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1) Gregor Mendel, der Wasserschlauch (Utricularia)und die Evolution

 

(Über die Synthetische Evolutionstheorie:) "Die Tatsache, dass eine derart vage,
ungenügend beweisbare und so weit von den in der "strengen Wissenschaft"
üblicherweise angewandten Kriterien entfernte Theorie zu einem anerkannten
Dogma werden konnte, lässt sich meiner Meinung nur auf soziologischer
Grundlage erklären."

Ludwig von Bertalanffy

(Einer der größten Biologie-Theoretiker des 20. Jahrhunderts)

 

"Dass es aber manchen Biologen richtig erscheint, zu behaupten, wir wüssten
gerade über ein so ungeheures Phänomen wie die Entstehung der Organismen
im wesentlichen Bescheid, das mahnt uns daran, dass diese Überzeugung sich
aus Gründen und Kräften nährt, die nicht dem Bereich der Naturwissen-
schaften angehören."

Adolf Portmann

(Der große Baseler Zoologe, Hauptarbeitsgebiete Morphologie und
Verhaltensforschung; kursiv von mir.)
 

 

"Nach derzeitigem Wissensstand kann das harmonische Zusammenspiel getrennter
Organe nicht bloß als Summierung einfacher, experimentell erzeugbarer Mutations-
Schritte angesehen werden, sondern muss grundsätzlich anderer Natur sein."

Stefan Vogel

(Der Autor hat zahlreiche bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet der
Blütenökologie geleistet; neuerer Beitrag z. B. "Ölblumen und ölsammelnde Bienen II.
Lysimachia und Macropis" (1998))

 

 

Im Vorwort dieses ungewöhnlich langen Anhangskapitels wurde noch einmal betont, dass Mendel in der Entdeckung der Vererbungsgesetze und deren Einsatz zur Interpretation von C. F. von Gärtners Untersuchungen und Beobachtungen eine Bestätigung von Gärtners Auffassung sah, "dass der Species feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag."

Weiter oben wurde erwähnt, dass Mendel 67mal in seiner relativ kurzen Pisum-Arbeit das Adjektiv "constant" (in der damaligen Schreibweise) gebraucht - etwa "constant differierende Merkmale", "constante Nachkommen", "constante Formen", "constante Verbindungen", "constante Combinationsformen" etc.

Zuvor hatte Mendel hervorgehoben, dass Gärtner durch dessen Versuche bewogen wurde, "sich gegen die Meinung derjenigen Naturforscher zu kehren, welche die Stabilität der Pflanzenspecies bestreiten und eine stäte Fortbildung der Gewächsarten annehmen." Und genau gegen diese Meinung hat auch Mendel aufgrund seiner Studien und Entdeckungen mit den obigen Worten - wenn auch sehr vorsichtig - Stellung genommen.

Darüber hinaus hat sich Mendel mit bis heute gültigen Argumenten gegen die Auffassung ausgesprochen, "dass die Stabilität der Arten durch die Cultur in hohem Grade erschüttert oder ganz gebrochen wurde…" (siehe das Kapitel: "Die Reaktion des Darwinismus…").

Wie oben im Detail dokumentiert, waren diese Auffassungen Mendels der Hauptgrund, warum seine Entdeckungen jahrzehntelang nicht anerkannt wurden (denn solche "kreationistischen Behauptungen" konnten aus der Sicht der herrschenden Darwinschen Lehrmeinung nur völlig falsch sein). Als nun die Mendelschen Gesetze zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiten Kreisen der Wissenschaft und Forschung bekannt wurden, bekämpften zahlreiche Darwinisten die zunehmende Anerkennung dieser naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und Tatsachen, da diese allen grundlegenden "Erkenntnissen" Darwins zuwiderliefen (Vererbung erworbener Eigenschaften, "blending inheritance", kontinuierliche Evolution).

Erst mit der "modern synthesis" (nach vollen 72 Jahren mit Dobzhanskys Arbeit von 1937) begannen auch die darwinistischen Schulen die Mendelschen Gesetze voll zu akzeptieren und in ihr Weltbild zu integrieren. Dabei war und ist die Synthetische Evolutionstheorie der Auffassung, dass für Mendel zwar eine wissenschaftliche Großtat durch die Entdeckung der grundlegenden Vererbungsgesetze zu verbuchen ist ("one of the triumphs of the human mind".."a supreme example of scientific experimentation and profound penetration of data" - siehe oben), dass sich Mendel aber in Bezug auf die Zustimmung zur These, "dass der Species feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag" total geirrt habe.

