequenzfrage: Oben hatten wir mit Kull zitiert, dass der Anteil der schwarzen Varianten in Industriegebieten 99 % beträgt, Osche gibt 1981, p. 850 für Manchester 1960 'in manchen Populationen' die Häufigkeit mit 98 % an. Cook und Jacobs bemerken 1983, p. 488 im Rahmen ihrer Studien zum Industriemelanismus beim Schmetterling Odontoptera (= Gonodontis) bidentata (Cl.), dass die schwarzen Individuen 1970 in Zentral-Manchester die höchste Frequenz mit 70 - 80 % erreichten. Für den Birkenspanner vermerken sie 'über 90 %' der schwarzen Variante in der ganzen Gegend. Weiter stellen die letzteren Autoren p. 488 fest:

Since the time of the survey [1970] the amount of smoke pollution of the atmosphere has progressively declined. Corresponding declines in melanic frequency have been recorded in B. betularia in and south of Birmingham (Lees, 1981) and in the same species on the Wirral peninsula (...Literaturangaben...).

Sir Cyril Clarke gibt nach 25-jährigem Studium des Industriemelanismus zur bei Biston betularia zur Reduktion der schwarzen in Relation zu den gescheckten Varianten an einer Lokalität folgenden Kommentar (1984, p. 562):

F. carbonaria has been reduced from 93.3 per cent to 64.5 per cent, but difficulties arise in relating this to soot and S02 levels.

Die Tendenz zur Umkehrung der Frequenzanteile der schwarzen in Relation zur gescheckten Form durch Rückgang von Ruß- und S02-Emission in Industriegebieten ist in guter Übereinstimmung mit der Regel der Rekurrenten Variation, wenn auch eine feste Korrelation wegen der Komplexität und der Zahl der involvierten Faktoren offensichtlich nicht ohne weiteres möglich ist. West hat dazu weitere Schwierigkeiten bei der amerikanischen Form Biston betularia cognataria beschrieben (1977, p. 75):

The melanic swettaria form of B. b. cognataria is at a low frequency in two localities in the central Appalachians of southwest Virginia (1.2 +- 0.2 per cent at Blacksburg and 2.9 +- 0.4 per cent at Montana Lake).

(p. 79): ...why is the frequency higher in the seemingly unspoiled montane forest at Mountain Lake than in the vicinity of a minor pollution source like Blacksburg? There may be gene flow from areas of higher swettaria frequency or there may be subtle effects of air pollution at MLBS and less so in Blacksburg that have increased the relative fitness of swettaria in some way not primarily related to lichen cover and the colour of tree limps and trunks.

Aufgrund der Feststellung ähnlicher Schwierigkeiten mit weiteren Beispielen erwägt Mikkola 1983 die Möglichkeit, dass die Rolle der Selektion überschätzt worden ist.

Zur Dominanzfrage: Von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen haben sich in Kreuzungsstudien die schwarzen Varianten als dominant über die gescheckten erwiesen (z.B. Lees 1974, West 1977, Lees und Creed 1977, Karlin und O'Donald 1981, Mikkola 1984 und viele andere).

In der Regel handelt es sich um Allele desselben Genortes, Goldschmidt hat jedoch schon 1921 in einem Fall die komplementäre Wirkung von drei verschiedenen dominanten Genen für die volle Schwarzfärbung seiner Linien festgestellt.

Steward hat bei Allophys beobachtet, dass die intermediäre Form von einem anderen Genort abhängt als die melanistische capucina (Steward 1977).

Die Dominanzverhältnisse sehen nach den Angaben der Autoren im allgemeinen so aus wie von Lees (1974, p. 145) für Phigalia pilosaria zusammengefasst:

The two common melanic forms of the Pale Brindled Beauty Moth, Phigalia pilosaria (pedaria), in Britain are controlled by a pair of alleles. Dominance is complete and in order of darkness; monacharia the extreme, unpatterned melanic is dominant to a patterned melanic, termed "intermediate", which is in turn dominant to the typical non-melanic form.

