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2) Naturwissenschaftliche Diskussion von Lösungsvorschlägen zu Nachtweys Utricularia-Kritik

 

Diskussion mit Herrn A.

Vorbemerkung zur Diskussion mit Herrn A.: Falls dem einen oder anderen Leser mein Umgangston mit Herrn A. "zu streng" erscheint, so bitte ich zu berücksichtigen, dass Herr A. insofern ein schwieriger Gesprächspartner ist, als er die Angewohnheit hat, seinem andersdenkenden Diskussionspartnern seine meist zweifelhaften (bis nachweislich total falschen) Hypothesen immer wieder unter persönlich herabsetzender Polemik und gleichzeitig absolutem Wahrheitsanspruch vorzutragen.

Weiter sollte ich erwähnen, dass Herr A. sich bei mir gemeldet und um diese Diskussion ersucht hat (1. September 1999), und zwar mit der am 11. Oktober 1999 noch nachdrücklich vorgetragenen Forderung, auch ja "Punkt für Punkt" seiner Ausführungen zu diskutieren ("Ich bitte Sie daher, Punkt für Punkt auf meine Argumentation einzugehen." ). Nun zu meinen Antworten:

 

Mein Brief vom 22. November 1999:

"Wie versprochen, analysiere ich im Folgenden Ihren Lösungsvorschlag zum Ursprung des Fangmechanismus von Utricularia (gemäß Ihrem Brief vom 1.10.1999 sowie e-Mail-Hinweisen vom 11. und 19. 10. 99)…:

Herr A.: (1) "Wieder einmal sind zahlreiche Wissenschaftler dem Irrtum erlegen, dass die Perfektion dieser Falle — aus evolutionsbiologischer Sicht — auf koadaptive Anpassung (was die Baukonstruktion der Falle sowie den Verdauungsmechanismus anbelangt) zurückgehen müsse, die relativ unwahrscheinlich gewesen wäre.

W.-E. L.: Es handelt sich bei diesen zahlreichen Wissenschaftlern meist um Evolutionsbiologen, - Wissenschaftler also, die an einem solchen Irrtum nicht das geringste Interesse hatten (bzw. haben) und die zum Teil selbst mit dem neodarwinistischen Lösungsziel an Utricularia forschen. Es darf daher gefragt werden, wieso soviele Evolutionsbiologen nur diesem Irrtum erliegen konnten.

Wie noch näher zu begründen ist, könnte man eher sagen:

  1. Selbst zahlreiche Evolutionsbiologen haben erkannt, dass die Perfektion dieser Falle auf koadaptive Anpassung (Baukonstruktion sowie Verdauungs-mechanismus) zurückgehen muß. Das wäre jedoch nach neodarwinistischen Kriterien außerordentlich unwahrscheinlich gewesen.

Herr A.: (2) "Doch zeigt es sich bei Utricularia deutlich, dass auch die Fallenkonstruktion auf kontinuierliche Anpassungsschritte zurückgehen muß. Lassen Sie mich dazu nun einen Vorschlag abliefern."

W.-E. L.: Wenn es sich bei Utricularia tatsächlich deutlich zeigt, dass auch die Fallenkonstruktion auf kontinuierliche Anpassungsschritte zurückgehen muss, dann hätten selbst viele der besten Evolutionsbiologen der Welt geradezu wider besseres Wissen und gegen Ihre eigenen Interessen hier ein Evolutionsproblem gesehen! Das erscheint doch sehr unwahrscheinlich. Bislang stellt sich für mich das Utricularia-Problem wie folgt dar:

  1. Viele Evolutionstheoretiker haben bei Utricularia die Synorganisation bei der Saugfalle als Problem für eine neodarwinistische Erklärung erkannt (Loyd; Schmucker und Linnemann; Nachtwey; Remane, Storch und Welsch; Jolivet; Juniper, Robins und Joel und viele andere). Denn es zeigt sich bei Utricularia deutlich, dass die Fallenkonstruktion kaum oder gar nicht auf kontinuierliche Anpassungsschritte zurückgehen kann.
  2. Aber diese Aussage soll selbstverständlich kein Dogma sein.

Herr A.:(3)"Ursprünglich dürfte es sich bei den Vorfahren von Utricularia um autotrophe Wasserpflanzen gehandelt haben, die sich in flachen Mooren angesiedelt hatten und dem Wasser durch ihr Wurzelwerk anorganische Nährstoffe (Ammonium und Nitrat) als Stickstoffquelle entzogen hatten."

W.-E. L.: Nach allem, was wir bis heute wissen können, handelte es sich auch bei den Vorfahren von Utricularia immer um Pflanzen der Gattung Utricularia. Zwischen Utricularia und ihren nächsten (systematisch-morphologischen) Verwandten besteht eine tiefe Kluft. Die Ableitung von einer anderen Pflanzengattung durch Mutation und Selektion ist nach dem jetzigen Wissensstand nur ein Postulat unter der Voraussetzung der Synthetischen Evolutionstheorie (denn Übergangsformen und Differenzierungsmutationen sind unbekannt). Für die Entstehung von Utricularia aus einer anderen Pflanzenform wäre sehr wahrscheinlich die Neubildung bzw. der Umbau von Hunderten von Genen notwendig. Zur Unwahrscheinlichkeit solcher Postulate durch das neodarwinistische Faktorensystem vgl. Klaus Wittlich 1998.

Es sei in diesem Zusammenhang besonders ‘betont, dass in der Pflanzengenetik in Zehntausenden von mutationsgenetischen Experimenten Millionen und Abermillionen von Mutationen induziert worden sind. Bis heute ist mir kein einziges Beispiel bekannt, dass dadurch in der Natur beständige neue Pflanzenarten entstanden wären. Und das gleiche trifft auf die Frage nach der Artbildung bei Drosophila und anderen Organismen zu (vgl. Details Lönnig 1993, 1995 - auch meine eigenen umfangreichen mutationsgenetischen Untersuchungen an Pflanzen sind mit dieser Aussage in voller Übereinstimmung; zu den offenen Fragen der Evolution durch Transposons vgl. Kunze et al. 1997, Lönnig und Saedler 1997). Wenn es hingegen solche Beispiele gäbe, dann dürfen wir davon überzeugt sein, dass sie praktisch in jedem Lehrbuch der Biologie aufgeführt wären.

Die gesamte Gentechnologie mit ihrem Unternehmen, spezifische DNA-Sequenzen mit spezifischen Funktionen von einem Organismus auf einen (meist) andersartigen zu übertragen, ist zugleich ein beredtes Zeugnis davon, dass die uns bekannten (definitionsgemäß richtungslosen) Mutationserscheinungen nicht ausreichen, um solche spezifischen Sequenzen zu erzeugen‘ (Lönnig 1999).

Daher mein Korrekturvorschlag nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens (und zwar ohne den Neodarwinismus als Dogma vorauszusetzen):

(3) Auch ursprünglich dürfte es sich bei den Vorfahren von Utricularia um autotrophe Wasserpflanzen (jedoch mit der potentiell zusätzlichen Stickstoff- und Phosphorquelle durch Tierfang) gehandelt haben, die ähnliche Biotope besiedelten wie ihre Nachkommen heutzutage. Eine Entwicklung aus einer anderen Pflanzenform (ob am selben Standort oder nicht) durch Mutation und Selektion ist äußerst unwahrscheinlich. Es gibt keinerlei experimentalgenetische Evidenz, dass die Vorfahren von Utricularia jemals irgendetwas anderes waren als Pflanzen der Gattung Utricularia.

Herr A.: (4) "Durch eine zufällige Mutation kam es möglicherweise zur Ausbildung von Gewebswucherungen (vergleichbar dem Pflanzenkrebs) am Wurzelwerk dieser Pflanzen."

W.-E. L.: Alle Evolutionsbiologen sind sich bisher darin einig, dass sich der Fangapparat von Utricularia vom Blatt ableitet (und nicht von den Wurzeln). (Siehe auch Prof. Nachtweys Kommentar zu Utricularia.)

Zufällige Mutationen mit Gewebewucherungen am Wurzelwerk der Pflanzen (vergleichbar dem Pflanzenkrebs) dürften mit einem deutlichen Selektionsnachteil einhergehen. Solche Mutanten verschwinden also schnell wieder. Tatsachen:

(4) Eine zufällige Mutation, die möglicherweise zur Ausbildung von Gewebewucherungen (vergleichbar dem Pflanzenkrebs) am Wurzelwerk dieser Pflanzen führte, ist für die Entstehung von Utricularia irrelevant, weil (1.) die Evolutionsbiologen die Tierfalle aufgrund spezieller anatomischer Merkmale vom Blatt (und nicht von den Wurzeln) ableiten und (2.) solche Mutanten einen starken Selektionsnachteil aufzuweisen hätten.

Herr A.: (5) "Dabei muss man sich nicht einmal der zufallsgerichteten Mutationen bedienen;…"

W.-E. L.: (5) "Zufallsgerichtete Mutationen" ist eine contradictio in adjecto: entweder ist die Mutation zufällig oder gerichtet, und ‚gerichtete‘ Mutationen gibt es nach dem Neodarwinismus nicht.

Herr A.: (6) "…gleichartige Effekte lassen sich heute auch im Labor durch virale Transduktion bestimmter Bakterienarten (etwa bestimmte Rhizobien) erzielen."

W.-E. L.: Eine "virale Transduktion bestimmter Bakterienarten" gibt es nicht. Unter Transduktion versteht man die Übertragung von Bakteriengenen durch Phagen in ein neu befallenes Bakterium. (Beim Wort genommen würde die "virale Transduktion bestimmter Bakterienarten" die Übertragung ganzer ‘Bakterienarten‘ auf andere durch die wesentlich kleineren Viren bedeuten.) Sie meinen wahrscheinlich die Transformation durch Plasmide.

"Transformation ist die einseitige, aber potentiell reziproke Übertragung von isolierter, extrazellulärer DNA aus Plasmiden oder Chromosomenteilen in eine lebende Zelle." Die Gewebewucherungen entstehen "nach Infektion mit Agrobacterium tumefaciens, dessen prokaryontische Plasmide in das eukaryontische Genom übernommen werden (Transformation, S. 461) und cytokinin- und auxin-autotrophes, daher unbegrenzt wachsendes, entdifferenziertes Gewebe entstehen lassen" (dtv-Atlas zur Biologie, 1993, pp. 217 und 461).

"…virale Transduktion bestimmter Bakterienarten (etwa bestimmte Rhizobien)..." Sie verwechseln hier zwei fundamental verschiedene Dinge, nämlich die durch Agrobacterium tumefaciens hervorgerufenen Wucherungen am Wurzelhals von Pflanzen (Parasitismus) mit den durch die symbiontischen Rhizobien bedingten Wurzelknöllchen bei bestimmten Pflanzenfamilien. Mit einem Wort, Sie verwechseln Pflanzenkrebs mit Wurzelknöllchenbildung.

Schopfer und Brennicke bemerken zu dieser Frage 1999, p. 605 (Pflanzenphysiologie; Springer-Verlag):

"Die Interaktion von Pflanzen mit Rhizobien führt zur Bildung eines neuen, symbiontischen Organs, dem Wurzelknöllchen, das alle Kriterien einer wohlgeordneten Morphogenese erfüllt. Im Gegensatz hierzu führt die Infektion von Pflanzen mit dem Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens zur Tumorbildung" (letzteres von den Verfassern hervorgehoben).

Zum Punkt (6) lässt sich also feststellen:

  • Auf einem völlig anderen Blatt als die ‚Zufallsmutationen‘ stehen die durch Agrobacterium tumefaciens hervorgerufenen Gewebewucherungen, die sich wiederum von der symbiontischen Wurzelknöllchenbildung durch Rhizobien fundamental unterscheiden.

(Die Bakteriengattungen sind zwar systematisch nahe verwandt, haben jedoch kategorial unterschiedliche Wirkungen auf die ‚befallenen‘ Pflanzen.)

  • Beide Phänomene haben als Wurzelbildungen bzw. Wurzelhals-(und Stamm-) bildungen mit dem Ursprung des (nach evol. Vorstellungen vom Blatt abgeleiteten) Fangapparats von Utricularia nichts zu tun.

Herr A.: (7) "Diese Knöllchen könnten speziellen Bakterien als Wirtsnischen gedient haben, die für die Pflanze wichtige Stickstoffverbindungen aus dem im Wasser gelösten elementaren Stickstoff aufbauten. Derartige Symbiosen lassen sich heute noch bei Leguminosen beobachten, die von dem Nährstoffangebot der ökologischen Nische autark sind."

W.-E. L.: (7) Bei der Wurzelknöllchenbildung (Nodulation) handelt es sich um einen ungeheuer komplexen biologischen Vorgang, an dem zahlreiche Genfunktionen (sowohl von Seiten des Bakteriums als auch von Seiten des Wirts) in genauester funktionaler und raumzeitlicher Abstimmung beteiligt sind. Der Ausfall von nur einem einzigen Glied in dieser Kette von koordinierten Wechselwirkungen kann das ganze biologische System lahmlegen. W i r   h a b e n   a l s o   h i e r   w i e d e r   d a s   K o a d a p t a t i o n s p r o b l e m (Synorganisationsproblem), welches Sie mit diesem Ansatz bei Utricularia lösen wollten. De facto ersetzen Sie hier also das eine Evolutionsproblem (Utricularia) durch ein zweites (die Nodulation).