Nach der verzögerten Anerkennung der Vererbungsgesetze um 72 Jahre aufgrund falscher evolutionstheoretischer Annahmen, behauptet die neodarwinistische Schule nun bis auf den heutigen Tag, die Entstehung sämtlicher Lebensformen mit dem Faktorensystem von Mutation, Rekombination und Selektion so vollständig und überzeugend erklärt zu haben, dass sie - wie im Falle Mendel - jede sachliche Kritik als völlig verfehlt und "unwissenschaftlich" zurückweist.

Diese totalitäre Geisteshaltung lässt sich vielleicht am besten mit einigen Worten bekannter neodarwinistischer Autoren belegen. So behauptete zum Beispiel Julian Huxley anlässlich der Darwinschen Jahrhundertfeier 1959:

"Der Darwinismus verbannte die ganze Idee, dass Gott der Schöpfer der Organismen sei, aus dem Bereich der vernünftigen Diskussion. Darwin zeigte auf, dass kein übernatürlicher Planer nötig war. Da die natürliche Auslese jede bekannte Lebensform zu erklären vermochte, gab es keinen Platz für eine übernatürliche Macht in deren Entwicklung…" (At Random: A Television Preview: in: Issues in Evolution, Vol.III von Evolution after Darwin; Hrsg.: Sol Tax; Chicago 1960.)

Konrad Lorenz beschreibt seine Auffassung mit folgenden Worten (1975, p. 31):

"In der Geschichte menschlichen Wissensfortschrittes hat sich noch nie die von einem einzigen Manne aufgestellte Lehre unter dem Kreuzfeuer von Tausenden unabhängiger und von den verschiedenen Richtungen her angestellten Proben so restlos als wahr erwiesen wie die Abstammungslehre Ch. Darwins. Mehr als je gilt von ihr heute, was Otto zur Strassen vor mehr als vierzig Jahren in seiner Einführung zum "Neuen Brehm" über sie schrieb: "Alles uns jetzt Bekannte fügt sich ihr zwanglos ein, nichts spricht gegen sie."" (Über die Wahrheit der Abstammungslehre, pp. 13-31 in: Evolution. H. v. Ditfurth (Hrsg.) Hamburg.)

Nicht weniger euphorisch meint Richard Dawkins (1995, p.XI):

"Never were so many facts explained by so few assumptions. Not only does the Darwinian theory command superabundant power to explain. Its economy in doing so has a sinewy elegance, a poetic beauty that outclasses even the most haunting of the world's origin myths." (River out of Eden; Basic Books, New York.)

Und Ernst Mayr betont wiederum die metaphysisch-materialistische Hauptmotivation des Darwinismus (2000, p. 69, 70):

"First, Darwinism rejects all supernatural phenomena and causations. The theory of evolution by natural selection explains the adaptedness and diversity of the world solely materialistically. It no longer requires God as creator or designer…Every aspect of the "wonderful design" so admired by the natural theologians could be explained by natural selection." "…Darwin's theory of natural selection made any invocation of teleology unnecessary." (Darwin's Influence on Modern Thought; Scientific American July 2000, pp. 66-71)

Fragt man jedoch angesichts solch allumfassender Ansprüche und Behauptungen nach einer (naturwissenschaftlichen Kriterien entsprechenden) Erklärung der Entstehung konkreter biologischer Beispiele, so kommen häufig Eingeständnisse wie: "The analysis of the origin of new structures is still in its beginnings" - (Mayr 1963, p. 604). Der Leser urteile beim Studium der folgenden Ausführungen bitte wieder selbst, ob diese gewaltige Kluft zwischen den Ansprüchen und der Wirklichkeit des Neodarwinismus noch heute besteht.