Zusätzlich treten in diesem Fall dilute-Individuen sowohl bei melanistischen auch typischen (gescheckten) Formen auf, bei denen durch die Wirkung des rezessiven dilute-Allels an einem anderen Genort alles schwarze Pigment durch "a golden yellow" (vermutlich einer Vorstufe der Melaninbildung) ersetzt wird.

Die intermediäre Form von Biston betularia macht insofern eine Ausnahme von der nach Lees zitierten Dominanzregel als sie nicht vollständig dominant über die blassere 'typische' ist. Die carbonaria-Linien sind jedoch voll dominant über die intermediäre insularia und die 'typischen' Individuen der Populationen (Lees und Creed 1977). Wir haben jedenfalls in diesem wie auch im vorigen Fall von Phigalia mindestens 3 verschiedene Allele am selben Genort vorzuliegen.

Der Versuch Kettlewells, die Dominanzverhältnisse bei Biston durch Fishers Modifierhypothese zu erklären, kann durch mehrere weitere Untersuchen als widerlegt gelten (West 1977, Mikkola 1984; vgl. dazu auch unsere Ausführungen p. 369f.; weitere Literatur bei Mikkola). Normale durch die Genfunktion begründete Dominanzverhältnisse können durch epistatische Wechselwirkungen mit mutierten Genen anderer Loci aufgehoben sein (dominante Epistasie).

Was bedeuten die Dominanzverhältnisse zwischen den schwarzen und gescheckten Individuen der Populationen für die Evolutionsfrage und die Regel der Rekurrenten Variation? Zunächst sei hervorgehoben, dass die notwendigen Struktur- und Regulatorgene für die Bildung und Verteilung des Melanins (sowie das möglicherweise übergeordnete plasmatische Kontrollsystem für die Genexpression) in den gescheckten Formen bereits vorhanden sein müssen: Diese Formen sind ja nicht weiß oder "grau" (das letztere ist nur ein Wort für den Gesamteindruck), sondern auf farblosen Hintergrund ("weiß") mit Melaninflecken übersät (melanos, griech.: schwarz) (vgl. dazu die folgende Abbildung).

Abb. 53: Der Birkenspanner, Biston betularia (hell) und seine Mutante carbonaria (dunkel) links auf flechtenbewachsener Rinde, rechts auf rußgeschwärzter Rinde. Foto: Dr. H. B. D. KETTLEWELL, Genetics Laboratory, Department of Zoology, Oxford. Aus Günther 1984.

Die rekurrenten Mutationen führen dazu, dass sich die Farbstoffsysnthese über fast die ganze Oberfläche erstreckt. Da die Mutationen vom rezessiven zum dominanten Zustand verlaufen und ein Funktionsgewinn in der vermehrten Bildung des Melanins besteht, möchte man zunächst an Rückmutationen in einem Regulatorgen denken (Rückmutationsrate vgl. p. 358).

In Anlehnung an die Untersuchungen Davidsons (Zusammenfassung bei P. von Sengbusch 1979) zur Regulation der Melaninsynthese bei Säugetieren, könnte es sich auch um die verminderte Produktion eines Repressors handeln. In diesem Falle unterdrückt der Repressor die volle Melaninbildung bei den gescheckten Varianten und bei Ausfall des Repressors durch die rekurrenten (Verlust-) Mutationen wird die durchgehende Schwarzfärbung erreicht.

Klar ist jedenfalls, dass hier keine neuen spezifischen DNA-Sequenzen wie etwa die Bildung eines oder mehrerer Gene für die Synthese der Dopa-Oxidase (= Phenol-Oxidase), dem nach zeitgenössischen Chemie-Lehrbüchern einzigen für die Umwandlung von Tyrosin in Melanin notwendigen Enzym, entstehen (vgl. dazu die Bildungswahrscheinlichkeit neuer Gene p. 359).

