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Wolf-Ekkehard Lönnig:

 

Diskussion von Einwänden zum Beitrag "Hoimar von Ditfurth und der Lederbergsche Stempelversuch: Sind Antibiotikaresistenzen Beweise für Makroevolution im Labor?"

 

INHALTSVERZEICHNIS

Vorbemerkungen

1. H. v. Ditfurths Verdienste nicht in Frage gestellt
2. Testvorschlag
3. Was ist ein neues Gen und Enzym?

Aufschlussreiche Aussagen führender Mikrobiologen

Einleitung

Hauptteil: Diskussionen

Weitere Einwände und ein begeisterter Kommentar

(Vorläufiger) Schluss

Ein paar Literaturangaben

 

Vorbemerkungen

1. H. v. Ditfurths Verdienste nicht in Frage gestellt

Auch die folgende Diskussion von Einwänden soll nicht die generellen Verdienste Hoimar von Ditfurths zur Wissenschaftskommunikation (Popularisierung von Naturwissenschaft) in Frage stellen. Es sei jedoch noch einmal betont, dass auch der an den naturwissenschaftlichen Realitäten interessierte H.v.D.-Fan eine sachlich-naturwissenschaftlich begründete Richtigstellung von weit verbreiteten Fehlern und Missverständnissen nur willkommen heißen kann.

2. Testvorschlag

Falls jedoch jemand behauptet, meine Sachkritik sei unzutreffend, dann können Sie, lieber Leser, mit einem einfachen Test die Wahrheit zu dieser Frage sehr schnell herausfinden: Laden Sie solche Personen dazu ein, entweder Punkt für Punkt der folgenden Ausführungen zu widerlegen - oder zumindest (und das aber auf alle Fälle) - eine Auflistung von Sequenzen der neuen Gene und Enzyme sowie die Namen der neuen Baupläne vorzulegen, die durch Zufallsmutationen in Lederberg- und vergleichbaren Versuchen entstanden sein sollen. Bei der behaupteten ununterbrochenen Neuentstehung von Genen etc. dürfte das ja keine Schwierigkeit sein! Eine Aufführung von neuen Sequenzen wäre zugleich das kürzeste und überzeugendste Gegenargument zu meinen Einwänden.

3. Was ist ein neues Gen und Enzym?

Dabei verstehe ich insbesondere im Zusammenhang mit dem Begriff Makroevolution unter "neuen" Genen und Enzymen nicht solche, die zu 99% (und mehr) noch mit den "alten" Sequenzen identisch sind, sondern solche, die "wirklich neue"1 Sequenzen aufweisen. Denn das ist der Eindruck, den Hoimar von Ditfurth und N.N. mit ihren Aussagen vermittelt haben (es geht den Verfassern durchweg um Makroevolution und N.N. gebraucht sogar den Begriff "Makroevolution" [s.u.]). Erinnern wir uns:

Nach Hoimar von Ditfurth liefert der Lederbergsche Stempelversuch zu den Phagen- und Antibiotikaresistenzen einen experimentellen Beweis für die postulierte Gesamt-Evolution durch Mutation und Selektion. Danach entstehen in jedem einzelnen, neuen Stempelversuch durch Zufallsmutationen Tausende von 'Umstellungen komplizierter Stoffwechselfunktionen', auch "neue Enzyme" (und damit neue Gene), "also gezielt wirkende und höchst kompliziert funktionierende chemische Abwehrwaffen". Weiter sei "die Entstehung von Ordnung, zweckmäßiger Anpassung und Erwerb neuer, überlegener Lebensfunktionen" festzustellen. Mit einem Wort, wir haben mit dem Lederbergschen Stempelversuch den experimentellen Beweis für die Makroevolution.

N.N. spricht von neuesten Befunden, die "ganz klar die Entstehung neuer Funktionsproteine und Baupläne belegen" und davon, "welch gewaltige schöpferische Kraft der Evolution im Wechselspiel von Mutation und Selektion innewohnt", von Mutation und Selektion als Evolutionsfaktoren, die "grundsätzlich keinen phänotypischen Beschränkungen obliegen" usw. usf. (siehe unten). - Zur Veranschaulichung: Wenn jemand behauptet, er habe ein neues Buch verfasst und sich dann aber bei genauer Betrachtung herausstellt, dass es zu 99% mit einem "alten" (und nicht von ihm verfassten) identisch ist, dann wird man ihm das nicht abnehmen, sondern ihn des Plagiats beschuldigen. - Und auch neue anatomische Baupläne, die zu 99% mit bisher bekannten identisch wären, würde wohl kein vernünftiger Mensch als "neu" akzeptieren wollen. Daher mein Vorschlag: Bestehen wir also auf einer genauen Auflistung der neuen Gene und Enzyme samt Aufführung der neuen Sequenzen sowie der neuen Baupläne aus Versuchen mit Bakterien. Ist eine solche Auflistung jedoch nicht möglich, dann haben sich nach meinem Verständnis die Behauptungen von Hoimar von Ditfurth und N.N. zu diesen Fragen als eindeutig falsch erwiesen. (Im Übrigen sind die zu Resistenzen und Veränderungen der Substratspezifität etc. immer wieder festgestellten geringen Abweichungen von einem [bis wenigen] Nukleotid[en] bei Bakteriengenen prinzipiell nicht neu, sondern praktisch so alt wie die originären Sequenzen und Bakterienspezies selbst; Details siehe unten.)

In diesem Zusammenhang möchte ich mir erlauben, meinen verehrten Lesern noch einen weiteren Vorschlag zu unterbreiten: Lassen Sie sich bitte nicht durch eventuelle Ausweichmanöver in Gegendarstellungen von der eigentlichen Fragestellung ablenken. Es geht hier zuallererst um die behauptete Entstehung "neuer Funktionsproteine und Baupläne" in Evolutionsexperimenten wie den Lederbergversuchen (siehe das Thema der vorliegenden Kapitel; verwandte Punkte siehe unten). D.h. es geht in der vorliegenden Diskussion nicht um historisch-evolutionstheoretische Deutungen (wie der übrigens gar nicht unproblematischen Entstehung der Hämoglobingene aus letztlich einem Myoglobingen nach zufälligen Genduplikationen) etc., sondern in erster Linie um die behauptete experimentelle Verifizierung der Evolutionstheorie durch Neubildung von Genen, Enzymen und Bauplänen, und zwar in jederzeit reproduzierbaren mutationsgenetischen Experimenten mit Bakterien. Angesichts der zu diesen Punkten als absolut wahr vorgetragenen Behauptungen von H.v.D. und N.N. haben wir bei unserem Test also einen berechtigten Anspruch darauf, uns mit nichts weniger zufrieden zu geben als mit einer Auflistung (oder einer Tabelle) der völlig neuen Gene und Enzyme sowie der neuen Baupläne, die in solchen Experimenten mit Bakterien enstanden sein sollen.

Wenn hingegen durch richtungslose Mutationen tatsächlich am laufenden Band neue Gene und Enzyme in Lederbergversuchen und vergleichbaren Experimenten entstehen würden, dann wäre meine These von der Unwahrscheinlichkeit der biochemischen Makroevolution bei Bakterien klar widerlegt. Das würde dann jedoch auch bedeuten, dass die biochemische Makroevolution von der morphologischen weitgehend abgekoppelt wäre; denn neue Bakterienarten entstehen in den Versuchen nicht.

Man kann selbstverständlich viele weitere (und von diesen Fragen unabhängige) evolutionstheoretische Hypothesen diskutieren (vgl. z.B. Lönnig 2001, 2002). Bei der hier angesprochenen Thematik aber kann das Ausweichen auf 'neue' Fragen und Behauptungen die 'alten' Fragen weder lösen noch die bisherigen Behauptungen rechtfertigen. (Zur "Diffamierungskritik", die auf persönliche Herabsetzung und Diskriminierung zielt, vgl. Antwort an meine Kritiker.)