Wo liegt jedoch bei dem/der "origin of new structures" die Problematik? Die generelle Schwierigkeit der Evolutionstheorie(n) zur Entstehung neuer, komplexer synorganisierter Strukturen und Organe beschreiben die Abstammungstheoretiker Remane, Storch und Welsch (1989, S. 182 und 184) folgendermaßen:

"Über die Aberrationen in der Natur finden wir also bestätigt, dass selbst auffällige Strukturmutanten sich zu Artmerkmalen durchsetzen können. Schwer sind dagegen Synorganisationen mit dem bisherigen Material an Mutationen zu erklären. Synorganisationen sind Apparate, deren Teile harmonisch gebaut sind und kooperativ funktionieren müssen, wie z. B. Augen, Zirporgane, Saugnäpfe oder bei den Pflanzen die Fangblasen des Wasserschlauches Utricularia. Diese Apparate entstehen sicher nicht durch die Mutation eines Gens, sondern durch die Wirkung zahlreicher Gene. Ändert sich zufällig in einem solchen Apparat ein Teil, so wird seine Funktion gestört.

...Das Problem ist also: Wie wird in der Evolution das komplizierte Wirkungsgefüge, mit dem der Organismus von der Erbsubstanz aus den Organismus aufbaut, abgewandelt, wie werden neue Reaktionssysteme auf und eingebaut? Wie entstehen neue Regelkreise? Für diese Prozesse fehlen uns noch genaue Kenntnisse oder klare Modelle, die auf klassischen Mutationen basieren."

Der Nobelpreisträger Karl von Frisch (der "Bienen-Frisch") geht hier einen wesentlichen Schritt weiter als die oben genannten Autoren, wenn er sagt:

"Ich bin überzeugt, dass mit Mutation, wie wir sie jetzt kennen, und Selektion allein nicht entfernt die Vorgänge in der lebenden Natur erklärt werden können. Sie sind einfach zu kompliziert und verwickelt, als das denkbar wäre." (3. TV-Programm, 15. 9. 1977 SW.)

Ist mit den nachstehend aufgeführten Beispielen Darwins Falsifikationskriterium zu seiner Theorie erfüllt? ("Ließe sich das Vorhandensein eines zusammengesetzten Organs nachweisen, das nicht durch zahlreiche aufeinanderfolgende geringe Abweichungen entstehen könnte, so müsste meine Theorie unbedingt zusammenbrechen." - "If it could be demonstrated that any complex organ existed, which could not possibly have been formed by numerous, successive, slight modifications, my theory would absolutely break down.") Und rücken damit die Aussagen Mendels und von C.F. von Gärtners wieder in den Bereich der Möglichkeiten?

Michael J. Behe diskutiert in seinem Buch DARWIN'S BLACK BOX (1996) eine ganze Reihe hervorragender Beispiele für irreducibly complex structures aus der Biochemie (zu neueren Diskussionen des Themas vgl. Michael Behe - Beiträge bis 2004 sowie sein Buch THE EDGE OF EVOLUTION von 2007). Ich meine, dass es für solche irreducibly complex structures auch anatomisch-physiologische Beispiele gibt: Der Fangmechanismus von Utricularia vulgaris ist ein guter Kandidat für ein solches System. Das soll nicht heißen, dass bei diesem Mechanismus nicht auch einzelne Strukturen variieren können, aber zum Aufbau eines funktionalen Minimalsystems bedarf es hier ganz offensichtlich wesentlich mehr als nur linear weiter zu entwickelnde Parameter (die Konstanz des Bauplans der Falle und die Variation bestimmter Strukturen wird in der Gattung Utricularia mit ihren rund 280 Arten sehr schön demonstriert).

Der Leser urteile bitte selbst:

Der Wasserschlauch (Utricularia vulgaris)

Abb. 1:

 

Abb.95. Utricularia. Längsschnitt durch die Blase. Schematisiert, zum Teil nach LLOYD. Klappe (zur Verdeutlichung) etwas angehoben gezeichnet; Gefäßbündel nicht gezeichnet. M Mündung bzw. Blaseneingang; K Verschlussklappe; V abdichtendes Velum; Sch Schwelle (Widerlager); B Borsten; .A Antenne; H1 vierarmige Haare; H2 Drüsenköpfchen.

(Aus: Th. Schmucker und G. Linnemann 1959, p. 251; eine Animation von Roland Slowik von 2007 findet der Leser hier.)