Wir finden übrigens das Synorganisationsproblem bereits auf der Ebene der ‘untersten Grundlage‘ der Nodulation, nämlich der Stickstofffixierung überhaupt:

"Analysis has revealed an intricate system in which a cluster of 20 nitrogen fixation (nif) genes are arranged in eight co-ordinately regulated operons…The majority of these 20 nif genes are common to most (probably all) nitrogen-fixing organisms (diazotrophs), the exception being genes for the electron-transfer proteins NifF and NifJ and the regulatory protein NifL, which are not conserved" (The Encyclopaedia of Molecular Biology 1994, pp. 731/32).

Wie soll nach neodarwinistischen Kriterien diese funktionelle Einheit entstanden sein? Darüber gibt es zahlreiche sich widersprechende evolutionstheoretische Hypothesen (das wäre nun wieder ein umfangreiches Thema für sich). Postgate und Eady bemerken in diesem Zusammenhang (Nitrogen Fixation: Hundred Years After, ed. by Bothe et al.) 1988, p. 39: "It is characteristic of discussions of evolution that they rarely permit firm conclusions." Die Autoren erwähnen übrigens ein weiteres schweres Evolutionsproblem, wenn sie u. a. bemerken (pp.37/38):

"The question why there are no nitrogen-fixing plants — assuming that there really are none — remains a vexing problem, because all the obstacles to nif gene expression in aerobic/photosynthetic backgrounds have been overcome in one way or another by prokaryotes. Moreover, if the chloroplast is of cyanobacterial ancestry, as seems plausible, the absence of a ‘diazoplast‘ of comparable origin seems almost capricious."

Ist jedoch die intelligente DNA-Codierung nicht die bessere — weil an der Erfahrung orientierte - Antwort?!

Ein paar für die Synorganisationsfrage relevante Punkte der Nodulation:

  1. "Wirt und Knöllchenbakterien sind nicht nur in der Phase der Stickstoffixierung voneinander abhängig, sondern auf allen Stufen; von der Anheftung über die "kontrollierte" Infektion bis zur Aufrechterhaltung der Knöllchenfunktion beeinflussen sich, genetisch gesteuert, beide Partner gegenseitig" (Herder Biologie-Lexikon 1994, p. 55).
  2. "The interaction between the symbiotic partners involves an intricate exchange of molecular signals that regulate the expression of genes essential for infection and nodule formation" (Raven et al.: Biology of Plants 1999, p. 740).
  3. "In the form of symbiosis called mutualism, both organisms benefit from the relationship. Neither free-living Rhizobium species nor uninfected legumes can fix nitrogen. Only when the two are closely associated in root nodules does a reaction take place. The establishment of this symbiosis between Rhizobium and a legume requires a complex series of steps with active contributions by both the bacteria and the plant root" (Purves et al.: Life; 1997, p. 758).
  4. "The symbiosis between legumes and rhizobia is not obligatory. Legume seedlings germinate without any association with rhizobia, and they may remain unassociated throughout their live cycle. Rhizobia also occur as free-living organisms in the soil. Under nitrogen-limited conditions, however, the symbionts seek out one another through an elaborate exchange of signals" (Taiz und Zeiger: Plant Physiology; 1998, p. 333).
  5. "Nodulation of legumes in rhizobia occurs in a distinct series of steps which include:

    1. Rhizobial growth in the rhizospere;
    2. Attachment of the rhizobia to the root-hairs of the legume;
    3. Rhizobial induced root-hair curling;
    4. Formation of infection threads within the root-hairs
    5. Growth of the infection thread (containing rhizobia) towards the pericycle of the root;
    6. Branching of the infection thread so that many cells of the root-cortex become infected with rhizobia;
    7. Release of rhizobia from infection threads into the plant cytoplasm; and
    8. Development of rhizobia into bacteroids coupled with the production of leg haemoglobin and the complete apparatus for nitrogen fixation" (Steinbiss and Broughton 1988, p. 114, in N.S.S. Rao (ed.): Biological Nitrogen Fixation).

Jeder dieser Punkte kann noch in mehrere Unterthemen gegliedert werden. Der unter Punkt 2) aufgeführte Prozess läuft nicht etwa einfach von selbst ab, sondern erfordert folgende genau aufeinander abgestimmten Aktivitäten von Wirt und Gast:

"In the first step, flavonoids (Table 1) excreted by the plant induce the transcription of bacterial nodulation genes (nod genes). This process involves the constitutively expressed nodD that can bind to specific flavonoids (Goethals, Van Montagu & Holsters, 1992) which turns this protein into a transcriptional activator of the other nod genes (Fisher & Long, 1992). The proteins encoded by these genes are involved in the synthesis of specific lipo-oligosaccharides (called Nod factors, Table 1) that can induce various responses in the root, e.g. root hair formation, depolarisation of the root hair membrane potential, induction of nodulin gene expression, and formation of nodule primordia.

The host-specific aspect of this symbiotic interaction between rhizobia and legumes is very pronounced, e.g. Rhizobium leguminosarum (R.l.) bv. viciae can only nodulate plants of the genera Pisum, Vicia, Lathyrus and Lens, whereas the closely related R.l. bv. trifolii nodulates plants of the genus Trifolium. This strict host specificity had led to the definition of cross-inoculation groups in which the host plants are classified according to the bacterial species that can nodulate (Table 2). Both bacteria and their host plants are involved in determining host specificity; the bacteria by producing specific Nod factors and the host plants by expressing genes for recognition of these Nod factors" (R. Heidstra and T. Bisseling 1996, pp. 25/26: Nod factor induced host responses and mechanisms of Nod factor perception. New Phytol. 133, 25-43).

Und das ist erst der Anfang! - Und nicht einmal den verstehen wir bisher vollständig:

"The mechanism of the initial attachment of the bacteria to the root-hair surface is poorly understood. It has been suggested that sugar-binding proteins called lectins, which are secreted by legume roots, interact with the bacteria and facilitate their binding to the root-hair cell walls" (Raven et al.: Biology of Plants 1999, p. 740).

Der entscheidende Punkt für unsere Koadaptations- und Synorganisationsfrage ist nun, dass eine Stickstofffixierung erst nach Auftreten der Bakteroide und von Leghämoglobin festgestellt werden kann! D.h. also erst wenn die 8. und letzte Stufe der distinct series of steps erreicht worden ist (nicht aber bei einer der Zwischenstufen).

Wieviele Gene sind an diesem Prozeß beteiligt?

Von Seiten der Wirtpflanze sind etwa 30 bis 40 Genfunktionen beteiligt und auf der Seite des Bakteriums finden wir z. B. mit pNGR234a ein 536 kb großes symbiontisches Plasmid mit wenigstens 416 offenen Leserahmen (open reading frames — ORFs), "of which 139 show no similarity to any known gene".

(Perret et al. 1999, p. 159: Physical and Genetic Organisation of pNGR234a; in: Highlights of Nitrogen Fixation Research, ed by Martinez and Hernández, Plenum; siehe auch Jabbouri et al. 1997. p. 31: Biology of Plant-Microbe Interactions; ed. by G. Stacey et al.)

Auf diesem großen Sym-Plasmid sind bei Rhizobium die Gene für die Knöllchenbildung lokalisiert (mehr als 200 Gene könnten an der Symbiose beteiligt sein).

Was passiert, wenn spezifische Genfunktionen entweder bei der Wirtspflanze oder bei Rhizobium abgeschaltet werden? Ein Beispiel für den Wirt: Bei der nin-Mutante (für nodule inception) von Lotus japonicus bricht der gesamte Nodulationsprozess schon "at the stage of bacterial recognition" ab (Schauser et al.; Nature 402, p. 191, 1999). Über die Mutante selbst lesen wir:

"Interestingly, the mutant does not seem to be affected by any other aspect of plant development — such as root, shoot, leaf, or seed development — as long as nitrogen nutrients are supplied externally. This suggests that the mutated gene is dedicated to root-nodule formation" (Spaink; Nature 402, p. 135, 1999).

Auf der Seite des Bakteriums sieht es ähnlich aus:

"In species examined to date, mutations in nodA, B or C completely abolish nodulation and all aspects of the infection process" (Kendrew (ed.): The Encyclopedia of Molecular Biology 1994, p.742).

Das trifft zwar nicht auf alle an der Nodulation beteiligten Gene zu, aber der bekannte Teil reicht vollständig aus, um an den Neodarwinismus wieder die Frage zu stellen, wie denn ein solches, auf allen Ebenen dreifach koadaptiertes/synorganisiertes System (jeweils innerhalb und zwischen Pflanze und Bakterium, von den DNA-Sequenzen bis zur Anatomie), durch viele kleine Schritte entstehen konnte, wenn erst "mit dem Endeffekt der Nutzen für den Daseinskampf erreicht wird, nicht aber mit irgendeiner Entwicklungsstufe"? (In Anlehnung an Prof. Robert Nachtwey)

Es gibt zwar auch hier viele (und oft einander widersprechende) evolutionstheoretische Hypothesen zu diesen Fragen, aber meines Wissens beabsichtigt heute kein Evolutionstheoretiker mehr, den Ursprung der Nodulation schwerpunktmäßig mit dem neodarwinistischen Faktorensystem zu erklären. Im Zentrum dieser Betrachtungen stehen vielmehr genetische Revolutionen durch horizontalen Gentransfer und Gene-shuffling (X.Perret et al. 1999: Physical and genetic organisation of pNGR234a; in: Highlights of Nitrogen Fixation Research, ed. by Martínez and Hernández, - sowie W.J. Broughton and X. Perret 1999: Genealogy of legume-Rhizobium symbioses; Current Opinion in Plant Biology 2, 305-311). Dabei bleibt allerdings die Frage weitgehend offen, wie die Gene und Gensysteme, die lateral transferiert werden könnten, ursprünglich entstanden sind.

Herr A.: (8) "Diese Weiterentwicklung könnte den "Knöllchenpflanzen" einen selektiven Vorteil beschert haben, welche die noch sehr vom Nährstoffangebot in nährstoffarmen Flachmooren abhängigen knöllchenlosen Wasserpflanzen langsam verdrängten."

W.-E. L.: (8) Flachmoore sind im Gegensatz zu Hochmooren in der Regel nährstoffreich:

"Die F l a c h m o o r e setzten sich entsprechend ihrer Bildung in nährstoffreichem Wasser vorwiegend aus nährstoffreichen Torfarten zusammen. Auch als Vegetationsdecke der Flachmoore finden sich heute anspruchsvolle Pflanzenvereinigungen. Der Kalkgehalt der Flachmoore beträgt über 2%, häufig sogar über 4% der Trockensubstanz. Ferner zeichnen sich die Flachmoore durch hohen Stickstoffgehalt aus, der sie in landwirtschaftlicher Beziehung zu besonders wertvollen Kulturböden macht. Nach erfolgter Entwässerung zersetzen sich die oberen Moorschichten ziemlich rasch, das Moor "vererdet" gut.

Im Gegensatz dazu setzen sich die Hochmoore aus den als nährstoffarm gekennzeichneten Torfarten zusammen. Auch der Kalkgehalt ist…gering, meist unter 0,2%. Im Naturzustand sind die Hochmoore oft dicht mit anspruchlosen Holzgewächsen und Heidekraut bestanden, die auf dem nährstoffarmen Standort noch ihr Fortkommen finden. Die landwirtschaftliche Nutzung der Hochmoore setzt die Zuführung der fehlenden Nährstoffe voraus" (O. Heuser: Der Kulturboden, seine Charakteristik und seine Einteilung; 1931, p. 26; E. Blanck (Hrsg): Handbuch der Bodenkunde, Bd. VIII; Springer).

Flachmoore "sind meist nährstoffreich (eutroph) und werden auch Reich-Moore genannt" (Brockhaus 1991, Bd. 15, p. 89; siehe auch Strasburger: Lehrbuch der Botanik 1998).

Gehen wir aber einmal davon aus, dass Ihre Aussage von den "nährstoffarmen Flachmooren" und die darauf aufbauende Hypothese richtig sei, dann müßten wir in diesen Biotopen heute vor allem Pflanzen mit Nodulation finden. Das trifft aber nicht zu. Von 124 Leguminosenarten, die bei uns in Mitteleuropa gedeihen, sind es vielleicht 5%. Auch weltweit gesehen, sind Leguminosen in Flachmooren eher die Ausnahme als die Regel. Und noch seltener findet man sie in Hochmooren: Denn in der Regel fehlen dort die Rhizobien völlig, so dass eine Nodulation erst gar nicht beginnen kann.

In nassen oligotrophen Biotopen sind weder die Leguminosen- noch die Carnivorenarten in der Mehrzahl, sondern ganz andere Pflanzenspezies. Es geht hier also auch völlig ohne Wurzelknöllchen und Fangapparate und die langsame Verdrängung findet nicht statt.

An welchen Standorten treten nun Leguminosen bevorzugt auf?

"Die äußerst artenreiche Familie ist über die ganze Erde verbreitet, wobei in den Tropen die holzigen, in den extratropischen Gebieten die krautigen Formen überwiegen. Als Luftstickstoffsammler bevorzugen sie trockene N-arme bzw. kalkreiche Böden und treten so besonders in den eurasiatischen Steppen und Halbwüsten hervor." "Auch Trockenrasen, Steppen und Savannen sind oft stickstoffarm, da die biologische Nitrifikation durch Trockenperioden gehemmt wird. Es ist also kein Zufall, dass die mit Luftstickstoff bindenden Bakterien assoziierten Leguminosen in diesen Lebensräumen gehäuft auftreten" (Strasburger 1998, pp. 772 und 874).