__________

1Hier ein Beispiel von vielen ähnlichen zur Frage, wie die Begriffe "neues Gen" und "neues Protein" von Biologen bei Pro- und Eukaryonten gleichermaßen verwendet werden: S. Yoshida, M. Ito, I. Nishida und A. Watanabe führen in ihrer Arbeit Identification of a novel gene HYS1/CPR5 that has a repressive role in the induction of leaf senescence and pathogen-defence responses in Arabidopsis thaliana (The Plant Journal 29: 427-437; Frebruar 2002) unter vielen weiteren Punkten die neu identifizierte 564 Bausteine umfassende "deduced amino-acid sequence" auf (Figure 8 (b) - zum "potential nuclear-localization signal" und zu "putative transmembrane regions" etc. verweise ich auf die Originalarbeit):

MEALLLPPSPEPQNQITNPANSKPNHQSGDVHKDETMMMKKKKDTNPSNLEKRKLKGKKK [60]
EIMDNDEASSSYCSTSSTSNSNSTKRVTRVVHRLRNPMRLGMARRSVGERQAEKLAKPLG [120]
FSLAAFANMVIARKNAAGQNVYVDDLVEIFATLVEESLANVYGNKLGSFATNFEQTFSST [180]
LKILKLTNECANPHQSNNNDGGSCNLDRSTIDGCSDTELFERETSSATSAYEVMQGSATA [240]
TSLMNELALFEETLQLSCVPPRSSAMALTTDERFLKEQTRANDLKTVEIGLQIRELRCKE [300]
TALGLKFESNNLGKAALELDVSKAAFRAEKFKTELEDTRKEEMVTRIMDWLLVSVFSMLA [360[
SMVLGVYNFSIKRIEDATSVCDQSEEKSSSWWVPKQVSSINSGFNTFICRVRVWVQIFFG [420]
VLMIIVFTYFLNKRSSGTKQTMPISFIVLFLGIFCGVSGKLCVDTLGGDGKLWLIVWEVF [480]
CLLQFVANVFTLALYGLMFGPINVTQETRSNRCNSMFPYWARRSVVYVVILFVLPVINGL [540]
LPFATFGEWRDFAMYHLHGGSDYA [564]

Die Autoren stellen fest (p. 434): "HYS1 encodes a novel protein that has no significant similarity to any known sequence identified to date" (bold und unterstrichen von mir). Um eventuellen Missverständnissen bei solchen Beispielen vorzubeugen: "Neu" sind dabei für uns (d.h. für unseren bisherigen Kenntnisstand) u.a. die Sequenzen auf der DNA- und Proteinebene, - neu ist jedoch nicht die Entstehung dieser Gene und Proteine.

Wie oben jedoch gezeigt, ist von Hoimar von Ditfurth und anderen die regelmäßige Entstehung neuer (Gene und) Enzyme in Lederberg- und vergleichbaren Versuchen mit Bakterien nachdrücklich behauptet worden. Zu dieser Frage dürften die folgenden Worte einiger Mikrobiologen aufschlussreich sein:

 

 

Aufschlussreiche Aussagen führender Mikrobiologen

Zu unserem Thema zunächst einige aufschlussreiche Aussagen hervorragender Mikrobiologen:

 

"But in VRE [vancomycin-resistant enterococci], the peptide chain is slightly different.
Its final D-alanine is altered by a simple substitution:
an oxygen replaces a pair of atoms consisting of a nitrogen bonded to a hydrogen...
One atomic substitution reduces the drug's activity by a factor of 1,000."
[Alternativmethode: Das Bakterium fügt eine einzige Aminosäure am Ende des Peptids hinzu.]

"...AS THE STORY of vancomycin shows, tiny molecular alterations
can make all the difference, and bacteria find myriad strategies to outwit drugs."

K.C.Nicolaou and C.N.C. Boddy (2001) [Bold added.]

[Dennoch handelt es sich (auch) bei diesen "winzigen" Veränderungen
auf der Peptidebene (und ebenso bei Mutationen von Genen) in der Regel um Fitness- und Funktionsverluste für
die betroffenen Organismen (zu den Mutationen siehe u.a. das nächste Zitat und für das häufig plasmidgebundene, horizontal übertragbare
vanA-Resistenzgen die Diskussion unten auch für die Plasmide).]

 

"From the bacterium's point of view, becoming resistant to an antibiotic by mutating its target
has a major drawback. Since antibiotics target essential bacterial proteins or organelles,
most mutations in target genes will be lethal. Even mutations that preserve the function
of the protein or organelle will usually produce a form of the target that is
not as efficient as the original form. Thus the bacterium with the modified target has
an advantage only as long as the antibiotic is present.
Once the antibiotic selection ceases, the resistant strain
becomes less competitive than strains with an unmutated target."

A.A.Salyers (1995) [Bold added.]

[Diese Regel dürfte auf mehr als 99% der Fälle zutreffen (der neutrale Rest wird vor allem
auf Modifier-Mutationen zurückzuführen sein).]

 

Und ein Wort vorweg zu einer weiteren Evolutionsfrage bei Mikroorganismen (vgl. diese Seite Mitte):
"...we certainly have not witnessed the evolution
of new enzymes etc."

Paul Rainey zur Frage nach der Neubildung von Enzymen
bei seinen Arbeiten mit Pseudomomas fluorescens [Sept. 2001].

 

 

Generell gilt das Wort eines der besten zeitgenössischen Mikrobiologen: "Throughout 150 years of the science of bacteriology,
there is no evidence that one species of bacteria has changed into another."

Alan H. Linton [2001] (Bacteriology, University of Bristol (UK);
Mitherausgeber und -verfasser mehrerer mikrobiologischer Lehrbücher)

 

 

Einleitung

Die nachfolgenden Ausführungen sind die auszugsweise Wiedergabe einer geringfügig überarbeiteten Diskussion mit Herrn Dr. V. [Initiale verändert], der an einer europäischen Universität als Mathematiker arbeitet und der mehrere sehr berechtigte Fragen zur Bakterienresistenz auf Grund einer bedauerlicherweise systematischen Fehlinformation durch einen Herrn N.N. stellte. Da weit verbreitete neodarwinistische Irrtümer [regelmäßige Entstehung völlig neuer Gene und Enzyme zur Bildung von Antibiotikaresistenzen - siehe voriges Kapitel] im Publikum, ja selbst noch bei manchen Biologen, vorherrschen und da Herr Dr. V. die folgende Diskussion vorsichtig zustimmend und damit positiv beurteilt hat (siehe Schlusssätze), dürften diese Ausführungen auch für zahlreiche weitere Personen sehr informativ und aufschlussreich sein. - Obwohl noch viele andere Punkte diskutiert werden könnten, muss ich mich hier aus Zeitgründen erst einmal auf die Wiedergabe dieses Briefwechsels beschränken (in den letzten Monaten habe ich zum Beispiel 54 000 Pflanzen im Rahmen mutationsgenetischer Programme ausgewertet sowie viele andere wissenschaftliche Aufgaben wahrgenommen und weitere Aufgaben warten).

Zu Herrn N.N.: Der Leser urteile bitte bei einem genauen Studium der folgenden Ausführungen selbst, ob mein Eindruck zutrifft, dass uns N.N. - ganz in Übereinstimmung mit dem Zeitgeist - am laufenden Band kraftvoll-suggestive Behauptungen präsentiert, die sich bei genauer Prüfung jedoch häufig als "völlig informationsleer" erweisen.

Vorweg dazu ein besonders instruktives Beispiel: N.N. behauptet u.a., dass neueste Evolutionsexperimente nicht nur die Bildung neuer Funktionsproteine, sondern sogar die Entstehung neuer Baupläne belegt hätten. Was aber verstehen wir unter den "Bauplänen" des Tier- und Pflanzenreichs? Hier zunächst zwei Kurzdefinitionen:

Bauplan: "Typus, das Schema, das die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten, v.a. in der Anordnung der Organe und Systeme einer Pflanzen- oder Tiergruppe erfasst und als idealisiertes Modell darstellt" (Brockhaus 1996, Bd. 2, p. 691).