Der Zoologe Robert Nachtwey, seinerzeit Professor an der Universität Bremen, schreibt 1959, S. 95 -100:

"In den Moorgräben wächst der Wasserschlauch (Utricularia vulgaris L.), der mit Hilfe äußerst sinnreich konstruierter Bläschen, die als winzige Kastenfallen funktionieren, massenhaft kleine Wassertiere fängt und sie verdaut. Tausende solcher Bläschen sitzen an einer einzigen Pflanze. Die kleine Tierfalle misst zwei bis vier Millimeter...Die Eingangsöffnung des fast eiförmig gestalteten Bläschens ist durch eine Klappe verschlossen. Diese Klapptür ruht unten auf einem hufeisenförmigen Widerlager und kann sich nur nach innen öffnen. An ihrer Außenwand trägt die Klappe keulenförmige Drüsenhaare und reizbare, schlanke Sinneshaare. Flankiert wird sie jederseits von einem grünen verzweigten Ästchen. Das Bläschen ist vor dem Beutefang stets in einer gespannten Fangstellung, seine Seitenwände sind dann weit nach innen gewölbt, und das Innere ist von Wasser leergepumpt. Die Wände sind nämlich von einer Wasserleitung durchzogen und imstande, in etwa einer Viertelstunde die Wasserfüllung des Bläschens völlig aufzusaugen.

Die vom Wasserschlauch bewohnten Moorgewässer sind von Kleinkrebsen in großer Zahl bevölkert. Winzige Hüpferlinge (Copepoden), aber auch Zweighornkrebschen (Cladoceren) und Muschelkrebschen (Ostracoden) tummeln sich zwischen den schwimmenden Wasserschlauchpflanzen, die eine Länge von über einem halben Meter erreichen. Die keulenförmigen Drüsenhaare der Bläschenklappe sondern einen Schleim ab, dessen Bedeutung noch unbekannt ist, der aber vielleicht für die Krebschen etwas Anziehendes hat. Sobald ein Krebschen eines der schlanken Sinneshaare berührt, ist es schon verloren. Mit einem blitzschnellen Ruck bewegen sich die unter beträchtlicher Spannung stehenden Blasenwände nach außen. Die Klappe schnellt nach innen. Das vor dem Blaseneingang befindliche Wasser wird samt dem Beutetierchen in das Blaseninnere gerissen, und sogleich schließt sich die Klapptür wieder. Der ganze Vorgang spielt sich in einem Zeitraum von 1/100 bis 1/200 Sekunde ab [nach neuesten Erkenntnissen 1/500 Sekunde; Anmerkung W.-E.L.]. Der Sog ist so heftig, dass selbst Insektenlarven und Würmer, deren Länge die des Bläschens mehrmals übertrifft, in die Kastenfalle hineingerissen werden. Im Teufelsmoor bei Bremen fand ich im Wasserschlauchbläschen eng zusammengeringelte Borstenwürmer, die das Bläschen durch ihre Größe unförmig auftrieben. Sie waren schon teilweise verdaut. Auch diese abnorm großen Beutetiere werden durch den plötzlichen, gewaltigen Sog gefangen. Die entscheidende Kraft des Soges scheint von den seitlichen Blasenwänden auszugehen. Wie ihre schnelle Reaktion möglich ist, konnte bisher nicht geklärt werden.

Bevor der Verdauungsvorgang einsetzt, saugt die Pflanze wieder das gesamte Wasser aus dem gefüllten Bläschen heraus. Die Klapptür schließt so dicht, dass von außen kein neues Wasser eindringt. Die Verdauungssäfte können also unverdünnt auf die Beute einwirken. Sie werden jetzt von eigenartigen, vierstrahlig angeordneten Drüsenschläuchen ausgegossen, die der inneren Wandfläche massenhaft aufsitzen. Ein eiweißlösendes Ferment und Benzoesäure werden von den Drüsen erzeugt, wie von Lützelburg zuerst nachgewiesen hat, und so kann das Bläschen nun wie ein richtiger tierischer Magen arbeiten und die Beute regelrecht verdauen. Die Benzoesäure, die bei der Verdauung wie die Salzsäure unseres Magens mitwirkt, erfüllt auch den Zweck, Fäulnis im Bläschen zu verhüten. Das Fleisch der Opfer wird in ganz kurzer Zeit verdaut, die Eiweißbausteine der Krebschen werden aufgesogen und vom Wasserschlauch zu arteigenem, pflanzlichen Eiweiß wieder zusammengebaut. Die mit Krebschen ernährten Wasserschlauchpflanzen gedeihen weit besser als die, denen solche Nahrung entzogen wird. Stutzer gelang es auch, drei Arten von Colibazillen in den Bläschen aufzufinden. Das ist ein besonderer Beweis dafür, dass die Funktion der Bläschen der Wirkungsweise eines tierischen Darmkanals hochgradig ähnlich ist. Es handelt sich nämlich um genau dieselben Colibakterien, die im Darm von Tieren und Menschen beständig anwesend sind. Sie verhindern die Vermehrung fäulniserregender Bakterien. Die Wasserschlauchpflanze hat sich also Tausende von kleinen tierischen Mägen angeschafft.