Aber wir könnten vielleicht als Grundlage für Ihre weiteren Hypothesen an Stelle der Moore nährstoffarme Böden in der Nähe von oligotrophen Gewässern annehmen.

Herr A.: (9) "Als nächster Evolutionsschritt könnte sich schließlich die Absonderung eines klebrigen Schleims angeschlossen haben, der dazu führte, dass zahlreiche Kleinstlebewesen an ihm haften blieben und verendeten."

W.-E. L.: (9) Angenommen: Unsere Pflanzen haben in Tausenden von Punktmutationen und Selektionsschritten endlich ein so phantastisch komplexes und effektives Stickstofffixierungssystem entwickelt wie das der Nodulation. Sie haben damit die Unabhängigkeit vom Stickstoffgehalt des Bodens erlangt, so dass sie sogar "die noch sehr vom Nährstoffangebot in nährstoffarmen (Böden?) abhängigen knöllchenlosen Wasserpflanzen langsam verdrängten". Und diese stickstoffunabhängigen Pflanzen fangen jetzt an, einen klebigen Schleim abzusondern, was dazu führte, dass "zahlreiche Kleinstlebewesen an ihm haften blieben und verendeten"? Das muß ja schon eine ganze Menge Schleim sein. Dieser "klebrige Schleim" hätte dann allerdings zugleich die Symbiose mit den Bakterien verhindert (vgl. oben die Schilderung des komplexen Zusammenspiels zahlreicher Faktoren beim Beginn der Nodulation). Die Nodulation würde gar nicht erst beginnen, und diese Pflanzen wären jetzt vollständig von der Lieferung ‘tierischer‘ Stickstoffverbindungen abhängig (die sie doch vorher im Überfluß selbst herstellen konnten!). Dazu kommt, dass in oligotrophen Böden Kleinstlebewesen meist weniger häufig als in eutrophen Biotopen sind. Das hocheffektive Nodulationssystem aufzugeben für eine fragwürdige (wieder von der Umwelt stark abhängige) und mit Sicherheit zunächst viel weniger effektive Methode der Zufuhr von Stickstoffverbindungen - das wäre ein Selektionsnachteil gewesen!

Herr A.: (10) "Der mikrobielle Abbau der tierischen Proteine lieferte dann den Pflanzen die Mikronährstoffe gleich freihaus."

W.-E. L.: (10) Das hätten diese Pflanzen nun wirklich einfacher haben können, indem sie nämlich an ihren Wurzeln direkt einen "klebrigen Schleim" abgesondert hätten! (Wozu also der gigantische Umweg über die symbiontische Stickstofffixierung? — Nur um diese für ein zunächst weniger effektives System wieder abzuschalten und dann über 1000 weitere zweifelhafte Mutations- und Selektionsschritte einen Utricularia-Fangapparat daraus zu bilden?)

Herr A.: (11) "Schließlich konnte sich irgendwann die Struktur der Knöllchen kontinuierlich in eine Art Becher, und schließlich in ein hohles Kompartiment abgewandelt haben, was diesen Pflanzen den Vorteil bot, dass eine größere Oberfläche die Chancen erhöhte, dass ein Tier darin hängenbleibt."

W.-E. L.: (11): Mit der Verhinderung der Symbiose durch den "klebrigen Schleim" dürfte eigentlich gar keine Nodulation mehr beginnen. Wie oben gezeigt, können die Pflanzen ohne Symbiose mit Bakterien keine Wurzelknöllchen bilden. Aber nehmen wir an, "die Evolution" hätte das Problem irgendwie gelöst: Auch in diesem Falle wären diese "hohlen Knöllchen" dann wohl irgendwann nicht mehr in der Lage gewesen, mit Hilfe von Bakterien Stickstoff zu fixieren!

Jetzt haben wir also nach Ihren Aussagen diese hohlen Knöllchen, an denen im Boden eines Flachmoors (oder sonstwo) die Kleinstlebewesen in großer Zahl festkleben müssen, um die Pflanze weiter zu ernähren — aber woher kommt und wie entsteht nun daraus der raffinierte Fangmechanismus von Utricularia?

Herr A.: (12) "Die sich anschließenden Mutations- und Selektionsschritte führten wohl nur noch zu graduellen Variationen dieses Prinzips, was schließlich dazu führte, dass die Pflanze einen ausgeklügelten Fangmechanismus bekam…"

W.-E. L.: (12) Wie wird nun aus diesem hohlen, relativ steifen Knöllchen (haben Sie ein Wurzelwerk mit Knöllchen schon einmal in der Hand gehabt?) mit seinem klebrigen Schleim der ausgeklügelte, hochelastische Fangmechanismus von Utricularia mit allen seinen Raffinessen wie (1.) der wasserdichten Verschlußklappe am Eingang des Bläschens, (2.) dem hufeisenförmigen Widerlager und dem Velum, (3.) den reizbaren schlanken Sinneshaaren, (4.) der gespannten Fangstellung mit ihren weit nach innen gewölbten elastischen Seitenwänden, (5.) den speziellen Wasserleitungen in den Wänden des Bläschens (zur Ableitung einer Wasserfüllung), (6.) die vierstrahlig angeordneten Drüsenschläuche (für die Verdauungssäfte), (7.) die Drüsenköpfchen auf der Außenseite der Wände (zur Wasserausscheidung), etc. Alles das, was nun wirklich zu erklären ist, - worum es eigentlich und tatsächlich bei der Bildung der Saugfalle von Utricularia geht, das wird hier einfach gar nicht mehr erwähnt!

Ist mit dem nachstehend noch einmal zitierten Satz wirklich das Koadaptationsproblem bei Utricularia gelöst?

"Die sich anschließenden Mutations- und Selektionsschritte führten wohl nur noch zu graduellen Variationen dieses Prinzips, was schließlich dazu führte, dass die Pflanze einen ausgeklügelten Fangmechanismus bekam…"

Ist das nicht eher eine Glaubensaussage zu der Frage, die Sie mit neodarwinistischen Mitteln lösen wollten? Denn was sind genau die sich anschließenden Mutations- und Selektionsschritte? Wieviele und welche Gene waren davon betroffen? Wie sind dabei Schritt für Schritt die (vermutlich) auch völlig neuen DNA-Sequenzen entstanden? Worin liegt der Selektionsvorteil jeder einzelnen der vielen Punktmutationen, die sich erst im Laufe der Zeit zu großen neuschaffenden morphologischen, anatomischen und physiologischen Wirkungen addiert haben sollen? Wie sind durch Mutationen mit "slight or even invisible effects on the phenotype" (Mayr) (also in kaum wahrnehmbaren Schritten!) die obengenannten Strukturen entstanden — wie z.B. die wasserdichte Verschlußklappe, die die unabdingbare Voraussetzung für den funktionstüchtigen Fangmechanismus ist?

Herr A.: (13) "…und anstelle eines "Schleims" ein verdauungsförderndes Enzym ausschied,…"

W.-E. L.: (13) Die Synthetische Evolutionstheorie als zutreffend vorausgesetzt, bedurfte es dazu vermutlich einer ganzen Kette von Mutationen in einem oder mehreren Regulator- und vielleicht auch Strukturgenen (wobei die ersten Punktmutationen wohl kaum einen Selektionsvorteil gehabt haben dürften). Erst wenn "ein verdauungsförderndes Enzym" (und wir brauchen davon vermutlich mehrere!) am richtigen Ort zur richtigen Zeit in den richtigen Mengen ausgeschieden wird, kann das Problem als gelöst gelten! Auch hier finden wir also wieder das Synorganisationsproblem.

Herr A.: (14) "…was sie gänzlich von der Notwendigkeit zur Beherbergung symbiontischer Bakterien entband."

W.-E. L.: (14) Abgesehen vom Problem, dass die umgewandelte Morphogenese der Nodulation spätestens zu diesem Zeitpunkt allein vom ‚Wirt‘ durchgeführt werden müßte, bleibt die Frage nach der biologischen Zweckmäßigkeit des Postulats: Die Leguminosen und andere leben doch heute noch bestens mit den symbiontischen Bakterien zusammen und "sind heil froh", dass sie sie haben! Wozu nur dieser Tausch von sicheren und ungeheuer effektiven Symbionten samt Wurzelknöllchen gegen die Unsicherheiten der tierischen Nahrungszufuhr in einem nassen, oligotrophen Biotop?

Herr A.: (15) "Die Tatsache, dass Cholibakterien in diesen Fallen nachgewiesen wurden, stützt jedoch die Annahme, dass Übergangsglieder von Utricularia auf eine solche Symbiose gebaut hatten."

W.-E. L.: (15) Es handelt sich bei den Kolibakterien von Utricularia und den Rhizobien der Wurzelknöllchen um zwei völlig verschiedene Symbiosen, so dass obige Schlußfolgerung unwahrscheinlich ist.

Herr A.: (16) "Natürlich kann es sich hierbei lediglich um einen Vorschlag einer möglichen Adaptation handeln. (Hervorhebung im Schriftbild — nur fett - vom Verfasser)

W.-E. L.: (16) Die obige Analyse zeigt, dass eine Adaptation in der von Ihnen vorgeschlagenen Form nicht möglich ist.

Herr A.: (17) Doch es kommt mir ausschließlich darauf an, anhand dieses Szenarios zu zeigen, dass die Entwicklung des Fangmechanismus keineswegs zwingend mit einem Koadaptionsproblem einhergegangen sein mußte." (Hervorhebung im Schriftbild — nur fett - vom Verfasser)

W.-E. L.: (17) Dieses Szenario beginnt morphologisch am falschen Organ (Wurzel statt Blatt) und ökologisch an der falschen Stelle (Flachmoor statt einem oligotrophen Biotop). Die zahlreichen inneren Widersprüche der Ableitung und die nicht erklärten Details der Entstehung des Fangmechanismus bestätigen erneut, dass auch zahlreiche Evolutionstheoretiker hier zu Recht ein für den Neodarwinismus bedeutendes Koadaptationsproblem gesehen haben.

Herr A.: (18) "Der Irrtum vieler Evolutionskritiker beruht hauptsächlich auf der Annahme der evolutionsbiologischen Notwendigkeit von Koadaptionen (so beziehen Sie sich darauf auf Seite 8). Doch wie ich gezeigt habe, fand wohl zu keiner Zeit eine derartige Koadaption statt; sie ist letztlich gar nicht nötig."

W.-E. L.: (18) Es sind nicht nur Evolutionskritiker, die hier ein Problem gesehen haben, sondern auch zahlreiche Evolutionstheoretiker. Nach meinem Verständnis haben Sie die Notwendigkeit gleichzeitiger Koadaptationen noch einmal sehr gut aufgezeigt. Bei der Entstehung neuer Organismen müssen tatsächlich zu allen Zeiten und an vielen Stellen solche Synorganisationen notwendig gewesen sein.

Herr A.: (19) "Auch für Ihr Beispiel von Utricularia habe ich Ihnen gezeigt, dass Ihre Argumentation nicht überzeugend ist, usw." (e-Mail vom 11.10.99).

W.-E. L.: (19) Das Koadaptationsproblem bei Utricularia wurde nur durch das Synorganisationsproblem der Nodulation ersetzt und dann bei der selektionswidrigen Umwandlung der Wurzelknöllchen in die Saugfalle außer acht gelassen.

Herr A.: (20) "Wäre die Unvorstellbarkeit der vierdimensionalen Raumzeit ein Falsifikationskriterium, so wäre die Relativitätstheorie heute längst auf dem Friedhof der Naturwissenschafts-Geschichte beerdigt. Ungeachtet dieses Umstandes habe ich mir jedoch die Mühe gemacht, Ihnen eine konsistente mögliche Erklärung zu dem "Problem" Utricularia abzuliefern." (e-Mail vom 19.10.99)

W.-E. L.: (20) Seit mindestens 30 Jahren weise ich darauf hin, dass die "Vorstellbarkeit" oder "Unvorstellbarkeit" einer Aussage kein Falsifikationskriterium sein kann. Es geht vielmehr um die Voraussetzungen, Folgerichtigkeit und vor allem Testbarkeit einer Argumentation. Eine nicht-falsifizierbare Methode, mit der man "alles" beweisen kann, ist naturwissenschaftlich wertlos.

Mit Ihrer Beweismethode der möglichen und konsistenten Evolution der Saugfalle Utricularias aus Wurzelknöllchen, könnte man die Ableitung auch ebensogut umdrehen: Bei der schwierigen Frage nach dem Koadaptations- und Synorganisationsproblem der Nodulation kann man genausogut die Wurzelknöllchen von Utricularia ableiten, indem man wie folgt (und in weitgehender Anlehnung an Ihre Worte) behauptet, dass die Saugfalle sich mit der Zeit in ein symbiontisches Wurzelknöllchen umgewandelt habe:

"Diese Saugfallen könnten speziellen Bakterien als Wirtsnischen gedient haben, die zusätzlich zu dem Tierfang für die Pflanze wichtige Stickstoffverbindungen aus dem im Wasser gelösten elementaren Stickstoff aufbauten. Die Tatsache, dass Cholibakterien in diesen Fallen nachgewiesen wurden, stützt die Annahme, dass Übergangsglieder von Utricularia auf eine solche Symbiose gebaut hatten. Da bei dichten Utricularia-Populationen die Beutetiere knapp wurden, hatten diejenigen Utriculariapflanzen einen Selektionvorteil, die auf den Beutefang Schritt für Schritt verzichteten und ihre Saugfallen zunehmend in den Dienst stickstofffixierender Bakterien stellten. Die sich anschließenden Mutations- und Selektionsschritte führten wohl nur noch zu graduellen Variationen dieses Prinzips, was schließlich dazu führte, dass die Pflanze einen ausgeklügelten Nodulationsmechanismus entwickelte. Mit der Zeit wurden die Fallen gänzlich von der Notwendigkeit des Tierfangs entbunden und vollends in Knöllchen umgewandelt. Bei terrestrischen Utriculariaarten wurden schließlich diese Knöllchen in den Dienst neu entwickelter Wurzelbildungen gestellt."