"Bauplan, der Gesamtaufbau eines Organismus, z.B. die Lage der Organe im Körper bezüglich der beiden Hauptachsen, der anteroposterioren und der dorsoventralen Achse. Organismen mit ähnlichem Grundbauplan werden zu Großgruppen (oft Stämmen) zusammengefaßt, z.B. Bauplan der Chordaten, der Arthropoden oder der Mollusken" (Lexikon der Biologie 1999, Bd. 2, p. 269).

So unterscheiden wir im Tierreich heutzutage etwa 30-40 verschiedene Baupläne (je nach Autor ob und welche Subphyla mitgerechnet werden). Im Kambrium rechnet man mit dem sprunghaften Auftreten von annähernd 100 Bauplänen (McMenamin) - wir haben heute also entsprechend weniger Bauplandivergenzen als damals. Für jeden Forscher, der sich mit der Bauplanfrage schon einmal etwas näher beschäftigt hat, ist die nach N.N. zitierte Behauptung (siehe unten), dass die neuesten Evolutionsexperimente "ganz klar die Entstehung neuer...Baupläne belegen", vollständig inhaltsleer (wenn nicht sogar absurd). Die Entstehung neuer Baupläne in solchen Versuchen wäre eine absolute Sensation, so dass selbst die Bildzeitung noch eine große Schlagzeile bringen würde (etwa: "Bazillen verwandeln sich in Menschen"), - von dem Nobelpreis* einmal ganz abgesehen, mit dem die Versuche inzwischen längst belohnt worden wären. Der Abstand zwischen dem evolutionären Wunschtraum und den biologischen Realitäten könnte kaum noch größer sein: Nicht einmal neue Arten sind in den bisherigen Versuchen entstanden! Ist daher die Frage unangemessen, ob der Chemieingenieur N.N. in diesen Punkten überhaupt weiß, wovon er spricht?

Kommen wir nun zu den Diskussionen.

[Kommentare in eckigen Klammern sind Nachträge, die in den runden Klammern waren jedoch schon in den Originalen. Die Fußnoten sind ebenfalls neu.]

 

 

Hauptteil: Diskussionen

W.-E.-L. (meine Mail vom 29. 11. 2000):

Lieber Herr V.,

besten Dank für Ihre schnelle Antwort mitsamt freundlicher persönlicher Vorstellung. Da ich im Moment im Zeitdruck bin, möchte ich das (eine kurze Vorstellung) später nachholen.

Zu N.N.s Kritik zum Thema Bakterienresistenz: Wenn folgende Behauptungen den Tatsachen entsprächen, müßte N.N. eine Liste mit neuen in diesen Versuchen entstandenen Genen, Proteinen und Bauplänen präsentieren können.

N.N. [Zu seinem Punkt 8, siehe unten]: "Mittlerweile wurde Lederbergs Evolutionsexperiment aber in Form zahlreicher Abwandlungen in aller Welt wiederholt, wobei die neuesten Befunde ganz klar die Entstehung neuer Funktionsproteine und Baupläne belegen."

Tatsache ist, dass er keinen einzigen solchen Fall zitieren kann (siehe die Details unten)!...

Im Folgenden diskutiere ich die Aussagen des Verfassers (N.N.) Satz für Satz, indem ich zunächst seine Behauptungen vollständig wiedergebe, um dann - orientiert an den historischen und biologischen Tatsachen - eine sachliche Kritik durch Umformulierungen mit Begründungen vorzunehmen (Numerierung der Aussagen im Text und Hervorhebungen im Schriftbild von mir). [Nachtrag: dieses Vorhaben konnte ich bei den folgenden 24 Punkten bereits vollständig realisieren, und zwar bis ich Herrn Dr. V.s Fragen beantwortet hatte; ich musste mich dann aber wieder wichtigeren aktuellen wissenschaftlichen Aufgaben zuwenden.]

N.N. : "1. Zusammenfassung"

(1) "Seitdem der Biologe Joshua Lederberg im Jahre 1952 seinen vielbeachteten und wiederholt nachgeahmten Stempelversuch durchführte, war erstmals auf experimentellem Wege (2) eine grundlegende Aussage der Evolutionstheorie bewiesen worden. Es wurde nämlich anschaulich aufgezeigt, welch gewaltige schöpferische Kraft der Evolution im Wechselspiel von Mutation und Selektion innewohnt."

W.-E.L.:  Gleich in der ersten Aussage der Zusammenfassung des Aufsatzes von Herrn N.N. befinden sich zwei Sachfehler: ein (nicht besonders gewichtiger) historischer und ein (sehr schwerwiegender) biologischer. Das dürfte in der folgenden (an den historischen und biologischen Tatsachen orientierten) veränderten Formulierung und Begründung deutlich werden:

1. Seitdem die Biologen Joshua und Esther Lederberg im Jahre 1952 die Methode der Replika-Plattierung in die Mikrobiologie einführten, war keineswegs erstmals auf experimentellem Wege die Hypothese der neodarwinistischen Evolutionstheorie wahrscheinlich gemacht worden, dass mit Mutation und Selektion Resistenzerscheinungen bei Bakterien erklärt werden können. Das wurde vielmehr nach den grundlegenden Arbeiten von Luria und Delbrück (1943), und Demerec (1945) nur noch einmal anschaulich gezeigt (vgl. Begründung im Detail die Einleitung zu Hoimar von Ditfurth und der Lederbergsche Stempelversuch,  fortan abgekürzt zu "Lönnig, 2000").

2. Nach molekularbiologischen Untersuchungen wissen wir heute, dass die in diesen Versuchen aufgetretenen Resistenzerscheinungen in aller Regel auf Allelbildung durch Genfunktionsverluste beruhen (- der nicht einmal mehr in Prozentzahlen aufführbare Rest besteht aus neutralen Aminosäuerest-Substitutionen) (Details, Lönnig, 2000). D. h. also: Mutationsbedingte Genfunktionsverluste plus Selektion können Resistenzerscheinungen bei Bakterien erklären.

Die Extrapolation von solchen Verlusten auf einen fundamentalen Gewinn, dass nämlich damit auf experimentellem Wege eine "grundlegende Aussage der Evolutionstheorie bewiesen worden war"  und gezeigt worden sei, "welch gewaltige schöpferische Kraft der Evolution im Wechselspiel von Mutation und Selektion innewohnt" ist naturwissenschaftlich falsch: Aus Genfunktionsbeeinträchtigungen  kann man keine "gewaltige schöpferische Kraft der Evolution" ableiten.

Die neodarwinistische Evolutionstheorie behauptet immerhin, mit ihrem Faktorensystem von Mutation und Selektion den Ursprung und die Entwicklung aller Lebensformen zu erklären. Dazu braucht die Theorie unter anderem den Nachweis der Entstehung neuer Gene und Enzyme. Und genau das war das Mißverständnis von H. von Ditfurth: Die ihm damals noch unbekannten Genfunktionsverluste hat er als Genfunktionsgewinne interpretiert. Damit konnte er dann auch weitreichende Extrapolationen für den Neodarwinismus vornehmen. Heute ist die Basis dieser Behauptungen (und damit die Behauptungen selbst) als naturwissenschaftlich falsch erkannt (Details: Lönnig, 2000).

(Bei diesem von N.N. entgegen den Tatsachen nun wieder als "völlig richtig" proklamierten Fehlschluß von Genfunktionsverlusten auf den Gewinn sämtlicher genetischer Information aller Organismen, sollte ich vielleicht schon einmal erwähnen, dass mir N.N. in seiner so häufig gepflegten sympathisch-freundlichen Art später noch in seinem Aufsatz "pathologische Logik" (und anderswo sogar [samt allen Sachkritikern seiner Auffassungen] einen "unheilbar pathologischen Logikbegriff") vorhält.