Die scheinbar hohe Rate rekurrenter Mutationen legt noch einen ganz anderen Ansatz nahe. In Analogie zur Anthozyansynthese bei Antirrhinum, bei welcher verschiedene Grade rot-weißer Scheckung durch aktive Transposons hervorgerufen werden, sind solche Elemente auch in einem der für die Dopa-Oxidase kodierenden Gene denkbar. Die Analogie geht hier recht weit: Die voll ausgefärbten Blüten sind dominant über die gescheckten und die letzteren wiederum über die weißen (die hier allerdings ganz weiß sein können) (vgl. p. 328). Die Revertantenrate beträgt nach eigenen Untersuchungen bei verschiedenen Linien mit verschiedenen Elementen zwischen etwa 0,5 % und 15,25 %, d.h. bis zu 15,25 % der Nachkommenschaft gescheckter Pflanzen ist wieder rotblühend. Starke Unterschiede sind durch unterschiedliche Transposonaktivitäten z.T. in Relation zu Umweltbedingungen gegeben und die Transposonaktivität setzt in manchen Linien ganz aus.

Bedauerlicherweise ist über die Molekulargenetik der Melaninverteilung bei Schmetterlingen noch nichts bekannt, so dass wir hier noch nicht mit klaren Ergebnissen für unsere Fragen arbeiten können.

Die zitierten Möglichkeiten und die Dominanzverhältnisse lassen folgende unterschiedlichen Hypothesen zu:

1. Die in nahezu hundert Schmetterlingsarten rekurrent auftretenden schwarzen Varianten sind die ursprünglicheren Geno- und Phänotypen der Arten, so wie das auch mit der ungestörten Anthozyansynthese bei Antirrhinum und anderen Blütenpflanzen der Fall ist. Die Scheckung ist auf eine sekundäre Veränderung des genetischen Codes zurückzuführen, der in seiner ursprünglichen Sequenz - verdeutlicht durch die hohe Revertantenrate - noch weitgehend erhalten ist. Die allgemein hohe Frequenz der gescheckten Varianten in nicht-industriellen Gebieten, abgesehen von 'peat bogs' und 'dark shady pines', wird vor allem durch den Selektionsvorteil (Scheckung als Schutzmuster) erklärt.

2. Unter Berücksichtigung der Repressorhypothese: Mit dem Aufbau des Gesamtsystems waren gleichzeitig mehrere Einstellungsmöglichkeiten gegeben (oder mit den Abänderungsmöglichkeiten des Systems vorprogrammiert), die nach aller Erfahrung in den Populationen regelmäßig auftreten und damit den Arten einen guten Anpassungsspielraum garantieren.

Als weitere Möglichkeit bietet sich noch die Rekombination an: Hier wäre allerdings der Ausgangspunkt wieder die schwarzen Varianten, die durch Mutation (Funktionsbeeinträchtigung verschiedener Gene) die ursprünglich volle Syntheseleistung verloren haben, - wobei der Verlust durch Selektion noch begünstigt wurde -, und durch Rekombination wird zu einem geringen Prozentsatz in fast jeder Generation das Gensystem für die Melaninsynthese zur Färbung fast der gesamten Oberfläche wieder zusammengeführt. Dafür spricht, dass Goldschmidt bereits drei verschiedene dominante Gene für seine melanistischen Schmetterlinge festgestellt hat und zumindest digene Erbgänge auch von Lees und Steward (s.o.) beobachtet worden sind. Die desöfteren festgestellte multiple Allelie an einem Genort besagt nur, dass hier gehäuft Mutationen aufgetreten sind, sagt aber nicht, dass das ganze System monogen verursacht ist. Selbst wenn (wie oben für die Säugetiere erwähnt) für die Synthese des Schmetterling-Melanins nur ein Enzym notwendig wäre, würde sich immer noch die Frage nach der Zahl der für die Bildung dieses Enzyms notwendigen Strukturgene sowie der Regulatorgene stellen, vom plasmatischen System einmal abgesehen.

Für vermehrte Melaninbildung durch Gen-Amplifikation gibt es bisher keine Hinweise.

Polygenie, multiple Allelie und hin und wieder von der Norm abweichende Dominanzverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass in verschiedenen Linien unterschiedliche Faktoren beteiligt sind, oder dass zumindest nicht eine einzige Erklärung für sämtliche Fälle gilt.