Tatsächlich ist jedoch die eine Ableitung so verkehrt wie die andere:

Die Wurzelknöllchen von Leguminosen und die Saugfallen von Utricularia bilden zwei völlig verschiedene, aber annähernd gleich-hochkomplexe synorganisierte biologische Systeme, die weder voneinander ableitbar sind, noch mit dem neodarwinistischen (oder anderen Evolutions-)Faktoren hinreichend erklärt werden können.

Sie können jedoch mit Ihrer Methodik auch hundert weitere (und einander widersprechende) Ableitungsversuche unternehmen — das ist nur eine Frage der Phantasie. Und je weniger man dabei von der biologischen Materie versteht, desto erstaunlichere Umwandlungen kann man für möglich und konsistent halten (vgl. Sie bitte auch p. 6 unten und p. 7 des Briefs vom 14/15. 11. 1998 an Herrn Q. sowie die Schrift über das Auge p.114 unten und 115 ff.).

Mit Ihrer Methodik kann man die (für keinen Botaniker dieser Welt nachvollziehbare) Ableitung des Utricularia-Fangmechanismus von Wurzelknöllchen praktizieren, diese Ableitung anschließend als lediglich einen Vorschlag einer möglichen Adaptation bezeichnen und damit zugleich das für den Neodarwinismus schwierige Synorganisationsproblem als für vollständig gelöst erklären: Denn "es zeigt sich bei Utricularia deutlich, dass auch die Fallenkonstruktion auf kontinuierliche Anpassungsschritte zurückgehen muss".

Man kann mit Ihrer Methodik alles beweisen und damit nichts.

Angesichts der Analyse Ihrer Ausführungen zu Utricularia (und zuvor zu Darwin und Lamarck, sowie der Federentstehung) möchte ich Ihre an meine Adresse gerichteten Vorwürfe von einem "beharrlichen Verzicht auf ökonomisch-wissenschaftliches Denken", von "unprüfbaren ‚So-ist's-nunmal-Märchen‘" und "haltlosen Spekulationen" an dieser Stelle nur einmal erwähnen, aber nicht kommentieren."

(Nachtrag: Die Situation wäre anders, wenn Herr A. - statt der oben diskutierten Phantasieableitungen - naturwissenschaftlich testbare Vorschläge unterbreitet hätte. Solche fehlen jedoch vollkommen. Aber schon das Postulat von naturwissenschaftlich testbaren Hypothesen zur Entstehung komplexer Strukturen wird von den meisten Evolutionstheoretikern als nicht praktikabel abgelehnt.)

 

Mein Brief vom 8.3.2000:

"Um Ihre zahlreichen Kommentare und Einwände zu meiner Diskussion mit Herrn Prof. B. (Initiale geändert) und zur Kritik Ihres Vorschlages zur Entstehung Utricularias in allen Einzelheiten zu besprechen - so wie ich das mit Ihren Behauptungen zu Darwins Auffassung der Vererbung erworbener Eigenschaften und der Biochemie der Vogelfeder etc. durchgeführt habe (vgl. unseren bisherigen Briefwechsel) - müsste ich jetzt wohl ein umfangreiches Buch verfassen.

Aus zeitlichen Gründen kann ich jedoch hier und jetzt nur auf einige wenige Punkte zu sprechen kommen (später mehr).

Einleitend möchte ich zu Ihren Bemerkungen zum Wasserschlauch noch einmal an die Voraussetzungen für eine positiv-konstruktive Diskussion erinnern (vgl. Sie bitte meinen Brief vom 12. Oktober 1999):

"Um eine Diskussion sinnvoll zu führen, sind bestimmte Mindestanforderungen an die Diskussionspartner zu stellen. Dazu gehört zum Beispiel, dass man 1. ernsthaft bemüht ist, seinen Gesprächspartner möglichst gut zu verstehen (auch wenn einem vielleicht die Meinung eines Andersdenkenden total gegen den Strich geht) und 2. Tatsachen anerkennt, zumal wenn diese leicht nachprüfbar sind."

Und hinzufügen möchte ich, dass man 3. (in einer Fachdiskussion) fachlich auch wirklich weiß, wovon man spricht

Des weiteren darf ich an die Ausführungen von S. 3 desselben Briefes erinnern:

"Wenn ich eine Sachdiskussion mit einem Mitarbeiter Ihres Instituts für (X) beginnen würde, der sich seit rund 35 Jahren ununterbrochen mit seinem Fachgebiet beschäftigt und zahlreiche wissenschaftliche Publikationen aufgrund experimentalwissenschaftlicher Arbeiten zu seiner Thematik aufzuweisen hat, dann wäre ich als Fachfremder doch sehr vorsichtig mit meinen Aussagen. Es besteht ja doch die Möglichkeit, dass ich noch Einiges dazu lernen könnte." (Hervorhebung nachträglich.)

Und schließlich hatte ich Sie eingeladen, mir "Ihre sachlichen Einwände zu übersenden" (ebenfalls S. 3).

Ich bitte Sie nun wieder, zu Ihren im folgenden zitierten und von mir diskutierten Einwänden selbst zu urteilen, ob Ihre Kommentare diesen Kriterien (insbesondere auch dem Punkt "sachliche Einwände") entsprechen.

Nun zu einigen Ihrer Behauptungen. Zu Utricularia schreiben Sie auf S. 3 Ihres Briefes vom 18. 12. 1999:

(Noch Anmerkung vorweg: Das Thema Wasserschlauch war ziemlich wahllos herausgegriffen und die hier vorliegende Fortführung der Diskussion dieser Frage stellt keineswegs das Ergebnis einer Auslese der größten Schwachpunkte Ihrer Ausführungen dar. Sie können mir gerne einen Vorschlag machen, welches andere Thema Ihrer Ausführungen Sie als besonders beweiskräftig empfinden, um mir damit für meinen voraussichtlich übernächsten Brief eine Reihenfolge vorzuschlagen - alles auf einmal geht, wie schon erwähnt, aus zeitlichen Gründen nicht):

Herr A.: S.3: "Zum Utricularia-Problem…"

(Zu meinem Hinweis:) W.-E.L.: "Alle Evolutionsbiologen sind sich bisher darin einig, dass sich der Fangapparat von Utricularia vom Blatt ableitet (und nicht von den Wurzeln)(…)"

(Weiter Herr A.:) (1) Doch zeigt die Skizze nicht eindeutig, dass der Fangapparat an den ins Wasser ragenden Wurzeln haftet? (2) Es ist doch seltsam: Lönnig, der die Existenz phylogenetischer Entwicklung strikt bestreitet, (3) verweist auf Evolutionsbiologen (deren Aussagen er aber ansonsten verwirft), (4) um meinen Vorschlag bereits im Ansatz zu entkräften. (5) Selbst wenn es so gewesen wäre (was keineswegs sicher behauptet werden kann), (6) so ließe sich in Anlehnung an meinen Vorschlag selbstverständlich ein analoger Mechanismus für die Entwicklung aus dem Blatt postulieren" (Hervorhebung im Schriftbild von Ihnen, Nummerierung von mir).

W.-E. L.: Zu Ihrer mehr rhetorischen Frage: (1) "Doch zeigt die Skizze nicht eindeutig, dass der Fangapparat an den ins Wasser ragenden Wurzeln haftet?" - Ist meine Antwort ein eindeutiges Nein! Denn Utricularia vulgaris hat überhaupt keine Wurzeln! Bei der Gattung Utricularia handelt es sich um

"terrestrische, halbterrestrische, epiphytische und aquatische Kräuter, ausdauernd bis niedrigwüchsig, mit mehr oder weniger kurzem, wurzellosem, vertikalem Spross oder horizontalem, (oft) subterranem Rhizom. B l ä t t e r sehr vielgestaltig, feingeteilt bis ganzrandig, manchmal schildförmig, sitzend bis gestielt mit kleinen, kurz gestielten, kugeligen bis eiförmigen Blasen (Schläuchen) besetzt. B l ü t e n meist in lockeren, traubigen Blütenständen, selten einzeln, von verschiedener Größe und Farbe…" (S. J. Casper in: G. Hegi, Bd. VI, Teil 1, 1975, S. 530, - Hervorhebungen im Schriftbild - wie auch in den folgenden Zitaten - von mir, Sperrungen jedoch im Original).

 

Da Rhizom "Wurzelstock" bedeutet, könnte das zu Missverständnissen führen. Unter einem Rhizom versteht man eine

"unterirdische, mehr oder weniger verdickte Sprossachse, die sich durch Vorhandensein von meist schuppenartigen Niederblättern und durch ihre Gliederung deutlich von Wurzeln unterscheidet. Die Rhizome speichern häufig Stärke und dienen der vegetativen Vermehrung" (Schuber/Wagner: Botanisches Wörterbuch, 9. Aufl. 1988).

G. Wagenitz bemerkt zum Begriff Rhizom in seinem Wörterbuch der Botanik, 1996, S. 318:

"Rhizom, Wurzelstock L: rhizoma E: rhizome, rootstock F: rhizome, m. Unterirdischer waagerechter oder aufsteigender Sprossteil, der oft Speicherfunktion hat und nichtgrüne schuppenförmige Nebenblätter trägt. Weit kriechende und verzweigte Rhizome können der vegetativen Vermehrung dienen, indem die älteren Teile absterben. - Analoge Bildungen bei Laubmoosen (Polytrichales) werden auch als "Rhizom" bezeichnet.

Geschichte: Rhizome wurden zunächst nicht von den Wurzeln unterschieden. EHRHART (1789, S.44) schuf den Begriff Rhizom, der sich zwar von gr. Rhiza, Wurzel, herleitet, aber von ihm klar als Spross erkannt wurde. Erst durch LINK (1807) wurde Rhizom allgemein eingeführt."

In McGraw-Hills Dictionary of Bioscience heißt es ähnlich 1997, p. 399:

"rhizome (BOTANY) An underground horizontal stem, often thickened and tuber-shaped, and possessing buds, nodes, and scalelike leaves."

"Buds, nodes and scalelike leaves" sind Spross (nicht Wurzel-) Merkmale. Solche Rhizome kommen insbesondere bei terrestrischen Utricularia-Arten vor.

Aber unsere einheimischen Utricularia-Arten, wie Utricularia vulgaris, haben nicht einmal ein Rhizom! Caspar fügt generell zur Beschreibung der Gattung Utricularia hinzu: "Wurzeln fehlen völlig". In gleicher Weise bemerkt Peter Taylor in seiner Utricularia-Monographie (The Genus Utricularia, 1989, p. 6), "Wurzeln fehlen immer".

(Erstaunlicherweise kommen jedoch Rhizoide vor, die man sonst nur bei Flechten, Moosen, Pilzen und den Prothallien der Farne findet, - also alles Formen, mit denen Utricularia überhaupt nicht morphologisch verwandt ist. Schubert/Wagner definieren Rhizoide als "haardünne, zuweilen auch verzweigte, ein- oder mehrzellige, chlorophyllarme oder -freie Zellschläuche, die auf der Unterseite der Moosgametophyten und selbständig lebender Prothallien der Farnpflanzen entspringen. Ihre Funktion ist vorwiegend die Verankerung im Substrat." Bei Utricularia minor und U. bremii HEER finden sich "extraaxilläre Sprossungen, sogenannte "Rhizoide" oder "Krallensprosse" ("Rankensprosse"), in 1-5-Zahl, scheinwirtelig gestellt und 3-4 cm lang. Sie sind starre Kurztriebe mit in ihrer Entwicklung gehemmten, zweizeilig inserierten, blasenlosen Langtriebblättern (Segmenten), die nur 1 bis wenige Millimeter lang und deren klauenartige Endläppchen mit aufgesetzten Stächelchen versehen sind. Sie dienen zum "Verankern" der Blütenstände an anderen Pflanzen" (Casper, p. 531). Auch U. vulgaris weist solche Rhizoide auf.)

Und diese beiden Autoren sind damit in völliger Übereinstimmung mit allen Botanikern, die jemals über diese Gattung gearbeitet haben (zumindest mit denjenigen Forschern, die Wurzeln von einem Rhizom unterscheiden konnten).

Was Sie in der Abbildung des Gesamthabitus von Utricularia vulgaris (nach A. Slack) unter der Wasseroberfläche sehen, sind nicht die Wurzeln, sondern das Spross und das (fein zerschlitzte) Blattwerk.

Dieser schon für den Ansatz Ihrer Vorschläge grundlegende Punkt sei im folgenden noch weiter dokumentiert.

Caspers bemerkt zum Habitus von Utricularia vulgaris unter anderem (S. 537):

"Pflanze im Wasser flutend, zur Blütezeit auftauchend. S p r o s s e nicht in grüne Wassersprosse und farblose Erdsprosse differenziert, kräftig, dunkelgrün, braungrün bis rötlich, 30-200 (300) cm lang, mit zweizeilig angeordneten, aber nach allen Seiten hin abstehenden Blättern besetzt. W a s s e r b l ä t t e r groß, 2-8 cm lang, im Umriss 2-3- bis undeutlich 4lappig, jeder Lappen 1-2fach gefiedert und in viele fadenförmige, randlich stachelspitzige Endzipfel auslaufend, mit 20-200 rötlichen (da anthozyanhaltigen) Schläuchen besetzt, die 0,7 - 4,5 mm lang und 0,5 - 3,5 mm hoch sind; die Endzipfel stumpf auslaufend, pro Zipfel 8-16 Sockel mit je 1-5 Stacheln."