N.N. (2): "Lederberg konnte zeigen, dass die Evolution in jedem Falle über  Mechanismen - Mutation und Selektion - verfügt, welche die Lebewesen befähigen, sich an lebenswidrige Umstände aller Art anzupassen,…"

W.-E.L.:  Die Lederbergs zeigten 1952 (wie schon mehrere Autoren vor ihnen) nichts weiter, als dass Resistenzen bei Bakterien durch Mutation und Selektion erzeugt werden können. Die Behauptung, dass damit die postulierte (aber bis heute unbewiesene Gesamt-) Evolution "in jedem Falle" über  Mechanismen verfügt, "welche die Lebewesen befähigen, sich an lebenswidrige Umstände aller Art anzupassen"  ist nun wieder eine (naturwissenschaftlich falsche) verabsolutierende Generalisierung der Befunde, die aus der Selektion von Genfunktionsverlusten nicht folgt. 

Was übrigens den Faktor Selektion anlangt, so ist darauf hinzuweisen, dass bereits vor Darwin Schöpfungstheoretiker diesen Faktor als wichtiges Regulans zur Erhaltung der Arten verstanden haben [z. B. Edward Blyth, William Paley und überhaupt die natural theologians]. Da in den Lederbergschen Versuchen weder neue Gene und Enzyme noch neue Arten entstanden sind, könnte man die Erhaltung der E.coli Populationen unter lebenswidrigen Umständen eher als Beweis für die Richtigkeit dieser Schöpfungsauffassung verstehen (Erhaltung der Arten durch Selektion unter widrigen Umständen).

Richtig könnte Punkt (2) daher lauten:

(2) Die Lederbergs konnten zeigen, dass die Bakterienspezies E. coli  in einer Reihe von Fällen über  Mechanismen - Mutation und Selektion - verfügt, welche sie befähigt, sich  (in der Regel durch Genfunktionsverluste - wie sich später herausstellte) in begrenztem Maße an die für sie lebenswidrigen Umstände einer relativ stark Antibiotika-'verseuchten' Umwelt anzupassen.

Zahlreiche Fälle haben inzwischen weiter gezeigt, dass eine begrenzte Anpassung durch Genfunktionsverluste bei vielen Arten festzustellen ist (vgl. Lönnig: Artbegriff), so dass einer Verallgemeinerung der Lederbergschen Untersuchungsergebnisse im Sinne begrenzter Anpassung durch Genfunktionsbeeinträchtigung nichts im Wege steht.

Fortsetzung des Satzes von N.N.:

N.N. (3): "und damit rücken Mutation und Selektion erstmals, empirisch belegbar, zu denjenigen Evolutionsfaktoren auf, die grundsätzlich keinen phänotypischen Beschränkungen obliegen. "

W.-E.L.: Hundert Jahre Mutationsforschung haben für jeden gründlich untersuchten Fall das genaue Gegenteil von N.N.s Behauptung belegt: Details vgl. Lönnig (1995): Mutationen: Das Gesetz der rekurrenten Variation. Hier ein kurzer Auszug aus dieser Arbeit (pp. 152/153):

"Ein wesentlicher Punkt, der die Schlußfolgerung von der Unwahrscheinlichkeit des Ursprungs der Lebensformen durch Mutation und Rekombination (und Selektion) unterstützt, ist die seit Jahrzehnten bekannte und an den verschiedensten Organismen immer wieder gemachte Erfahrung,  dass sich das Mutantenspektrum nach mehrfach wiederholter mutagener Behandlung verschiedener Linien oder Arten nur noch geringfügig vergrößert. Das heißt, es treten immer wieder die gleichen Mutanten auf. Der Genetiker Hans Stubbe hat diesen Punkt für seine Studien am Löwenmäulchen (Antirrhinum majus L.) nach [rund 40] Jahren intensiver Mutationsforschung wie folgt zusammengefaßt:

Die immer bessere Kenntnis der Mutanten von Antirrhinum hat einige wesentliche Erfahrungen gebracht. Mit jedem neuen großen Mutationsversuch ergab sich im Laufe der Jahre, dass die Zahl der wirklich neuen, erstmalig erkannten Mutanten immer geringer wurde, dass also die Mehrzahl der auftretenden erblichen Änderungen schon bekannt war.

Ähnlich stellt ein erfahrener Genetiker wie Werner Gottschalk fest:

Je größer die Sortimente sind, um so schwieriger ist es, sie durch neue Mutationstypen zu erweitern. Es entstehen hierbei bevorzugt Mutanten, die bereits existieren.

Anders formuliert, strebt die Zahl der neuen Mutantentypen mit immer weiteren großen Mutationsversuchen asymptotisch gegen Null." - Worauf zahlreiche Beispiele diskutiert werden [vgl. auch die überarbeitete Version der Mutationsarbeit von 2001: Gesetz_Rekurrente_Variation.html].

 

Für die Pflanzenzüchtung bedeutete dieses Ergebnis, dass die Mutationszüchtung, die nach neodarwinistischen Prämissen die gesamte Pflanzenzüchtung revolutionieren sollte, als neue Hauptmethode der angewandten Forschung weltweit zusammengebrochen ist. 

Diesen Tatsachen entsprechend könnte also N.N.s. Satz wie folgt lauten:

(3) … und damit gehören Mutation und Selektion erstmals, empirisch belegbar, zu denjenigen Evolutionsfaktoren, die zwar eindeutig phänotypischen Beschränkungen obliegen, aber dennoch für Anpassungserscheinungen im Rahmen der Mikroevolution eine Rolle spielen können.

Weiter N.N.:

N.N. (4): "Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet dies: Jedes evolutionstheoretische Problem ist statistisch gesehen lösbar."

W.-E.L.:  Ohne die Anbindung an die begrenzten Zahlen der Individuen, Populationen, Mutationen sowie realistischer Zeiten auf unserem Planeten erscheint manches evolutionstheoretische Problem statistisch gesehen wohl lösbar, nicht aber unter den begrenzt-realistischen Bedingungen auf unserer Erde.

So ist zum Beispiel die Frage nach der Entstehung von "irreducibly complex systems" (Behe) für die realistische Beantwortung der Frage, was auf unserer Erde im Rahmen der Naturgesetze geschehen kann und was nicht, statistisch nur in dem Sinne lösbar, dass die Wahrscheinlichkeit des Ursprungs solcher Systeme durch Mutation und Selektion so gering ist, dass man sie praktisch nicht erwarten kann (siehe auch Dembski, 1998). - Die Alternative lautet: Intelligent Design.

(4) Mit anderen Worten bedeutet dies: Evolutionstheoretische Probleme sind spätestens bei der Frage nach dem Ursprung von "irreducibly complex systems" auf unserer Erde mit dem Faktorensystem Mutation und Selektion weder praktisch noch statistisch gesehen lösbar.

Weiter N.N.:

N.N. (5): "Darüber hinaus ist bewiesen worden, dass selbst die evolutive Entstehung ganz spezifischer Funktionsproteine durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen liegt."

W.-E.L.: Klaus Wittlich und viele andere haben die Unwahrscheinlichkeit dieser Behauptung nachgewiesen, d.h.:

(5) Darüber hinaus ist bewiesen worden, dass die evolutive Entstehung völlig neuer, ganz spezifischer Funktionsproteine außerhalb des Bereichs der Wahrscheinlichkeit der  sich auf unserer Erde abspielenden Zufallsprozesse liegt [diese Aussage ist in voller Übereinstimmung mit den praktischen Ergebnissen der Mutationsforschung; vgl. dazu auch die ausführliche Diskussion zum Thema Genduplikationen: Genduplikationen.html].

Weiter N.N.:

N.N. (6): "Der Wissenschaftspublizist Hoimar von Ditfurth hatte diese Zusammenhänge erstmals einem großen Leserauditorium in allgemein verständlicher Form nahegebracht."

