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POLYPLOIDIE

 

Im letzten Absatz von p. 3 der vorliegenden Arbeit schreibt Prof. K.:

"Künstliche Evolution neuer Arten und Gattungen ist in der Pflanzenzüchtung wiederholt geschehen, und zwar durch Kreuzung von Individuen mit vielen Gendifferenzen (auch das forderte große Versuchszahlen)."

Wenn der Autor von der 'künstlichen Evolution...durch Kreuzung von Individuen mit vielen Gendifferenzen' spricht, könnte man vielleicht doch noch Beispiele für Artbildung durch Rekombination erwarten. Was Prof. K. dann aber anführt, ist etwas ganz anderes, nämlich Beispiele aus dem Bereich der Polyploidie:

"So wurden aus Roggen und Weizen das amphidiploide Triticale erzeugt, aus Rettich und Kohl die Raphanobrassica, aus 2 Arten Galeopsis die (auch natürlich vorkommende) G. tetrahit. Die Kombination der dafür nötigen Einzelmutanten nach obiger Forderung wäre nicht machbar."

Genmutationen und Rekombination auf der einen Seite und Polyploidie auf der anderen sind jedoch zwei kategorial verschiedene Prozesse: im ersten Fall geht es um die zufälligen Veränderungen von Nukleotidsequenzen von Genen sowie ihre Rekombination in bestimmten Individuen und Linien, im zweiten hingegen um die Verdoppelung (bzw. Vervielfachung) oder Addition bereits vorhandener Sequenzen (ohne Sequenzänderungen). Da die Tausenden spezifischen und sinnvoll aufeinander abgestimmten Nukleotidsequenzen die Grundlage aller Genfunktionen sind, können Verdoppelungen und Addition bereits vorhandener funktionsfähiger Sequenzen nur sekundäre Erscheinungen sein. Die Primärprobleme aller Ursprungstheorien, die Kodierung biologisch sinnvoller DNA-Sequenzen und die Genregulation, lassen sich nicht mit der Polyploidie lösen. Im Detail habe ich diese Frage in meiner Artbegriffsarbeit diskutiert. Hier sei erwähnt, dass auch mehrere neodarwinistische Autoren zu demselben Schluss gekommen sind. So schreibt zum Beispiel Stebbins 1980, p. 165:

"Trotz allem hat die Polyploidie wenig zum Fortschritt der Evolution beigetragen. In Gattungen, in denen Diploide neben Polyploiden vorkommen, werden alle Haupttrends der Evolution durch diploide Arten vertreten. Die Polyploiden dienen nur dazu, die Variationen gewisser besonders adaptiver "Themen" zu vermehren. Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass die große Menge der Genverdopplungen die Wirkung der neuen Mutationen und Genkombinationen in solchem Maße verdünnen, dass die Polyploiden große Schwierigkeiten haben, tatsächlich neue adaptive Genkomplexe zu entwickeln."

Auch Hoyle und Wickramasinghe (1981), Ohno (1985), Schmidt (1985) u.a. sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Polyploidie eine evolutionistische Sackgasse darstellt. Zur Rettung des Neodarwinismus vor der Falsifikation durch die Nicht-Reproduzierbarkeit der Evolution durch sein Faktorensystem helfen auch keine phylogenetischen culs-de-sac. (Am Rande sei erwähnt, dass Triticale bis heute instabil ist, die Raphanobrassica-F1 fast steril und dass Galeopsis genauso unter das Gesetz der Rekurrenten Variation fällt, wie alle übrigen Polyploidie-Erscheinungen. Eine ausführliche und nach wie vor in allen wesentlichen Punkten voll zutreffende kritische Abhandlung der Thematik hat übrigens der Genetiker Heribert Nilsson schon l953 vorgelegt.)


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