Die Fallen sitzen bei Utricularia also direkt an den Blättern.

Im Artenschlüssel heißt es zu den Blättern und Sprossen von U. vulgaris (S. 536):

"Blattendzipfel am Rande borstig bewimpert…Vegetative Sprosse einheitlich, grün, wurzellos, frei schwimmend. Blatt reich in haarfeine, entfernt borstig gewimperte Endzipfel mit zahlreichen (bis 200) Schläuchen geteilt."

Taylor beschreibt die Blätter der aquatischen Utricularia-Arten (S.10) wie folgt:

"In the aquatic section (of) Utricularia the leaves are, for the greater part, similar to those of the well-known U. vulgaris and its allies, that is divided in a dichotomous or pinnate manner into more or less numerous capillary segments (fig. 184/3), which bear apical and usually lateral setulae (fig. 184/6)."

Der größte Pflanzenmorphologe des 20. Jahrhunderts, Wilhelm Troll, bemerkt zu Utricularia in seiner Allgemeinen Botanik (1973, S. 537):

"Saugfallen besitzen die Arten der Gattung Utricularia, u.a. U. vulgaris, eine submerse Wasserpflanze mit fein gegliederten Blättern, an denen in größerer Zahl blasenartige Organe stehen (Abb.428 I).

Im Strasburger, Lehrbuch der Botanik, lesen wir 1998, S. 199:

"Die bei uns in stehenden Gewässern untergetaucht lebenden Utricularia-Arten tragen an zerschlitzten Blättern kleine, grüne Blasen (Abb. 1-253), mit Wasser gefüllte Schluckfallen."

Ebenso schreibt G. Braun in seiner Arbeit Fleischfressende Pflanzen zu den Merkmalen von Utricularia vulgaris (1992, S. 92):

"Der "Gemeine Wasserschlauch" bildet bis zu 2 m lange Stengel aus. Die Blätter sind groß, vielfach gegabelt. An jedem Blatt können bis zu 100 Fangblasen auftreten."

Slack hebt (1985, S. 179) zu allen Arten der Gattung Utricularia die Tatsache hervor, "dass sie während ihrer gesamten Lebenszeit keinerlei Wurzeln ausbilden".

Aber man muss sich nicht einmal unbedingt mit der botanischen Fachliteratur beschäftigen, um sich zur Frage nach der Wurzel-, Blatt- und Fallenbildung beim Wasserschlauch zu informieren. Im Brockhaus, 1994, Bd. 23, S. 637 lesen wir zu Utricularia u.a. (vgl. ebenso Meyers Grosses Universallexicon 1986):

"Die stets wurzellosen, tierfangenden Pflanzen haben an ihren Blättern blasenförmige, durch Reusenhaare und einen Deckel verschließbare Fallen, in denen sich Insekten und Kleinkrebse fangen, wo sie von den Pflanzen verdaut werden."

Generell werden die Saugfallen der aquatischen Arten an den Blättern gebildet wie die beiliegende Abbildung unserer einheimischen Utricularia bremii sehr deutlich zeigt (aus Taylor, S. 614). Bei Utricularia vulgaris ist es ganz ähnlich (vgl. die Abbildung aus Slack, S. 180; Kopien anbei).

Feine, zerschlitzte Blätter kommen übrigens bei zahlreichen ganz unterschiedlichen Gattungen von untergetaucht lebenden Blütenpflanzen vor (vgl. Kopie der Abb. 5.7 aus Sculthorpe 1967, S. 106). Im Botanischen Garten von München dürften solche und auch Utricularia vulgaris-Pflanzen vorhanden sein. Am besten Sie sehen sich einmal solche Pflanzen dort näher an (Blütezeit von Utricularia ist von Juni bis August).

Fazit:

Ihre Bemerkung (1) ("Doch zeigt die Skizze nicht eindeutig, dass der Fangapparat an den ins Wasser ragenden Wurzeln haftet?") ist eindeutig von den biologischen Tatsachen her zu verneinen.

Bevor Sie nun überhaupt einen naturwissenschaftlich-sachlichen Vorschlag machen können, der bei Utricularia "deutlich" zeigen soll, "dass auch die Fallenkonstruktion auf kontinuierliche Anpassungsschritte zurückgehen muss" (Ihre Worte aus Brief vom 1. 10. 99), müssten Sie sich schon etwas genauer mit der Morphologie und Anatomie der Gattung und Art auseinander setzten. Ohne solche Sachkenntnisse haben Sie jedoch ein Szenario zur Entstehung Utricularias entworfen, welches ich - in meinem Brief vom 22. 11. 99 detailliert begründet - wie folgt gekennzeichnet habe (S. 11):

"Dieses Szenario beginnt morphologisch am falschen Organ (Wurzel statt Blatt) und ökologisch an der falschen Stelle (Flachmoor statt einem oligotrophen Biotop). Die zahlreichen inneren Widersprüche der Ableitung und die nicht erklärten Details der Entstehung des Fangmechanismus bestätigen erneut, dass auch zahlreiche Evolutionstheoretiker hier zu Recht ein für den Neodarwinismus bedeutendes Koadaptationsproblem gesehen haben."

 

Fortsetzung Ihrer Ausführungen:

Herr A.: (2) "Es ist doch seltsam: Lönnig, der die Existenz phylogenetischer Entwicklung strikt bestreitet, (3) verweist auf Evolutionsbiologen (deren Aussagen er aber ansonsten verwirft), (4) um meinen Vorschlag bereits im Ansatz zu entkräften."

W.-E. L.: Bei diesen Aussagen lassen Sie mehrere Punkte unberücksichtigt:

Zum Punkt (2): Lönnig bestreitet die Existenz phylogenetischer Entwicklung nicht "strikt", sondern nur - von Fall zu Fall, und zwar abhängig von den biologisch-genetischen Tatsachen - oberhalb der Gattungen, Familien und Ordnungen (zu Ausnahmen und Regeln vgl. die Details in ARTBEGRIFF, EVOLUTION UND SCHÖPFUNG, 622 S., 3. Aufl. 1993). D. h. ich akzeptiere die Existenz phylogenetischer (horizontal- und abwärts-) Entwicklung von buchstäblich Millionen systematischer Arten und Tausenden von morphologischen Gattungen des Tier- und Pflanzenreichs.

Zum Punkt (3): Da dieser Punkt von grundsätzlich methodologischer Bedeutung ist, werde ich diesen Einwand ebenfalls etwas ausführlicher diskutieren:

"Lönnig…verweist auf Evolutionsbiologen (deren Aussagen er aber ansonsten verwirft)…"

a) Lönnig verwirft nur die wissenschaftlich unhaltbaren Thesen von Evolutionsbiologen (und Verteidigern der Evolutionstheorie), d. h. die Thesen, die weder falsifizierbar noch verifizierbar sind und selbstverständlich diejenigen, die schon vom Ansatz her falsch sind (wie z. B. die Ableitung der Fallen Utricularias von Wurzelknöllchen).

Evolutionsbiologen haben auf der anderen Seite zahlreiche hervorragende (faktische) Entdeckungen auf dem Gebiet der Anatomie, Morphologie, Physiologie, Entwicklungsbiologie, Genetik, Paläontologie und Tier- und Pflanzengeographie gemacht, die ich selbstverständlich voll und ganz akzeptiere (ich arbeite ja selbst mit zahlreichen Evolutionisten zusammen). Die häufig mit den Entdeckungen verbreiteten evolutionistisch-unwissenschaftlichen Deutungen der Befunde stehen allerdings auf einem ganz anderen Blatt.

Was nun eine evolutionistische Ableitung und Entstehung der Saugfalle Utricularias anlangt, haben die meisten Evolutionsbiologen vollkommen richtig beobachtet, dass die kleinen Tierfallen regelmäßig an den Blättern sitzen (und nicht an Wurzeln). Weiter haben diese Evolutionsbiologen bei ihren Erklärungsversuchen (aufgrund ihrer Methodik von morphologisch-anatomischen und physiologischen Ähnlichkeiten auf Abstammung zu schließen und diese wieder mit (weiteren) homologen Ähnlichkeiten zu begründen) - auch die Anatomie der Wände des Fangapparats berücksichtigt (Zellaufbau ähnlich dem sonstiger Blätter: Cuticula, Photosynthese in den mit Chloroplasten versehenen Zellen, Leitbündelstruktur und übrige Anatomie an der Fallenbasis etc.), d. h. also auch die Doppelfunktion der Fallen (Fang- und Laubblattfunktionen) in ihren Erwägungen miteinbezogen.

Unter Voraussetzung der Richtigkeit der Evolutionstheorie mitsamt der "Ähnlichkeitsmethodik" gibt es bisher ausschließlich Gründe, eine Ableitung der Kastenfalle Utricularias (kontinuierlich oder diskontinuierlich) vom Blatt vorzunehmen (die Wurzel entfällt aus oben genannten Gründen).

Aufgrund dieser und weiterer Tatsachen hatte ich zu Ihrem Ansatz -

"Durch eine zufällige Mutation kam es möglicherweise zur Ausbildung von Gewebswucherungen (vergleichbar dem Pflanzenkrebs) am Wurzelwerk dieser Pflanzen"

- folgendes angemerkt (S. 3 meines Briefes vom 22. 11. 99): "Alle Evolutionsbiologen sind sich bisher darin einig, dass sich der Fangapparat von Utricularia vom Blatt ableitet (und nicht von den Wurzeln). (Siehe auch Prof. Nachtweys Kommentar zu Utricularia.)"

Und desweiteren (ebenfalls S. 3):

"Eine zufällige Mutation, die möglicherweise zur Ausbildung von Gewebewucherungen (vergleichbar dem Pflanzenkrebs) am Wurzelwerk dieser Pflanzen führte, ist für die Entstehung von Utricularia irrelevant, weil (1.) die Evolutionsbiologen die Tierfalle aufgrund spezieller anatomischer Merkmale vom Blatt (und nicht von den Wurzeln) ableiten und (2.) solche Mutanten einen starken Selektionsnachteil aufzuweisen hätten." ("..aufgrund.." nachträglich hervorgehoben.)

Sie können also die Tierfalle nicht von den Wurzeln einer hypothetischen (in einem Flachmoor angesiedelten) Vorform ableiten.

b) Nachtweys Ausführungen zu Utricularia hatten Sie in der Diskussion mit [Prof. K.] mehr als 8 Wochen vor Ihren Kommentaren vom 18.12.99 vorzuliegen: "Ein normales Blatt, Organ pflanzlicher Assimilation…hat einen kleinen Fangapparat mit allen mechanischen Einrichtungen gebildet….Nun mögen uns die Darwinisten erklären, wie man sich die Bildung des Wasserschlauchbläschens aus einem Blattzipfel vorstellen soll."

In meinem Brief vom 22.11.99 habe ich noch einmal auf die evolutionistische Blattableitung Bezug geommen. - Wie gründlich haben Sie diese Texte studiert?

c) In einem Mord- (und sonstigen) Prozeß verweist jeder Staatsanwalt und Richter auf grundlegende Widersprüche zwischen den Aussagen des Angeklagten und seinen Verteidigern, insbesondere wenn (nicht obwohl) sie die Hauptaussage des Angeklagten verwerfen, unschuldig zu sein. Im Falle der Schuld des Angeklagten sind letztlich sowohl die Aussagen des Angeklagten als auch die der auf "nicht-schuldig" plädierenden Verteidiger falsch.

Stellt sich im Laufe des Prozesses zum Beispiel heraus, dass der Ort, an dem der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat gewesen sein will, im Widerspruch zu den Ortsangaben der Verteidiger steht - wobei, wenn überhaupt ein Alibi-Ort in Frage käme, nur die Angaben der Verteidiger zutreffen können - so ist zunächst einmal davon auszugehen, dass der Angeklagte eine falsche Aussage gemacht hat. (Der Widerspruch sei durch ein Mißverständnis in der Kommunikation zwischen dem Angeklagten und den Verteidigern oder durch ein Fauxpas des Angeklagten im Prozeß entstanden.)

Oder umgekehrt: Der unschuldige Angeklagte wird auf die Widersprüche (falscher oder irrender) Zeugenaussagen hinweisen, nicht obwohl, sondern weil er deren Aussagen und Anklagen, der Täter zu sein, "aber ansonsten verwirft". Genau an diesem Punkt, an den grundsätzlichen Widersprüchen, kann er einhaken, um seine Unschuld zu beweisen. Dabei könnten zunächst die schon im Ansatz falschen Aussagen widerlegt werden und dann die 'raffinierteren' (d. h. diejenigen, die wenigstens vom Ansatz her "möglich" erscheinen und die den ersteren widersprechen). Die Methode ist nicht nur völlig legitim, sondern sogar notwendig, um die wahren Sachverhalte herauszuarbeiten.

c) In dem Ihnen übersandten Buch EVOLUTION - IRRWEG MODERNER NATURWISSENSCHAFT? (4. Aufl. 1999) verweist der Autor, Herr Dr. Henning Kahle, reihenweise auf die Aussagen von Evolutionsbiologen zu den naturwissenschaftlichen Schwierigkeiten des Neodarwinismus und der Evolutionstheorie, obwohl er deren Glaubensbekenntnis zur Richtigkeit der Evolutionstheorie verwirft (wie er häufig selbst anmerkt). Ist diese Methode korrekt? Selbstverständlich! Um die Wahrheit zu einer umstrittenen Frage herauszufinden, kann man doch zunächst kaum Besseres tun, als diejenigen zu zitieren, die bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit - und zwar ganz im Gegensatz zu ihren Bemühungen, Zielen und Überzeugungen - auf das glatte Gegenteil des Erhofften gestoßen sind und dabei ehrlicherweise diese Fakten nicht unter den Teppich kehren, sondern klar und offen ansprechen.