W.-E.L.: Durch die Fehlinterpretation der auf Genfunktionsverlusten beruhenden Resistenzerscheinungen der Lederbergschen Stempelversuche als Bildung neuer Gene und Enzyme hat Hoimar von Ditfurth weite Teile der Bevölkerung falsch informiert oder:

(6) Der Wissenschaftspublizist Hoimar von Ditfurth hatte seine Mißverständnisse zum Replica Plating als Genfunktionsgewinn ([also seine eindeutigen Mißverständnisse von der] Bildung neuer Gene und Enzyme!) und zahlreiche weitere Fehler einem großen Leserpublikum als vermeintlich generellen neodarwinistischen Evolutionsbeweis in verständlicher Form erstmals als absolut sichere Aussagen vorgetragen.

Weiter die Ausführungen von N.N.:

N.N. (7): "Daher verwundert es nicht, dass diese im Grunde so triviale Erkenntnis denn auch einen Gegenstand darstellt, an dem sich die Kritik der Evolutionsgegner entzündet."

W.-E.L.: Auch diese polemisch vorgetragene Verallgemeinerung zur scheinbar "trivialen Erkenntnis" (besser: zum trivialen Irrtum), "an der sich die Kritik der Evolutionsgegner entzündet" ist nicht zutreffend: Mich würde einmal sehr interessieren, welche weiteren Kritiker des Neodarwinismus sich mit H. von Ditfurths Behauptungen zum Lederbergschen Versuch beschäftigt und welche Argumente sie gegen Ditfurths Interpretation aufgeführt haben!

Was mich selbst betrifft, so begann ich mich erst ausführlicher mit H. von Ditfurths Buch "Am Anfang war der Wasserstoff" zu beschäftigen, nachdem N.N. in einer an mich gerichteten e-Mail die Bedeutung der Arbeiten von Ditfurths für die Evolutionstheorie behauptet hatte und überdies in seiner sog. Buchbesprechung (1999) nach einer (ungewöhnlich sachfehlerreichen) Beschreibung des Lederbergschen Stempelversuchs diesen als Beweis dafür ausgab, dass [gemäß] (N.N.:) "Bakterien durch Mutation und Selektion neue Enzyme, Strukturen und Mechanismen beschert" werden, "welche die Vernichtung bakterizider Substanzen (beispielsweise Streptomycin) einleiten, bevor Menschen diese Gifte überhaupt eingesetzt oder gar erfunden hatten!

Und weiter N.N. in seiner polemischen "Buchbesprechung" von 1999:

(a) "Durch dieses Experiment wird ebenfalls in eindrucksvoller Weise der "Unmöglichkeitscharakter" der Evolution, den Kreationisten immer wieder anhand diverser Beispielrechnungen ins Felde führen, experimentell und anschaulich ad absurdum geführt.  Lönnigs Vermerk, die Annahme der Entstehung komplexer Strukturen durch Mutation und Selektion sei unbewiesen, erweist sich durch evolutionsbiologische Experimente à la Lederberg als nicht haltbar" (hier und im Absatz davor alle Hervorhebungen im Schriftbild [fett und unterstrichen] von N.N.).

Vgl. zur Widerlegung dieser Falschaussagen von N.N. wieder meine Arbeit (2000): Hoimar von Ditfurth und der Lederbergsche Stempelversuch: Beweise für Makroevolution im Labor?

Tatsache ist, dass in keinem einzigen der zahlreichen Wiederholungen des Lederbergschen Stempelversuchs jemals auch nur die Entstehung ein einziges neuen Gens und Enzyms nachgewiesen werden konnte. Vielmehr wurden zahlreiche Genfunktionsverluste festgestellt!

Korrekturvorschläge:

Zunächst zu a):

"Durch dieses Experiment wird ebenfalls in eindrucksvoller Weise der "Unwahrscheinlichkeitscharakter" der Makro-Evolution (den sowohl Kreationisten als auch nicht-darwinistische Evolutionstheoretiker zurecht anhand diverser Beispielrechnungen gegen den Neodarwinismus ins Feld führen) experimentell und anschaulich bewiesen.  Lönnigs Vermerk, die Annahme der Entstehung komplexer Strukturen durch Mutation und Selektion sei unbewiesen, erweist sich durch evolutionsbiologische Experimente à la Lederberg als vollkommen richtig: Mit Genfunktionsverlusten (sowie funktionsneutralen Substitutionen) kann man nicht den Ursprung aller Lebensformen erklären."

Und Korrekturvorschlag zu (7):

(7)  Daher verwundert es nicht, dass dieses im Grunde so triviale Mißverständnis H. von Ditfurths nach den obigen (und öffentlichen) Falschaussagen eines N.N., welche dieser unter ununterbrochen persönlich herabsetzender Polemik gegen einen bestimmten Genetiker (und zugleich mit dem unzutreffenden Anspruch auf absolute Wahrhaftigkeit) vorträgt, nun  dessen Sachkritk hervorruft.

Weiter die Ausführungen von N.N. (2000):

N.N. (8): Mittlerweile wurde Lederbergs Evolutionsexperiment aber in Form zahlreicher Abwandlungen in aller Welt wiederholt, wobei die neuesten Befunde ganz klar die Entstehung neuer Funktionsproteine und Baupläne belegen."

W.-E.L.: Nicht ein einziges neues Funktionsprotein (geschweige denn neue Baupläne!) konnte(n) in den zahlreichen Abwandlungen der Lederbergschen Versuche nachgewiesen werden, wohl aber zahlreiche Genfunktionsverluste. N.N. möchte doch bitte einmal die Namen und Funktionen der neuen Funktionsproteine auflisten! Oder so formuliert:

(8) Mittlerweile wurden die Antibiotika-Resistenzexperimente der Lederbergs in Form zahlreicher Abwandlungen in aller Welt wiederholt, wobei auch die neuesten Befunde ganz klar gegen die Entstehung neuer Funktionsproteine und Baupläne sprechen.

Weiter die Ausführungen von N.N.:

N.N. (9): "So haben RAINEY und TRAVISANO über zahlreiche Generationen hinweg bei Mikroorganismen wiederholt Evolutionssprünge beobachtet, die zu völlig neuen Anpassungen führten."

W.-E.L.: Jetzt hätte ich eigentlich zunächst einmal die Namen und Funktionen der durch Mutation und Selektion entstandenen, neuen Funktionsproteine erwartet! Das wäre doch ein schlagendes Argument, ja der Höhepunkt in dieser Zusammenfassung gewesen. Aber nichts dergleichen ist hier oder später zu finden.

Was N.N. hier als "Evolutionssprünge" bezeichnet, das sind - ohne Klärung der genetischen und molekulargenetischen Grundlagen - zunächst einmal nichts weiter als "Phänotypsprünge". Solche aber sind mit und seit der Arbeit von Franz Wolf im Jahre 1909 mit dem Titel: "Über Modifikationen und experimentell ausgelöste Mutationen von Bacillus prodigiosus und anderen Schizophyten" en masse  beschrieben worden. Dass Phänotypsprünge noch nichts mit Evolution zu tun haben brauchen, zeigt sich besonders drastisch bei den genetischen Defekten des Menschen: Ein hypophysärer Zwerg, oder ein Mensch ohne Arme und Beine, oder mit einer Spina bifida etc., zeigt zwar einen Phänotypsprung, aber damit noch langen keinen Evolutionssprung.

Der entscheidende Punkt ist nun, dass gemäß den Angaben von Rainey und Travisano (1998, pp. 69, 71 [Nature 394, pp. 69-72]) die molekulargenetischen Grundlagen der von ihnen beobachteten Phänotypsprünge nicht bekannt sind: "The effects of adaptive radiation are often seen, but the underlying causes are difficult to disentangle and remain unclear" (p. 69). "Despite intensive studies, the causes and significance of this variation have remained elusive" (p. 71) (Hervorhebungen im Schriftbild von mir). Die neuen Funktionsproteine sind schlicht und einfach erfunden! So kann man jedenfalls keine ehrliche Naturwissenschaft machen!