Ist der Verdauungs- und Aufsaugungsvorgang beendet, so kehrt das Bläschen wieder in seine hochgespannte Fangstellung zurück und erwartet die nächste Beute. Die unverdaulichen Panzer der Krebschen bleiben im Bläschen. Erst wenn dieses fast ganz mit harten Resten gefüllt ist, fällt es ab. Fast stets sind in einem Bläschen mehrere Opfer zu finden, ja sogar häufig 10 -20 Krebschen, die jedoch alle einzeln gefangen wurden. Es hat also ein totaler Funktionswechsel stattgefunden. Ein normales Blatt, Organ der pflanzlichen Assimilation, das die Umwandlung anorganischer Stoffe in organische mit Hilfe des Lichtes ausführt, hat einen kleinen Fangapparat mit allen mechanischen Einrichtungen gebildet, der zugleich wie ein tierischer Magen arbeiten kann und alle dafür notwendigen Säfte besitzt.

Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, lehrt der moderne Darwinismus, dass alle organischen Bildungen durch "Mikroevolution" entstanden seien. Dabei wird ausdrücklich betont, dass winzigste Mutationen das Material für die natürliche Selektion liefern. Ludwig betont, dass die Kleinstmutationen ohne oder fast ohne erkennbaren Effekt sind. "Unter diesen Kleinstmutationen wird man den Hauptteil der evolutorisch verwertbaren Mutationen zu suchen haben, und nur sehr selten sind günstige Großmutationen zu erwarten."

Nun mögen uns die Darwinisten erklären, wie man sich die Bildung des Wasserschlauchbläschens aus einem Blattzipfel vorstellen soll. Welche richtungslose Mutation soll im normalen Blattzipfel zuerst erfolgt sein und dann irgendeinen Auslesewert gehabt haben? Hatte sie diesen nicht, so ging sie als belanglos verloren. Ausdrücklich betonen die Darwinisten, dass Mutation und Selektion zusammenwirken müssen, wenn etwas Neues entstehen soll. Durch welche blind zusammengewürfelten, richtungslosen Kleinmutationen soll das Wasserschlauchbläschen entstanden sein?...Wie sollen wir uns den ersten Anfang zur Bildung dieser Kastenfalle, die wie ein tierischer Magen arbeitet, eigentlich vorstellen?...

Soll die Bildung mit dem Entstehen der Kastenfalle beginnen oder mit der Produktion der Verdauungssäfte? - Sobald wir dies überlegen, zeigt sich die...Ohnmacht der Darwinschen Theorie, denn selbst eine vollkommene Kastenfalle mit der erstaunlichsten Fähigkeit, blitzschnell Tiere zu erbeuten, hätte ohne Verdauungssäfte nicht den geringsten Wert im Daseinskampf, weil die Beute nicht verdaut würde. Was aber soll es andererseits einem gewöhnlichen Blattzipfel nützen, wenn er noch so wirksame Verdauungssäfte ausscheidet, er kann ja die Beute nicht festhalten, was unbedingt nötig ist. Aber selbst wenn Kastenfalle und Verdauungssäfte zusammenwirken, so ist für den Daseinskampf noch nichts gewonnen...Die gelösten Eiweißstoffe müssen ja auch aufgesogen und in arteigenes Pflanzeneiweiß verwandelt werden…Die Bildung des Wasserschlauchbläschens erfordert also das vollendet harmonische Zusammenspiel vieler verschiedenartiger Gene und Entwicklungsfaktoren. Erst mit dem Endeffekt wird der Nutzen für den Daseinskampf erreicht, nicht aber mit irgendeiner Entwicklungsstufe" (von Nachtwey kursiv).

Allein die Verschlussklappe ist ein so raffiniert-komplexes anatomisches und physiologisches Meisterwerk, so dass man eine Reihe ähnlicher Fragen nur für diesen Bauteil stellen könnte (vgl. die Darstellung von Hermann von Guttenberg 1971, pp. 180-185 und 187 zur Struktur der Verschlussklappe).