Zum Punkt (4): "…um meinen Vorschlag bereits im Ansatz zu entkräften".

Durch die Verwechslung der Blätter Utricularias mit Wurzeln haben Sie Ihren Vorschlag bereits selbst im Ansatz entkräftet.

An dieser Stelle darf ich wieder fragen, ob Sie ehrlich der Überzeugung sind, dass Ihre Ausführungen zur Entstehung der Saugfalle Utricularias den einleitend genannten Mindestanforderungen einer sinnvollen, wissenschaftlichen Diskussion entsprechen (1. ernsthaft bemüht sein, seinen Gesprächspartner möglichst gut zu verstehen ; 2. Tatsachen anerkennen, zumal wenn diese leicht nachprüfbar sind; 3. fachlich wissen, wovon man spricht ; 4. sachliche Einwände formulieren)?

Von jemandem, der sicher ist, dass er nicht nur diese Mindestbedingungen für eine sinnvolle, wissenschaftliche Diskussion erfüllt, sondern glaubt, mit seinem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und Richtigkeit seiner Ausführungen und Behauptungen weit über seinem Gesprächspartner zu stehen (und sich in diesem Sinne immer wieder seinem Gesprächspartner gegenüber in herabsetzend-polemischer Weise äußert), - von dem hätte man wohl erwarten können, dass er sich vor einer weiteren Stellungnahme zum Wasserschlauch mit den Fragen der Organstrukturen Utricularias und den evolutionistischen Ableitungsmöglichkeiten beschäftigt, um dann möglichst vernünftige, qualifizierte (d.h. sachlich begründete) Antworten zu geben.

Zu Ihren weiteren Kommentaren: Herr A.: (5) "Selbst wenn es so gewesen wäre (was keineswegs sicher behauptet werden kann), (6) so ließe sich in Anlehnung an meinen Vorschlag selbstverständlich ein analoger Mechanismus für die Entwicklung aus dem Blatt postulieren."

W.-E. L.: Zum Punkt (5): "Selbst wenn es so gewesen wäre (was keineswegs sicher behauptet werden kann)…": Richtig ist, dass auch die Ableitung vom Blatt durch Mutation und Selektion naturwissenschaftlich nicht nur keineswegs sicher behauptet werden kann, sondern selbst auf größte Schwierigkeiten stößt (vgl. dazu Prof. Nachtweys Kommentar). Vielmehr weisen aller Erfahrung nach genial-komplexe, synorganisierte Systeme und Konstruktionen auch auf den genialen Konstrukteur hin (vgl. Anmerkungen S. 12). Aber wie oben schon im Detail ausgeführt, gibt es bei der Voraussetzung der Richtigkeit der Evolutionstheorie zur Ableitung des Fangmechanismus von Utricularia zur Zeit für keinen gut informierten Evolutionstheoretiker eine Alternative zur Blattableitung (etwa in Form der Ableitung von der Wurzel).

Zum Punkt (6): "…so ließe sich in Anlehnung an meinen Vorschlag selbstverständlich ein analoger Mechanismus für die Entwicklung aus dem Blatt postulieren." - Ja, "selbstverständlich" ließe sich das. Und wenn dann anschließend bewiesen werden kann, dass Ihr 'analoger Mechanismus für die Entwicklung aus dem Blatt' wiederum von (anderen) grundlegend falschen Voraussetzungen ausgeht und damit ebenfalls widerlegt ist, dann könnten Sie (wieder "selbstverständlich") einen weiteren Ansatz präsentieren, und nach dessen Widerlegung mit einem nächsten Vorschlag aufwarten und so weiter ad infinitum (mit anderen Worten: selbst wenn Sie 1000 verschiedene Vorschläge machen und ich Ihnen dazu 1000 Widerlegungen liefere, können Sie mit dem Vorschlag 1001 fortfahren etc.). Die einzelnen Vorschläge könnten zwar widerlegbar sein, prinzipiell aber nicht die dahinter stehende Evolutionsauffassung (gleichsam die 'Metaphysik'), - d. h. an diesem Punkt wird nun mit aller Klarheit deutlich, dass Ihre Evolutionsauffassung grundsätzlich nicht falsifizierbar ist und damit außerhalb der naturwissenschaftlichen Rahmenbedingungen liegt.

Der tiefere Grund für diese prinzipielle Nichtfalsifizierbarkeit der Evolution an sich liegt bei Ihnen in Ihrer weltanschaulichen Verwurzelung im Materialismus (denn Sie zählen sich gemäß Ihren eigenen Worten "zu den kritischen Positivisten und Materialisten"; gemäß Ihrer e-Mail vom 1. 9. 99 mit Ergänzungen am 25. 10. 99). Wird dieses Weltbild als das einzig mögliche und wahre (und damit als absolut sichere Tatsache) vorausgesetzt (und das ist bei Ihnen derzeit der Fall), dann impliziert das zugleich die "Tatsache der Evolution", und Tatsachen kann man prinzipiell nicht widerlegen, - Tatsachen kann man nur anerkennen. D. h. von daher muss Ihnen selbst die Frage nach der Möglichkeit der Falsifikation der Evolutionstheorie letztlich absurd erscheinen (denn Sie wissen ja schon, dass die Theorie wahr ist, d.h. eine Tatsache beschreibt). Weiter können nach diesem Weltbild biologische und andere Theorien und Tatsachen die "Tatsache der Evolution" prinzipiell nur bestätigen, aber niemals widerlegen. Denn die Anerkennung auch nur eines einzigen stichhaltigen Gegenbeweises zur Evolution ohne materialistische Alternative würde Ihr gesamtes materialistisches Weltbild zusammenstürzen lassen.

Ein Weltbild hingegen, welches den göttlichen Urheber aller Dinge, d.h. den Architekten und Gesetzgeber des Universums, anerkennt, hat diese Schwierigkeit nicht: Diese Überzeugung kann prinzipiell auch mit der Evolutionstheorie leben (z. B. (1) theistische Evolutionstheorie, (2) anthropisches Prinzip, vgl. Michael Denton 1998: Nature's Destiny). N.: (3) ja (für einige zumindest) sogar mit dem Neodarwinismus, wie die Auffassung von Kenneth Miller zeigt.

Die Fortsetzung der Detail-Diskussion zu Utricularia habe ich mir für meinen nächsten Brief vorgenommen (das war erst der Anfang). Bis ich dazu komme, das wird allerdings - wegen des erwähnten Zeitmangels - wieder einige Wochen dauern.

Wie einleitend schon erwähnt, habe ich noch sehr, sehr viel (mehr) zu Ihren Ausführungen, insbesondere auch zu Ihrer (Hinweis auf einen seiner Aufsätze) zu sagen. Später dazu mehr."

Anmerkungen zur weiteren Diskussion

Herr A. hat daraufhin die Diskussion unter Zurücknahme mehrerer seiner Hauptargumente abgebrochen. Er versäumte es allerdings dabei nicht, "am Ende" noch mit zahlreichen weiteren unwissenschaftlichen Behauptungen und übelster persönlich-herabsetzender Polemik aufzuwarten (die ich dem Leser im folgenden - wie schon oben - zumeist erspare). Antworten dazu wollte er offensichtlich nicht mehr hören. Hier einige Auszüge, die ich mit der Bitte um konstruktive Kritik auch mit weiteren Biologen und Interessenten diskutiert habe (siehe im folgenden die Kommentare Dr. G. und Dr. H.).

Diskussion der Antworten (Auszüge) von Herrn A. auf obige Besprechung seiner Behauptungen zur Entstehung Utricularias:

Herr A. (1): "Wie ich sehe, sind Sie auf das Fallbeispiel "Utricularia" im Rahmen der Typogenese geradezu fixiert."

W.-E.L. (1): Das ist etwa so, als ob man zu einem Drosophila-Genetiker (wie z. T. Dobzhansky) sagen würde (oder gesagt hätte): "Wie ich sehe, sind Sie auf das Fallbeispiel "Drosophila" im Rahmen der Evolutionstheorie geradezu fixiert."

Für die wissenschaftliche Frage nach dem Ursprung der Falle Utricularias helfen Unsachlichkeit und grobe Polemik nicht weiter.

Dr. G. zu (1): "Natürlich war der Vorwurf auf Utricularia fixiert zu sein, kein sachliches Gegenargument, sondern ganz offensichtlich herabsetzend gemeint."

Dr. H. zu (1): "Polemik oder Bösartigkeit ist immer ein Zeichen mangelnder Argumente. Für mich wird jemand in einem solchen Augenblick so lächerlich, dass ich ihn nicht mehr beachte, ihm aber maximal Vorschläge mache, um ihn zur naturwissenschaftlichen Diskussion zurückzuholen."

W.-E.L. zum Kommentar von Dr. H.: Dr. H. hat vollkommen Recht. Ich bin jedoch bei meinen Diskussionen generell davon ausgegangen, dass ich es mit zutiefst ehrlichen Wahrheitssuchern zu tun habe (eigentlich kann ich mir andere Menschen überhaupt nicht vorstellen) (vgl. weiter Antwort an meine Kritiker).

Herr A. (2): "Dabei ließe sich die Problematik an einer Unzahl anderer Beispiele diskutieren; Junker und Scherer haben dies in ihrem Buch "Evolution — ein kritisches Lehrbuch" anhand des Fortbewegungsapparates von E.coli und der Fangfalle Nepenthes dargelegt."

W.-E.L. (2): Es ist völlig richtig, dass man die Problematik auch "an einer Unzahl anderer Beispiele diskutieren" kann (womit Herr A. selbst das ganze Ausmaß der Problematik erkannt hat und impliziert, dass Utricularia nicht etwa nur einen aus dem Rahmen fallenden Spezialfall bildet).

Wenn man aber einmal einen konkreten Fall wie Utricularia herausgegriffen hat und dann - mitten in der Diskussion - die Auseinandersetzung um das konkrete Beispiel mit Ablenkungsversuchen und persönlich-herabsetzenden Bemerkungen disqualifizieren und beenden will, dann erinnert mich das an einen Ausspruch von Reid: "The strength of polemic and level of invective employed by evolutionists suggested a skeleton in the cupboard." Wie dieses "Skelett" aussieht, wird im Laufe der weiteren Ausführungen von Herr A. noch deutlich.

Herr A. (3): "Ich für meinen Teil bin in der Zwischenzeit auch nicht untätig gewesen, habe mich ein bisschen in die "Problematik" der Makroevolution eingearbeitet und möchte Ihnen in meiner beiliegenden Erläuterung neue Argumente dazu liefern. Da es mir in erster Linie jedoch um die grundlegenden Zusammenhänge der Evolution geht, und wir nicht vom "Hundertsten ins Tausendste" kommen sollten, möchte ich das Thema Utricularia hiermit abschließend behandeln."

W.-E.L. (3): Naturwissenschaftlich kann man grundlegende Fragen und "Zusammenhänge der Evolution" nur an konkreten Beispielen und Daten diskutieren: Genau dazu diente u.a. das Beispiel Utricularias. Ich möchte in diesem Zusammenhang an das oben zitierte Falsifikationskriterium Darwins erinnern:

"Ließe sich das Vorhandensein eines zusammengesetzten Organs nachweisen, das nicht durch zahlreiche aufeinanderfolgende geringe Abweichungen entstehen könnte, so müßte meine Theorie unbedingt zusammenbrechen."

Auffallend ist nun, dass Herr A. die "grundlegenden Zusammenhänge der Evolution" vom konkret-biologischen Utricularia-Beispiel zu trennen versucht (und damit im Prinzip auch von "einer Unzahl anderer Beispiele"), um das Utricularia-Beispiel "abschließend" zu behandeln, d.h. die Diskussion zu beenden. Vom "Hundertsten ins Tausendste" würde man kommen, wenn man - statt ein Musterbeispiel zu Ende zu diskutieren - laufend von einem Beispiel zum anderen springen würde.

Herr A. (3): "Die Evolution ist viel komplexer, als wir sie bislang diskutiert haben,..."

W.-E.L. (3): Die Frage nach dem Ursprung der Lebensformen ist sogar so komplex, dass man intelligent design nicht grundsätzlich auf der Basis eines dogmatisch-materialistischen Weltbildes ausschließen darf. Sollten an der Wahrheit interessierte Personen nicht vielmehr ehrlich und gründlich untersuchen, ob es für intelligent design tatsächlich logisch-sachliche Gründe gibt, und falls das zutrifft, diese dann auch bereitwillig akzeptieren?

Herr A. (4): "...und die Zersplitterung, bzw. isolierte Betrachtung einzelner, auf linearen Ursachen beruhender Evolutionsprozesse stellt daher eine illegitime Vorgehensweise der Kreationisten dar, um der Theorie der Bioevolution Grenzen aufzuzeigen."