"Völlig neue Anpassungen": Orientiert an den Beispielen aus der Lederbergschen Resistenzgenetik ist die nächstliegende Hypothese die, dass es sich auch bei den Phänotypen der Populationen des aerobischen Bakteriums Pseudomonas fluorescens im wesentlichen um die Auswirkungen von Punktmutationen handelt (inwieweit hier ebenfalls in der großen Mehrzahl der Fälle Enzymfunktionen eingeschränkt werden, müßte erst noch genau untersucht werden [siehe jedoch die neuen Befunde unten] - das wäre aber nach allen bekannten Daten ebenfalls zu erwarten). Da jedes einzelne Nukleotid jedes einzelnen Gens in solchen Populationen in kürzester Zeit Milliarden Mal substituiert wird und damit jedes Gen Billionen Mal mutiert (Details vgl. Lönnig, 2000: Wittlich), ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die von Rainey und Travisano beschriebenen Mutanten auch schon in der Natur  (mit ihren ungleich größereren Populationen und Zeiträumen) zumindest schon viele Milliarden(!) Mal aufgetreten sind (Gesetz der rekurrenten Variation). Von völlig neuen Anpassungen kann damit überhaupt nicht die Rede sein! Korrekzurvorschlag:

(9) So haben RAINEY und TRAVISANO über zahlreiche Generationen hinweg bei Mikroorganismen wiederholt Phänotypsprünge beobachtet, die, soweit sie durch Punktmutationen bedingt sind, in der Natur schon Milliarden Mal aufgetreten sind.

[Hier ließe sich eventuell einwänden, dass zwar diese Mutanten als einzelne Bakterien in der Natur schon in großen Zahlen regelmäßig aufgetreten sind, aber die speziellen, an die Populationen gebundenen Phänotypen, wahrscheinlich sehr viel seltener. Da aber Pseudomonas fluorescens ubiquitär verbreitet ist und unter anderem auf Pflanzen (und in Pilzen), im Wasser und im Boden auftritt (ja sogar unter Kontaktlinsen ist die Art wiederholt festgestellt worden), sollten sich Nischen (kleine wasser- und nährstoffreiche "Behälter") finden lassen, in denen auch solche mutanten Populationen auftreten konnten und können (auch wenn sie in der Natur nicht persistieren - siehe unten). Man berücksichtige dabei sowohl erdgeschichtliche Zeiträume als auch die Vielfalt von Biotopen, an denen die Art siedelt - sowie ihre weite geographische Verbreitung.]

Weiter die unzutreffenden Ausführungen von N.N.:

N.N. (10): "Dabei zeigte sich, dass die unter einem bestimmtem Selektionsdruck auftretenden neuen Adaptationen und Varianten in jedem Falle so zahlreich und grundverschieden sind, dass von einer Beschränkung der Variation (Rekurrenz) nicht mehr die Rede sein kann. "

N.N. hat wesentliche Teile der Arbeit von Rainey und Travisano nicht verstanden: Nach 3 Tagen Inkubationszeit sind drei "dominant morphs" festzustellen ("named smooth, wrinkly-spreader and fuzzy-spreader"). Die Formen treten mit vollkommener Regelmäßigkeit unter den gleichen Versuchbedingungen immer wieder auf: "The rapidity and repeatibility of [micro-!]evolution here are indicative of both strong selective pressures and the adaptive potential of the ancestral genotype, despite the underlying random nature in the appearance of mutations" (p. 71) (Hervorhebungen im Schriftbild und "micro-!" von mir,...).

Rainey und Travisano haben bedauerlicherweise die Häufigkeit der Mutationen nicht durchgerechnet, sonst wüßten sie, dass alle Punktmutationen mit Notwendigeit in ihren Populationen in großer Zahl (rekurrent!) auftreten müssen (vgl. nochmals Lönnig, 2000: Wittlich).

Für die Rekurrenzfrage ist entscheidend, dass die Autoren selber die Schnelligkeit und Wiederholbarkeit der (möglichen) Mikroevolution hervorheben (Gesetz der rekurrenten Variation). So sind zum Beispiel "wrinkly-spreader" und "fuzzy-spreader" mindestens 24 Mal unabhängig voneinander aufgetreten (die "three dominant morphological classes" wurden "in every microcosm" entdeckt).

Rainey und Travisano schränken jedoch ein (p. 71): "However, the apparent determinism of the system is not all-encompassing." Also, der offensichtliche Determinismus des Systems ist nicht allumfassend, aber doch so erstaunlich umfassend und deutlich, dass die Autoren ihn mit Recht immer wieder hervorheben (die Mikroevolution "of variant morphs follows a predictable sequence" - p. 69). Die Autoren fahren dann fort: "First, although we detected three dominant morphological classes in every microcosm, variation was always encountered within the morphological classes across microcosms, and different, minor morphological classes appeared (we have not described these here)."

Genau das ist auch zu erwarten, wenn man die oben schon mehrfach betonte Häufigkeit der Nukleotidsubstitutionen und Genmutationen in Bakterienpopulationen berücksichtigt. Der Selektionsdruck ist hier mit Sicherheit geringer als in den Lederbergschen Resistenzversuchen (in denen nur ganz wenige rekurrent auftretende Mutanten überleben können). Verschiedene, aber selektionistisch annähernd gleichwertige Mutanten könnten sich mehr oder minder stochastisch in verschiedenen Populationen durchsetzen. Weiter hängt diese Frage von den Punktmutationen ab, die schon in den jeweiligen Isolaten vorhanden waren (also die Frage nach den Startbedingungen könnte hier eine Rolle spielen). Wenn diese Versuche Zehntausend Mal mit gleichen Startbedingungen wiederholt würden, dann würde sich höchstwahrscheinlich auch hier ein vollkommen eindeutiges Muster rekurrenter Phänotypen abzeichnen. Dieses Pattern wäre jedoch wesentlich umfassender als die geringen bisher gefundenen Ausschnitte aus der Gesamtheit und ginge in die Hunderte bis Tausende von rekurrent auftretenden Klassen, Unterklassen und Kombinationen von Phänotypen.  Vielleicht reichen dazu schon Wiederholungen in der Größenordnung von 1000den von Versuchen aus - wer macht einmal den Versuch?!  Die bisherigen Versuche sind jedenfalls noch lange nicht umfangreich genug, um das volle Ausmaß der rekurrenten Variation zu bestimmen.

Beispiele des notwendigen Versuchaufwands bei Eukaryonten: Um das Ausmaß der rekurrenten Variation bei der Gerste (Hordeum) annähernd zu bestimmen, bedurfte es rund 50 Jahre intensiver Forschungsarbeit mehrerer Institute. Um dasselbe Ausmaß beim Menschen zu bestimmen, bedurfte es rund 150 Jahre Forschungsarbeit weltweit. Wenn wir auch bei Prokaryoten wesentlich schneller vorankommen können, so muß doch der Versuchsaufwand der Fragestellung angemessen werden, und das ist hier zur Frage nach dem Ausmaß der rekurrenten Variation noch lange nicht der Fall. Die bisherigen Ergebnisse zeigen jedoch schon eine ganz klare Linie auf: Nicht umsonst sprechen die Autoren von der „rapidity and repeatibility" ihrer Versuche, von einer "predictable sequence" der 'variant morphs' und dass die drei dominanten morphologischen Klassen "in every microcosm" aufgetreten sind.

Rainey und Travisano schreiben weiter (p. 71):

"Second, in experiments performed in spatial microcosms one-hundreds the size of those described above, diversification resulted in far less predictable patterns, indicating that the apparent determinism is due, in part, to large poulation sizes and hence large numbers of mutants. Finally, persistence of the three dominant morphological classes indicates that multiple avenues for adaptation existed in the ancestral genotype, and shows that different cell lineages followed different adaptive pathways."

Also, Versuche mit 0.25 ml microcosms "resulted in far less predictable patterns": Die Autoren sagen jedoch nichts zur Anzahl ihrer Versuche. Das Ergebnis ist allerdings für die ersten Versuchsserien direkt vorauszusagen: Raumstrukturierung, [möglicherweise der] Selektionsdruck [dieser Punkt wird unterschiedlich beurteilt] und [die] Zahl der Mutanten sind unter den hundert Mal kleineren Versuchsbedingungen geringer, d.h. die Stochastik ist in diesen Versuchen wesentlich erhöht. Um das volle Ausmaß rekurrenter Variation hier zu beschreiben, bedarf es eines weit größeren Versuchsaufwands als bei den 25ml microcosms.