Unsere Ausgangsfrage von Seite 372 können wir nun wie folgt beantworten:

Auch das Phänomen des Industriemelanismus ist in Übereinstimmung mit der Regel der Rekurrenten Variation und der generellen Tendenz zu Mutationsverursachten Informations-, Struktur- und Funktionsabbau, denn in allen an der Erfahrung orientierten Interpretationsmöglichkeiten ist Informationsverlust entweder die Voraussetzung (Rückmutation, Rekombination und Transposons) oder die direkte Ursache des Melanismus (Ausfall eines Repressors).

Wie wir eingangs zu diesem Thema festgestellt und mit einigen Zitaten belegt hatten, sprechen viele Autoren in Verbindung mit dem Industriemelanismus von Evolution. Ist es aufgrund der Tatsachen gerechtfertigt z.B. von "Evolution under our own eyes" etc. zu sprechen und diesen Fall als Musterbeispiel für die Richtigkeit der Synthetischen Evolutionstheorie einzusetzen?

Autoren wie Huxley haben behauptet, dass "die natürliche Auslese jede bekannte Lebensform zu erklären" vermag (ähnlich Monod 1971, Lorenz 1975, Rensch 1977, Lorenzen 1985; - vgl. die Zitate pp. 438 f.), wobei die Mutation das "Rohmaterial" zur Verfügung stellt. Rensch betont, dass dazu auch die Bildung komplexer Organe und völlig neuer Baupläne gehöre.

Der Leser urteile bitte selbst, ob mit den Musterbeispielen der Resistenzerscheinungen, der Heterosis und dem Industriemelanismus der Ursprung der Arten erklärt wird oder nicht.

Fest steht meines Erachtens, dass in keinem dieser Fälle neue Arten, geschweige denn neue Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen entstehen. Es ist nicht einmal die Entstehung neuer Arten im Sinne des morphologischen Artbegriffs festzustellen; und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Neodarwinismus solche Beispiele in geradezu unverantwortlicher Weise generalisiert und für die Art und Weise der Entstehung aller Lebensformen extrapoliert.

Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass es sich bei diesen Musterbeispielen in der Regel um Informations-, Struktur- und Funktionsabbau handelt. Den Aufbau der Lebensformen mit dem Abbau von Strukturen zu erklären, ist allerdings auf die Dauer nicht besonders überzeugend.

Beruhen auf Genmutationen aber nicht die vielzitierten Cytochrom-c-Abweichungen und die daraus abgeleiteten, sicheren Stammbäume? Sehen wir uns zu diesem Thema einige Punkte näher an.

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Nachtrag zum Industriemelanismus 2001:

"Looking at the famous case of industrial melanism more than 20 years later [von Poppers "recantation" an gerechnet], we have to point to the most surprising fact that the case has recently been found wanting (Sargent et al.; 1998; Majerus, 1998; Coyne, 1998). Hence, we may conclude that Popper's partial retraction of his views was not necessary, at least not because of the example of the peppered moth. Here is the new evidence: After summarizing Kettlewell's presentation of the Biston betularia instance, Coyne (1998) states the main points of the critical recent observations as follows: (1) The peppered moth normally doesn't rest on tree trunks (where Kettlewell had directly placed them for documentation).[Siehe oben! - Nicht mehr lebende Birkenspanner wurden von weiteren Autoren (aber nicht von Kettlewell selbst) zu Untersuchungs- und Demonstrationszwecken sogar auf die Baumstämme "aufgeklebt".] (2) The moths usually choose their resting places during the night, not during the day (the latter being implied in the usual evolutionary textbook illustrations). (3) The return of the variegated form of the peppered moth occurred independently of the lichens 'that supposedly played such an important role' (Coyne). (4) Kettlewell's behavioral experiments have not been replicated in later investigations. Additionally, there are important points to be added from the original papers, as (5) differences of vision between man and birds and (6) the pollution-independent decrease of melanic morphs (for details, see the authors referred to above)."

(Den Literaturhinweis finden Sie auf meiner Homepage unter 47.: Natural Selection, 2001, Literaturverzeichnis).


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