W.-E.L. (4): Es waren doch nicht "die Kreationisten", die den Absolutheitsanspruch der Synthetischen Evolutionstheorie mit ihren "linearen Ursachen" behauptet hatten, sondern die Neodarwinisten selbst: "Jede bekannte Lebensform" (Huxley, vgl. Zitate oben) behaupteten sie, mit ihrem linearen Faktorensystem vollständig erklärt zu haben - unter anderem bislang auch Herr A.. Das war illegitim! Diese den biologischen Tatsachen widersprechende Verabsolutierung des neodarwinistischen Faktorensystems nun den Kritikern in die Schuhe schieben zu wollen, ist eine völlige Verkehrung der Tatsachen! Auch das ist illegitim!

Die hier als "illegitime Vorgehensweise von Kreationisten" herabgewürdigte wissenschaftliche Methode der Kritik angesichts des neodarwinistischen Absolutheitsanspruchs wird übrigens auch von zahlreichen Evolutionstheoretikern gepflegt (vgl. z.B. von Frisch, Portmann, Bertalanffy, Eccles). Sie alle haben der materialistischen Theorie der Bioevolution Grenzen aufgezeigt.

Herr A. (5): Vielmehr muss das gesamte Spektrum der Mechanismen diskutiert werden, um die Theorie voll würdigen oder in Frage stellen zu können.

W.-E.L. (5): Hier stimme ich vollkommen zu. Und genau das praktiziere ich.

Herr A. (6): Lassen Sie mich dazu am Ende noch einige wesentlich neue Aspekte in unseren Diskurs einbringen" (Hervorhebung im Schriftbild von Herrn A.).

W.-E.L.(6): Wir wollen prüfen, ob diese wesentlich neuen Aspekte die Entstehung des Utricularia-Fangapparates tatsächlich erklären können (oder ob nicht vielmehr jetzt das "skeleton in the cupboard" sichtbar wird).

Herr A. (7): "Denn wie ich mittlerweile erkannt habe, ist der Mechanismus der additiven Typogenese nicht der einzige evolutive Faktor im Rahmen der Apogenese und Typenbildung des Lebens" (Hervorhebung im Schriftbild von mir).

W.-E.L. (7): Damit läßt Herr A. den (auch von ihm bisher nachdrücklich behaupteten) Absolutheitsanspruch der Synthetischen Evolutionstheorie fallen. Zur Frage nach einer Alternative fährt er eine Seite weiter fort:

Herr A. (8): "Tatsächlich besteht keine Notwendigkeit, die Entstehung der Saugfalle von Utricularia, der Fangfalle der Kannenpflanze Nepenthes oder des Bauplans irgendeines anderen Organismus ausnahmslos durch das gradualistische "Faktorensystem" im Rahmen der additiven Typogenese erklären zu müssen, wie man leicht feststellen kann, wenn man sich etwas eingehender mit den chaostheoretischen Ansätzen im Rahmen der Synergetischen Evolutionstheorie beschäftigt hat."

W.-E.L. (8): Die Fallen von den Nepenthes gehören in die Kategorie der Gleit- und Reusenfallen. - Wir möchten sehen, ob man die Entstehung dieser Fallen tatsächlich nach der Beschäftigung mit chaostheoretischen Ansätzen etc. "leicht feststellen kann". Denn noch in seinem Brief zuvor hatte mir der Autor nach einem weiteren Vorschlag zur "additiven Typogenese" des Utricularia-Fangmechanismus geschrieben: "Auch hier ist die Plausibilität additiver Typogenese durch etwas Nachdenken leicht einzusehen", oder mit den weiteren Worten von Herrn A. (Zusammenhang ebenfalls Utricularia-Diskussion):

"Gegenüber der Annahme, eine evolutionsbiologische additive Typogenese habe stattgefunden, ist die Unterstellung eines unwissenschaftlichen Zirkelschlusses jedoch nicht zulässig, handelt es sich bei der Evolutionstheorie keineswegs um eine nicht falsifizierbare Weltanschauung, sondern um eine wissenschaftliche und verifizierte Theorie" (Hervorhebung im Schriftbild von Herrn A.), oder (siehe oben): Es zeigt "sich bei Utricularia deutlich, dass auch die Fallenkonstruktion auf kontinuierliche Anpassungsschritte zurückgehen muss".

Nachdem Herr A. die drei letzteren Behauptungen zum Neodarwinismus fallengelassen hat (und nebenbei zeigt, dass er das Falsifikationsprinzip nicht verstanden hat), wollen wir uns nun den 'wesentlich neuen Aspekten' zuwenden:

Herr A. (9): "So kommen dort unter Berücksichtigung der Existenz systemeigener Schwellenwerte, bei deren Überschreiten unvermittelte Wandel ausgelöst werden (die neuen Systemgesetzlichkeiten eines anderen Zustandsattraktors folgen), chaostheoretische Synergien zum Tragen, die durch evolutionäre Wirkfaktoren, wie Genduplikation, Inversion, Translokalisation und Genfusion ausgelöst werden. So hat es wahrscheinlich bei Utricularia, Nepenthes etc. überhaupt nie Übergangsformen gegeben, sondern Makroevolution in Form diskreter Typensprünge, wie man sie bei Pseudomonas fluoreszens oder Drosophila bereits seit geraumer Zeit nachgewiesen hat (zu Pseudomonas, siehe Science, 284, 2108-2110, 1999, zu Drosophila, Science, 284, 2106-2108, 1999). Damit wurde erstmals auch Makroevolution in Form von Typensprüngen anhand rezenter Organismen nachgewiesen" (bis auf "unvermittelte Wandel" Hervorhebung im Schriftbild von Herrn A.).

W.-E.L. (9): Wenn man die Artikel über Pseudomonas und Drosophila gründlich und kritisch studiert, stellt man sehr bald fest, dass dort keinerlei neuentstandene komplex-synorganisierte Strukturen beschrieben werden.

Dem Leser dürfte beim obigen Text von Herrn A. zunächst auffallen, dass der Faktor "Selektion" zur Erzeugung der nun zahlreichen (synorganisierten!) komplexen neuen Strukturen eines Utricularia-Fangapparates jetzt völlig entfällt. Das, was der Darwinismus mit zahlreichen kleinen Schritten - Mutationen mit "slight or even invisible effects on the phenotype" (Mayr) - über die Selektion von Tausend Zwischenformen erklären wollte, soll nun ohne jegliche Zwischenformen (mit einem Schlag!) und ohne Selektion durch einen einzigen (letzten) Mutationsschritt (siehe unten) direkt ausgelöst worden sein und das "Endprodukt" dann unmittelbar einen Anpassungs- und Selektionsvorteil in einer bestimmten Umwelt gehabt haben!

Oder anders formuliert: durch eine Genduplikation, Inversion, Translokation oder Genfusion würden schließlich "systemeigene Schwellenwerte" überschritten, wodurch der "unvermittelte Wandel", der "diskrete Typensprung", der Makroevolutions-Schritt vom Blatt zu einem ‚fertigen’ hochkomplexen, neuen Utricularia-Fangapparat mit allen Raffinessen aufgetreten sei (vgl. Sie bitte zu dieser Behauptung noch einmal die Abbildung 1 und die Besprechung der anatomischen Details im Text von Robert Nachtwey).

Das gleiche kann Herr A. dann im Prinzip auch für die Entstehung der Nodulation und der Vogelfeder (siehe unten) behaupten, sowie für die Unzahl ähnlich komplizierter Beispiele.

Wie will der Autor eine solche Behauptung verifizieren? (In seiner zitierten Literatur werden jedenfalls keinerlei vergleichbaren neuentstandenen Synorganisationen beschrieben.) - Welche Falsifikationskriterien kann er dafür nennen?

Dr. G. zu (9): "Überzeugend wären Messungen oder Tatsachenbefunde für A.'s Behauptungen. So aber bietet er nur Schlußfolgerungen, denen die zureichenden Prämissen fehlen."

W.-E.L. zu (9): Um seinen Aussagen einen naturwissenschaftlichen Inhalt zu geben, müßte Herr A. definieren, woraus die (für die postulierten stammesgeschichtlichen Vorfahren Utricularias) behaupteten (a) "systemeigenen Schwellenwerte" (b) (", die neuen Systemgesetzlichkeiten eines anderen Zustandsattraktors folgen)", und die zum Tragen kommenden (c) "chaostheoretischen Synergien" biologisch-genetisch bestehen. Wie soll der "andere Zustandsattraktor" z.B. morphologisch-physiologisch und genetisch beschaffen sein? Worin sollen die "systemeigenen Schwellenwerte" etc. bestehen? Herr A. arbeitet mit den eindrucksvollen Wortschöpfungen der synergetischen Evolutonshypothese, die für einen oberflächlichen Leser vielleicht eine Erklärung vortäuschen, die sich für Utricularia (und ähnliche Fälle) bei genauerer Betrachtung jedoch ohne konkreten Inhalt erweisen.

W.-E.L. weiter zu (9): Fordert Herr A. für die Entstehung Utricularias nun tatsächlich nur eine einzige Mutation, die den "unvermittelten Wandel", den "diskreten Typensprung", den Makroevolutions-Schritt vom Blatt zu einem ‚fertigen’ hochkomplexen, neuen Utricularia-Fangapparat mit allen Raffinessen auslösen soll? Sehen wir uns seine Ausführungen noch einmal ganz genau an:

"So kommen dort unter Berücksichtigung der Existenz systemeigener Schwellenwerte, bei deren Überschreiten unvermittelte Wandel ausgelöst werden (die neuen Systemgesetzlichkeiten eines anderen Zustandsattraktors folgen), chaostheoretische Synergien zum Tragen, die durch evolutionäre Wirkfaktoren, wie Genduplikation, Inversion, Translokalisation und Genfusion ausgelöst werden."

Konkret würde das heißen, dass der postulierte Vorfahr Utricularias als Voraussetzung die Existenz der spezifischen systemeigenen Schwellenwerte (was immer das z.B. physiologisch für den vorliegenden Fall bedeuten soll) bereits aufweisen mußte, bei deren Überschreiten die (hier biologisch-genetisch nicht definierten) "neuen Systemgetzlichkeiten" etc. durch Mutationen (wie Genduplikation, Inversion, Translokation und Genfusion) zum unvermittelten Wandel vom Blatt zur Falle ausgelöst werden sollte.

Versuchen wir einmal den undefinierten Behauptungen Herrn A.s einen genetischen Sinn zu geben: Was könnte denn genetisch in diesen Voraussetzungen zur Existenz systemeigener Schwellenwerte und den "neuen Systemgesetzmäßigkeiten eines andern Zustandsattraktors" stecken? Was ist bei Utricularia neu und damit als evolutionstheoretische Aufgabe zu erklären?

Neu sind: Die Fangblasenform und -Größe mit folgenden Details: (1) Eine für ihre speziellen Aufgaben genau ausgerüstete Verschlußklappe (Lokalisation, Größe, Form, Elastizität, Spannung - die hier in Klammern aufgeführten Parameter gelten auch für mehrere der folgenden weiteren Punkte) (2) ein wasserabdichtendes Velum, (3) eine Schwelle (Widerlager), (4) reizbare auf den Gesamtmechanismus zugeschnittene, schlanke Sinneshaare, (5) eine Antenne, (6) zweiarmige Drüsenschläuche, (7) vierarmige Drüsenschläuche, (8) der Aufbau des Unterdrucks (Fangstellung), (9) ein Wasserabsaugmechanismus mit entsprechenden Absaug-, Pump- und Ausscheidungsvorrichtungen (Drüsenköpfchen außen), (10) die Produktion mehrerer Enzyme (zur rechten Zeit, am rechten Ort in den richtigen Mengen) (11) die Produktion der Benzoesäure, (12) ein Mechanismus zur Aufnahme der tierischen Eiweißbausteine samt Vorkehrung zur Umwandlung in arteigenes pflanzliches Eiweiß, und zahlreiche weitere Details (Reduzierung der Photosyntheserate in den zweischichtigen Fallenwänden um die Hälfte, Gefäßspezialisierungen, Produktion von Lockstoffen etc.).

Diese anatomischen und physiologischen Details beruhen mit Sicherheit auf einem System zahlreicher synorganisierter Genfunktionen, - ein System, das als Voraussetzung für den letzten Schritt zum "unvermittelten Wandel" und den "diskreten Typensprung" absolut notwendig wäre. Oder mit den Worten Nachtweys (siehe oben): "Die Bildung des Wasserschlauchbläschens erfordert also das vollendet harmonische Zusammenspiel vieler verschiedenartiger Gene und Entwicklungsfaktoren."

Die gesamte Evolution zu den hypothetischen systemeigenen Schwellenwerten müßte demnach zunächst "unsichtbar" (d.h. ohne Selektion von zahlreichen phänotypisch sich manifestierenden Zwischenstufen) abgelaufen sein - bis schließlich dieser "Schwellenwert" mit allen seinen systemtheoretischen Voraussetzungen erreicht war, so dass eine weitere Mutation das Überschreiten zum unmittelbaren Wandel auslösen konnte.

Nach meinem Verständnis ist die Entwicklung eines solchen koadaptierten und synorganisierten Gensystems ohne die Selektion phänotypischer Zwischenformen (die hier, wie oben geschildert, für den Bauplan und die Grundfunktionen der Falle dem Darwinisten die größten Schwierigkeiten bereiten) noch unwahrscheinlicher als die neodarwinistische Erklärung selbst (falls überhaupt noch eine Steigerung möglich ist).