Korrekturvorschlag zu Punkt (10):

(10) Dabei zeigte sich, dass die Versuche zu den unter einem bestimmtem Selektionsdruck auftretenden neuen Adaptationen und Varianten nur für die 'dominant morphs' bisher umfangreich genug sind, um das volle Ausmaß der Rekurrenten Variation zu beschreiben.

Weiter die Ausführungen von N.N.:

N.N. (11): "Auch antievolutionistische Erklärungsversuche, die auf der Annahme "vorrätiger" und lediglich innerhalb bestimmter Grenzen variierbarer Gensätze beruhen, wurden eindeutig in das Reich fiktiver Spekulationen verbannt."

(Gibt es auch 'nicht-fiktive Spekulationen'?) Die Evolutionstheoretiker Rainey und Travisano selbst führen die Regelmäßigkeit der auftretenden Phänotypen auf Selektion und auf das "adaptive potential of the ancestral genotype" zurück. Und das ist kein "antievolutionistischer Erklärungsversuch", sondern ein völlig mit den Tatsachen übereinstimmende naturwissenschaftliche Beschreibung der genetischen Grundlagen der Versuche. Die Zahl der Gene und Genfunktionen ist auch bei Pseudomonas fluorescens begrenzt.

Die naturwissenschaftlichen Tatsachen haben nun ihrereseits die Behauptung N.N.s, dass diese Versuche "ganz klar die Entstehung neuer Funktionsproteine und Baupläne belegen" würden, "eindeutig in das Reich 'fiktiver Spekulationen' verbannt".

 

W.-E.L. (meine Mail vom 8. 1. 2001):

...Ich wäre Ihnen auch sehr dankbar, wenn Sie mir nach dem Studium dieser Ausführungen mitteilen könnten, welche Punkte Sie überzeugt haben, und welche Punkte Sie vielleicht als unklar, zweifelhaft oder falsch empfinden. Solche Rückkopplung ist in der Regel sehr wertvoll.

Ich habe Verständnis für Ihre zeitliche Situation (berufstätige Frau und 4 schulpflichtige Kinder). Meine Frau ist nicht berufstätig und ich habe nur eine (studierende) Tochter und auch schon Schwierigkeiten mit der Zeit (und der Kraft), so dass ich meinerseits um Verständnis bitte, dass meine Kommentare zu N.N.s meist falschen Behauptungen nur in mehr oder weniger großen Abständen folgen.

Hier also die Fortsetzung der Diskussion:

N.N. (12): "Die häufig erhobenen Einwände, welche die Generalisierung der Resultate, insbesondere die Translation der Erkennntisse auf die Evolution höherer Organismen, grundsätzlich in Frage stellen, sind dabei wissenschaftlich unseriös und unbegründbar, da die Evolutionsfaktoren Mutation und Selektion grundsätzlich taxonübergreifend bei allen Organisationsstufen des Lebens auftreten."

W.-E.L. zu (12): Die wissenschaftliche Generalisierung der Resultate liegt im Gesetz der rekurrenten Variation. "Wissenschaftlich unseriös und unbegründbar" ist N.N.s Schlussfolgerung von Genfunktionsverlusten auf die Entstehung grundsätzlich neuer Gene und Enzyme sowie neuer Baupläne: Er kann nicht ein einziges neues Enzym, geschweige denn einen neuen Bauplan nennen, die in den oben genannten Versuchen entstanden wären.

Mit dem (a) plasmidbedingten horizontalen Gentransfer und (b) ihrem ungeheuren Vermehrungspotential verfügen Bakterien über Möglichkeiten der Mikroevolution, die bei Eukaryoten entweder (a) gar nicht vorkommen oder (b) - was das Vermehrungspotential betrifft - alles in den Schatten stellen, was zum Beispiel die Säugetiere und der Mensch leisten könnten. Damit verfügen Bakterien über ein Mikroevolutionspotential, das den meisten anderen Organismen schlicht und einfach nicht zur Verfügung steht. Es ist "Wissenschaftlich unseriös und unbegründbar", diese Tatsachen leugnen zu wollen. Die Anerkennung dieser Tatsachen aber stellt die naive Übertragung der an Bakterien gewonnenen Erkenntnisse der Mikroevolution auf die Evolution höherer Organismen insofern in Frage, als wir eben nicht grundsätzlich schlussfolgern können: Was bei Bakterien möglich ist, das trifft auch auf den Menschen zu.

Es ist zwar richtig, dass die (Mikro-)Evolutionsfaktoren "Mutation und Selektion grundsätzlich taxonübergreifend bei allen Organisationsstufen des Lebens auftreten". Bei den Bakterien aber läuft der größte Teil der Mikroevolution über den plasmidbedingten horizontalen Gentransfer ab. Und das trifft nun keineswegs auf alle Organisationsstufen des Lebens zu. Im Gegenteil, diese Form der Mikroevolution ist fast ausschließlich auf die Bakterien beschränkt. Wir können daher die bei Bakterien festgestellten Mikroevolutions-Phänomene auch nicht einfach auf die gesamte Organismenwelt übertragen (wie das ein N.N., Hoimar von Ditfurth und andere praktizieren bzw. praktiziert haben) und zum Beispiel sagen: Wenn der Erwerb von Resistenzen bei Bakterien so schnell und sicher "evolviert", dann können wir das auch beim Elefanten und beim Menschen erwarten.

Zur Translation mikroevolutiver Erkenntnisse von Bakterien auf höhere Organismen wiederhole ich hier zwei Passagen aus Der_Lederbergsche_I.html:

(a) "Das durch Mutationen bedingte Auftreten der Resistenzen weist bei Bakterien offenbar nicht die von v. Ditfurth behauptete allgemeine Größenordnung auf (das war jedoch eine wesentliche Grundlage für seine generalisierende neodarwinistische Aussage). Vielmehr spielt hier der plasmidbedingte horizontale Gentransfer über die Art- und Gattungsgrenzen hinweg eine ganz entscheidende Rolle (Plasmide sind dagegen bei Eukaryoten von untergeordneter Bedeutung und natürlicher, horizontaler Gentransfer ist bei letzteren - im Vergleich zu Bakterien - die ganz seltene Ausnahme)."

(b) "Der nächste Punkt, nämlich die häufigste Ursache für Antibiotika-Resistenzen bei Bakterien, geht bereits über den Lederbergschen Stempelversuch hinaus:

Durch horizontalen Gentransfer (über Plasmide/Transposons) können bei Bakterien schon vorhandene Resistenzgene übertragen werden…:

"Most examples of antibiotic resistance in pathogenic bacteria are not the result of a mutation that alters the protein that the antibiotics attacks, although this mechanism can occur in laboratory experiments. Instead, antibiotic resistance in nature usually involves the production by the bacterium of enzymes that alter the antibiotic, rendering it inactive. The major factor in the spread of antibiotic resistance is transmissible plasmids, which carry the genes for drug-inactivating enzymes from one bacterial species to another. Although the original source of the gene for these enzymes is not known, mobile genetic elements (transposons) may have played a role in their appearance and may also allow their transfer to other bacterial types" (R.J.Kadner 1997, p. 585 in: Encyclopaedia Britannica Vol. 14; Hervorhebung im Schriftbild von mir).

Laurie Garret veranschaulicht das Ausmaß des horizontalen Gentransfers bei Bakterien wie folgt (man beachte dabei besonders die Reihenfolge, in der sie die verschiedenen Punkte aufführt)(1994, p. 431):

"The tricks commonly used by bacteria to spread or absorb helpful genes included plasmids, sexual conjugation, transposons within their own genomes, and mutations at single sites along their DNA. The world, it turned out, was awash with highly mobile segments of DNA. And bacteria were terrific scavengers. Keeping track of all the newly discovered plasmids and mobile DNA pieces seemed an impossible task, though in 1993 the World Health Organization issued contracts to research groups bent on trying.