Wie oben schon erwähnt, findet der Leser eine ganz ausgezeichnete Animation - Aufbau der Falle und Tierfang samt Verdauungsvorgang - bei Herrn Roland Slowik (2007): Utricularia.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in der gesamten Gattung Utricularia - trotz mannigfacher Variation einzelner Strukturen - grundsätzlich nur ein Grundbauplan für die Falle zu verzeichnen ist (Braem zählt bei der Gattung Utricularia 364 Arten mit Namen (mit Synonymen?) auf, allgemein spricht man jedoch von etwa 280 Arten, Taylor beschreibt in seiner Utricularia-Monographie 214 Species im Detail):

"Trotz der raffinierten Modifikationen und besonderen Feinheiten der Fallenstruktur, die bei den vielen Arten zu bewundern sind, arbeiten die Fallen technisch grundsätzlich alle gleich" (Slack).

"Die Form der Falle, die Mundposition, die Anhängsel und die Tür unterscheiden sich von Art zu Art. Manchmal variieren die Fallen auch innerhalb der Art. Die Grundstruktur ist aber immer gleich und wir hier anhand der Zeichnung dargestellt" (Braem).

Schmucker und Linnemann sprechen von der "ungeheuren Mannigfaltigkeit im einzelnen bei gleichem Grundplan und gleicher Funktion" oder: "Alle Utricularia-Arten besitzen Blasen (engl. trap Falle) von grundsätzlich gleichem Bau".

Richter schreibt, dass "trotz Formenvielfalt den Fangblasen ein gemeinsamer Bauplan zugrunde liegt…"

"(I)t must be made quite clear that whatever the habit and habitat of the species, the traps have only minor mechanical differences and all function in exactly the same manner, as established and clearly explained by Lloyd (1942) and others, and Y. Heslop-Harrison (1975, 1976) is quite incorrect in suggesting that the traps of 'terrestrial' species are passive, with only the aquatic species (about 20% of the total) being active in the often described and well-known manner (Taylor, p. 11).

 

 

Abb.2

Abbildungen aus A. Slack (1985): KARNIVOREN (S.183-185). Stuttgart.

 

"Le problème est si complexe, les solutions trouvees tellement divergentes si 1 'on regarde dans les détails, qu'on ne peut qu'avouer notre ignorance." Pierre Jolivet 1987, S. 110, zur Evolutionsfrage bei myrmecophilen und carnivoren Pflanzen (LES PLANTES CARNIVORES. Monaco/Paris).

B.E.Juniper, R.J. Robins und D.M. Joel schreiben in ihrem Buch CARNIVOROUS PLANTS (1989, S. 43) zu Utricularia: "...no adequate evolutionary sequence can yet be constructed even to present a speculative path for the origin of what appears to be a relatively homogeneous group." Und zu Lloyds Erklärung des Fangmechanismus (S.117): "...at least a purpose is served to indicate that the Utricularia is a complex bit of mechanism and offers, as yet, an intractable problem in evolution."

Alle Autoren sind Evolutionstheoretiker. Könnte die Lücke nicht vielmehr in der Darwinschen Theorie als in unserem Wissen um die Realitäten liegen? Weitere Beispiele, die die Bedeutung dieser Frage vertiefen, findet der Leser unter CORYANTHES und CATASETUM sowie aus der Klasse der AMPHIBIEN.

Einwände: 1. Angenommen ein so komplex-synorganisierter Fangmechanismus wie der von Utricularia könnte tatsächlich nicht mit Mutation und Selektion erklärt werden und hätte vielmehr einen intelligenten Ursprung - würde das nicht eine ethische Frage in Bezug auf den Designer aufwerfen? Siehe dazu Schmerzempfinden bei Insekten und niederen Tieren.

2. Könnte die Falle von Utricularia multifida (früher Polypompholyx multifida) eventuell ein "missing link" zum Fangmechanismus von Genlisea sein? Siehe dazu: Utricularia multifida (previously Polypompholyx multifida) has suction traps like all the other Utricularia species (Lloyd 1942).

3. Eine ausführliche Diskussion (3,8 MB) zu darwinistischen und weiteren Lösungsversuchen findet der daran interessierte Leser hier: Die Evolution der karnivoren Pflanzen: Was die Selektion nicht leisten kann - das Beispiel Utricularia (Lönnig 2010).


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