Richard Dawkins schreibt zur Wahrscheinkeit des Auftretens von Großmutationen 1996, pp. 88/89 unter anderem (Climbing Mount Improbable) (wir werden gleich sehen, inwiefern diese Ausführungen auch für den Vorschlag von Herrn A relevant sind):

"Organisms are extremely complicated and sensitively adjusted pieces of machinery. If you take a complicated piece of machinery, even one which is not working all that well, and make a very large, random alteration to its insides, the chances that you will improve it is very low indeed.

…A small random change may improve it; or, if it makes matters worse, it will still not move too far from the correct arrangement. But a very large random change has the effect of sampling the gigantic set of all possible rearrangements. And the vast majority of all possible arrangements are wrong.

…Turning to living creatures, I wrote in The Blind Watchmaker that however many ways there may be of being alive, it is certain that there are vastly more ways of being dead…If you think of all possible ways of arranging the bits of an animal (or a plant*), almost all of them would turn out to be dead; more accurately they'd mostly never be born. Each species of animal and plant is an island of workability set in a vast sea of conceivable arrangements most of which would, if they ever came to existence, die" (*Hinweis in Klammern von mir, kursiv von Dawkins).

Die "very large, random alteration" bestände nach der Synergetischen Evolutionstheorie für den Utricularia-Fangmechanismus zunächst (und scheinbar) nur aus dem letzten Mutationsschritt, der den hypothetischen Schwellenwert (siehe oben) überschreiten würde. Um diesen "genetischen Schwellenwert" jedoch überhaupt erreichen zu können, bedürfte es einer (diesem letzten Schritt vorausgehenden) langwierigen Evolution eines komplexen, synorganisierten Gensystems durch zahlreiche mehr oder weniger große Mutationsschritte im Genom des Organismus, - Mutationsschritte, die zu 99% ohne phänotypische Manifestation in Richtung auf das "Endprodukt" wären.

D.h.: ohne Phänotypen wären diese zahlreichen Mutationschritte selbst nicht selektioniert und die Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Sprunges zu einem völlig neuen funktionierenden Bauplan "in a vast sea of conceivable arrangements" (in dem sich, auf das Genom bezogen, unselektionierte Mutationsschritte in allen Richtungen anhäufen würden), entspräche schließlich der von Dawkins aufgeführten geringen Wahrscheinlichkeit of "a very large random change" im Genom mit allen Konsequenzen (um es zu wiederholen): "But a very large random change has the effect of sampling the gigantic set of all possible rearrangements. And the vast majority of all possible arrangements are wrong" …"however many ways there may be of being alive, it is certain that there are vastly more ways of being dead" (etc. siehe Dawkins).

Auch der Versuch, genetische Präadaptationen zur Entstehung der Falle Utricularias zu postulieren, wäre ein wenig aussichtsreiches Unterfangen: Welche sich nicht phänotypisch manifestierende Präadaptation könnte zum Beispiel im voraus 1) die für ihre speziellen Aufgaben genau ausgerüstete Verschlussklappe (Lokalisation, Größe, Form, Elastizität, Spannung - Details in Klammern gelten auch wieder für die nächsten Punkte:), (2) das wasserabdichtende Velum, (3) die Schwelle mit allen Details (Widerlager) und viele weitere anatomische und physiologische Einrichtungen (siehe oben) bestimmen?

Ich meine, dass Herr A. zum Teil Recht hatte, wenn er mir im Brief zuvor (vom 18.12.99) zum Utricularia-Thema schrieb:

"Allenfalls "Saltationisten", "Existentialisten" oder einige weitgehend isolierte Evolution"isten" können 1999 noch an Koadaptationseffekte und die Existenz bzw. Notwendigkeit unvermittelt auftretender "Makromutationen" im Rahmen der Evolutionsbiologie glauben, doch seriös werden diese Ansätze heute von der großen Mehrheit der Wissenschaftler nicht mehr diskutiert" (Schriftbild von Herrn A.).

Was es jedoch sicher gibt, ist eine sprunghafte "Abwärtsentwicklung"= Degeneration, auch "regressive Evolution" genannt. Wahrscheinlich gibt es auch eine mehr oder weniger sprunghafte "Horizontalentwicklung" (d.h. ohne die Entwicklung neuer synorganisierter Strukturen) - Details vgl. Artbegriff und unten Diskussion mit Dr. B..

Herr A. (10): Wie Sie beim Nachprüfen sehen werden, ist unsere Diskussion über die Frage "Makroevolution — ja oder nein?" eine reine Luftnummer, der "Streitfall" längst zugunsten von Evolution entschieden…"


Dr. G. zu (10): "Vernunft und Tatsachen entscheiden - nicht die Rhetorik."

W.-E.L. (10): Die "reine Luftnummer" besteht ausschließlich aus den unzureichenden evolutionstheoretischen Behauptungen des Herrn A.

Ich kenne keinen "Streitfall", der aus der Sicht bestimmter Evolutionstheoretiker nicht schon "längst zugunsten der Evolution" entschieden wäre. Bei diesen Evolutionisten aber ist die Evolution nicht nur eine Theorie, sondern eine unumstößliche Ideologie, die prinzipiell nicht mehr falsifiziert werden kann. (Ich kenne erfreulicherweise aber auch eine ganze Reihe nicht-dogmatischer Evolutionstheoretiker, die naturwissenschaftlichen Argumenten zugänglich sind.)

Herr A. (11): Doch abgesehen von diesem Punkt, muss doch einmal ganz klar hervorgehoben werden, dass sich aus noch offenen Detailfragen ohnedies sowieso keine Falsifikationskriterien ableiten lassen, sofern sie nicht grob der Theorie widersprechen; ich denke, wenigstens soviel sollte man bezüglich wissenschaftsmethodischer Argumentation voraussetzen dürfen" (Hervorhebungen im Schriftbild wieder von mir).

W.-E.L. (11): Mit dieser Argumentations-Methode kann man jegliche falsche Theorie vollkommen gegen ihre Widerlegung immunisieren. Man behauptet grundsätzlich, dass es sich bei allen Punkten, die nicht grob gegen eine solche Theorie sprechen (und solche gibt es im Falle der Evolution für viele Theoretiker prinzipiell nicht!), um offene Detailfragen handelt, die entweder gar nicht oder nur in der Zukunft lösbar seien.

Für die neodarwinistisch-kontinuierliche Erklärung bilden in unserem konkreten Utricularia-Fall die Tausend (funktional meist fragwürdigen) Zwischenformen die "offenen Detailfragen" und für die Synergetische Evolutionstheorie bestehen die "offenen Detailfragen" in der fragwürdigen Entwicklung eines komplex-synorganisierten Gensystems ohne funktional-phänotypische Zwischenformen zur Erreichung des postulierten Schwellenwerts. Für eine lamarckistische Erklärung bestehen die "offenen Detailfragen" in der noch unbekannten Vererbung durch Gebrauch und Nichtgebrauch unbekannter Funktionen und Strukturen etc.. Alle drei Erklärungen können jedoch nicht zugleich richtig sein, aber alle drei kann man mit dem Argument der "offenen Detailfragen" gegen jegliche Widerlegung immunisieren. Ich bin zuversichtlich, dass die meisten Leser nachvollziehen können, warum nach meinem Verständnis solche Erklärungen unzureichend sind.

Dr. G. zu (11): "A. irrt komplett! Offene Fragen sind immer Anlass der Forschung, die zu drei möglichen Ergebnissen führt: Bestätigung der Theorie - Unbeantwortbarkeit der Frage - oder Falsifikation. Wenn eine offene Frage sich mit den Postulaten einer Theorie nicht lösen lässt, dann ist die Theorie falsifiziert und man muss fragen, welche andere Theorie die Frage löst.

Die komplexen Zusammenhänge, die wir in der Biologie erkennen können, sind sehr zutreffend mit der Theorie einer intelligenten Planung beschreibbar (erklärbar) - das evolutionistische Erklärungsmodell versagt hier vollständig."

Herr A. (12): Aus diesem Grund ist jedwede Spekulation über die Bildung der Saugfalle von Utricularia sinnlos und ich bedauere es, mich auf diese Ihre Fallstricke eingelassen zu haben" (Hervorhebungen im Schriftbild wieder von mir).

Dr. G. zu (12): "Das ist unsachlich und herabwürdigend! Anstatt des Vorwurfs der Spekulation sollte Herr A. sagen, wie erwiesenermaßen die Bildung der Saugfalle zu erklären ist, aber bitte kein evolutionistisches Credo!"

W.-E.L. (12): Charakterisiert Herr A. mit Punkt (12) nicht selbst seine bisherigen Lösungsvorschläge als 'sinnlose Spekulationen'?

Wer des weiteren berechtigte, naturwissenschaftliche Einwände gegen eine Theorie als "Fallstricke" bezeichnet, zeigt zumindest, dass er - ganz im Gegensatz zu seinen nachdrücklichen Behauptungen - diese nicht zufriedenstellend beantworten kann. Oder schärfer formuliert: Der materialistische Allerklärungsanspruch des Herrn A. ist an den biologischen Tatsachen gescheitert (und es sei an dieser Stelle wieder hervorgehoben, dass Utricularia für zahlreiche weitere komplexe Beispiele steht). Im übrigen darf ich noch einmal daran erinnern, dass Herr A. sich bei mir gemeldet hat (und nicht ich bei ihm) und mit Nachdruck um diese Diskussion ersucht hat.

Statt meines Satzes zum materialistischen Allerklärungsanspruch schlug Herr Dr. H. vor: "Es gibt demnach biologische Tatsachen, die einer naturwissenschaftlichen Erklärung durch Evolution widersprechen." Herrn A. geht es jedoch um vielmehr als diesen Punkt. A. ist motiviert vom Totalitätsanspruch seines materialistischen Weltbildes, dass in der Biologie jedoch auf deutliche Grenzen stößt - weshalb ich diese Frage hier ansprechen möchte.

Zur Frage nach weiteren Evolutionstheorien sei eine aufschlussreiche Bemerkung zum Neolamarckismus erwähnt (ein Ansatz, der u. a. vom oben zitierten Robert Nachtwey diskutiert wurde). Nachtwey bekennt offen, dass man auch mit "Vererbung erworbener Eigenschaften" komplexe Apparaturen im Organismenreich nicht erklären kann. So schreibt Nachtwey beispielsweise nach der Diskussion des eigenartigen Saugnapfes beim Schiffshalter (Echeneis remora):

"Kann etwa der Lamarckismus diese Umkonstruktion einer Rückenflosse erklären? Darauf ist zu antworten, dass der Lamarckismus niemals den Anspruch erhoben hat, alle Entwicklungserscheinungen der Organismen zu erklären. Wohl aber hat der Darwinismus von Weismann bis Heberer diesen Totalitätsanspruch geltend gemacht."

Auch zu Utricularia hat Nachtwey keinen lamarckistischen Erklärungsversuch vorgelegt.

Und schließlich sei noch eine weitere Stimme zu Utricularia zitiert: "Ich kann das auch nicht erklären, aber der Darwinismus ist trotzdem richtig" (so ein Professor für Botanik in Berlin).

Dr. G. zu obigem Satz: "Das ist ein ideologisches Glaubensbekenntnis, aber keine naturwissenschaftliche Erkenntnis."

Weiter W.-E.L.: Wenn nun die evolutionistischen Theorien bei einem so hochkomplexen und bis ins letzte Detail durchkonstruierten Utricularia-Fangapparat allesamt bisher versagt haben — dann darf wohl auch die Frage wiederholt werden, ob Mendel, von Gärtner, Linné und andere nicht doch Recht hatten mit ihrer Schlussfolgerung, "dass der Species feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag."

Wie steht es jedoch mit anderen hochkomplexen Systemen an ganz anderer Stellen des Organismenreichs? Gibt es da nicht doch kontinuierliche Übergangsserien? Von der Vogelfeder wurde und wird das sehr oft behauptet. Sie bietet daher für diese Frage einen guten Einstieg.

Vor der oben aufgeführten Diskussion hatten Herr A. und ich eine Diskussion zum Ursprung der Vogelfeder, die ich im folgenden Abschnitt wiedergebe:

 

Literatur zu Utricularia:

Braem, G. (1992): Fleischfressende Pflanzen. Naturbuch Verlag Augsburg/Weltbild Verlag Augsburg.

Jolivet, P. (1987): Les Plantes Carnivores. Collection "Science et Découvertes". Editions du Rocher. Jean Paul Bertrant Èdideur. Monaco/Paris

Juniper, B.E., R.J. Robins und D.M. Joel (1989): Canivorous Plants. London.

Nachtwey, R. (1959): Der Irrweg des Darwinismus. Morus Verlag. Berlin.

Remane, A., V. Storch und U. Welsch (1973/1989): Evolution - Tatsachen und Probleme der Abstammungslehre. Dtv. München.

Richter, U. (1990): Die Fangblasen von Utricularia cf. praelonga St. Hill und Utricularia dichotoma Lab. - Eine rasterelektronische Untersuchung. Flora 184:21-30

Schmucker, T. und G. Linnemann (1959): Carnivorie. Handbuch der

Pflanzenphysiologie. Hrsg. W. Ruhland. Bd XI: Heterotrophie (pp. 198-283).

Slack, A. (1985): Karnivoren. Eugen Ulmer Verlag. Stuttgart. (Neue englische Auflage: 2000).

Taylor, P. (1989): The Genus Utricularia - a Taxonomic Monograph. Kew Bulletin. Additional series XIV. Royal Botanic Gardens, Kew. Her Majesty's Stationary Office. Crown Copyright London.

 


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