Thomas O'Brian, whose Harvard Medical School laboratory was among those toiling for WHO to catalogue the world's plasmids, declared in 1992 that what the whorld faced was not so much an antibiotic resistance crisis as an "epidemic of plasmids"."

Bei Fischen, Vögeln und Säugetieren zum Beispiel ist eine "epidemic of plasmids" samt Antibiotika-Resistenzen nicht zu erwarten. Die neodarwinistische Generalisierung vom Ausmaß und Potential der Mikroevolution der Bakterien auf die gesamte Organismenwelt ist [damit] nachweislich falsch.

[Im Übrigen gibt der Evolutionstheoretiker Thomas Gold (2000, p. 203) zu dieser Generalisierung noch folgenden sachlich-kritischen Kommentar:

"Es könnte sein, dass ein Mikrobenstamm infolge einer langem Reihe von Mutationen ein Enzym, vielleicht auch ein sehr komplexes Molekül erfunden hat, das in bestimmten Stoffwechselprozessen eine nützliche Funktion ausüben kann. Wenn die aufeinander folgenden, zufälligen Entwicklungsschritte dorthin in einem der sich üppig vermehrenden Mikrobenstämme möglicherweise hundert Jahre gedauert haben sollten, dann müßte die gleiche Evolution übertragen auf den Elefanten 1018 [hoch 18] Jahre dauern (etwa ebenso lange auch bei den anderen makrobiologischen Lebensformen); das wären eine Milliarde mal eine Milliarde Jahre. Mit anderen Worten, sie würde niemals stattfinden" (Biosphäre der heißen Tiefe; Wiesbaden).

Wenn auch bisher noch nicht einmal die evolutionstheoretische Vermutung des ersten Satzes nachgewiesen werden konnte, so ist doch Golds Kritik zu der oben genannten fragwürdigen neodarwinistischen Generalisierung (vom Ausmaß und Potential der Mikroevolution der Bakterien auf die gesamte Organismenwelt) prinzipiell zutreffend.

Vgl. weiter zum unmittelbar verwandten Thema "Haldane's Dilemma:"

http://www.evolutionfairytale.com/articles_debates/haldane_rebuttal.htm und

http://medved@bearfabrique.org/Evolution/reminevictory]

N.N. (13): "Mit ihren Versuchen ist es Lederberg, Rainey, Travisano und vielen anderen gelungen, ein altes Vorurteil auf den Friedhof der Evolutionsgeschichte zu befördern, das die evolutive Entstehung neuer Gene und Funktionstypen generell in Frage stellt."

W.-E.L. (13): Der folgende Punkt kann in dieser Diskussion gar nicht oft genug hervorgehoben werden: Angesichts der Tatsache, dass N.N. (a) kein einziges Beispiel für die evolutive Entstehung neuer Gene und Enzyme aus den Versuchen Lederbergs, Raineys und Travisanos und vieler anderer nennen kann und (b) von Genfunktionsverlusten auf die Enstehung völlig neuer Gene und Funktionstypen schließt, sind vielmehr N.N.s Behauptungen (um wieder seine Worte zu gebrauchen) "wissenschaftlich unseriös und unbegründbar". ["...we certainly have not witnessed the evolution of new enzymes etc." P. Rainey, siehe oben; der Autor rechnet z.B. für seine WS-Mutante ebenfalls nur mit "probably just a single point mutation".]

 

N.N. (14): "Abgesehen davon, dass derartige Einwände unter wissenschaftsmethodischen Gesichtspunkten schlichtweg unseriös sind, war es nicht zuletzt das Verdienst Raineys, erstmals "Makroevolution" (so man in diesem Zusammenhang die im Grunde illegitime Zweckdefinition einmal gebrauchen will) an rezenten Organismen nachgewiesen zu haben."

W.-E.L. (14): "Schlichtweg unseriös" ist vielmehr die Behauptung von der reproduzierten Makroevolution (der Entstehung neuer Gene und Enzyme sowie neuer Baupläne). Zur Erinnerung: Gemäß den Angaben von Rainey und Travisano (1998, pp. 69, 71) sind die molekulargenetischen Grundlagen der von ihnen beobachteten Phänotypsprünge nicht bekannt: "The effects of adaptive radiation are often seen, but the underlying causes are difficult to disentangle and remain unclear"…"Despite intensive studies, the causes and significance of this variation have remained elusive". [Siehe jedoch den ersten Fall unten.]

 

Vorbemerkung zu N.N.s Einführung:

In der nun folgenden geschichtlichen Einführung von Herrn N.N. zu den Lederbergschen Versuchen wimmelt es nur so von historisch ungenauen und falschen Behauptungen. Wenn man vielleicht auch einwänden kann, dass die genaue Historie des Neodarwinismus für die eigentlichen Fragen nach den Faktoren und Abläufen des Ursprungs der Organismenwelt vergleichweise unbedeutend ist (wie oben schon angedeutet), so wirft die Fehlerhaftigkeit von N.N.s Ausführungen jedoch ein Schlaglicht auf seine generelle "Methodik", die er auch bei seinen naturwissenschaftlichen Ausführungen praktiziert:

Anstatt gründlich nachzuforschen, wie es sich tatsächlich verhält, erfindet N.N. die Geschichte so, wie er sie aufgrund seiner mangelhaften Kenntnisse zur Thematik für möglich hält und gibt dann dieses Phantasieprodukt als wahre Historie aus.

Da zumindest sein Laienpublikum zur Geschichte des Neodarwinismus kaum genaue  Kenntnisse mitbringt, werden von diesem seine nachdrücklich als wahr behaupteten Aussagen in der Regel auch unbeanstandet übernommen (so war und ist es auch mit den falschen Darstellungen H. von Ditfurths).

Dabei gilt es noch einmal zu betonen, dass N.N. dieselbe Methode auch für seine naturwissenschaftlichen Behauptungen praktiziert...Sehen wir uns die Details näher an.

 

N.N. (15) : "2. Einführung

Nachdem man in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die bis dahin beobachteten Resistenzen bei Mikroorganismen auf Mutation und Selektion (die zufällige Veränderung des Erbguts, gepaart mit gerichteter Auslese der Phänotypen) zurückführte, war die Auffassung, dass es sich hierbei um gestaltende Wirkfaktoren der Evolution handeln könne, lange Zeit nichts weiter als eine unbewiesene Grundannahme, über deren Wirksamkeit in beliebiger Weise spekuliert werden konnte."

W.-E.L. (15): Wenn man in den vierziger Jahren die bis dahin beobachteten Resistenzen bei Mikroorganismen auf Mutation und Selektion zurückführte (und das traf berechtigterweise auf viele Untersuchungen zu!)  - warum sollte es sich dann bei diesen "gestaltenden Wirkfaktoren der Evolution" noch "lange Zeit" um nichts weiter als um "eine unbewiesene Grundannahme, über deren Wirksamkeit in beliebiger Weise spekuliert werden konnte" gehandelt haben?!

Für die Synthetische Evolutionstheorie ist N.N.s Aussage zur "lange Zeit" hinausgezögerten Akzeptanz von Mutation und Selektion als Hauptfaktoren der Evolution historisch schlicht und einfach falsch (Dobzhansky 1937, Huxley 1943) und genauso unzutreffend ist seine Behauptung von der "unbewiesenen Grundannahme" für die Resistenzen: vgl. dagegen die grundlegenden Arbeiten von Luria und Delbrück (1943), und Demerec (1945). Die Lederbergs selbst machen (1952, p. 399) zur Geschichte der Entdeckung der Resistenzen durch Mutation und Selektion folgende Angaben:

"Many lines of evidence have been adduced in support of preadaptation in a variety of systems (Luria and Delbrück, 1943; Lea and Coulson, 1949; Burnet, 1929; Newcombe, 1949; Lewis, 1934; Kristensen, 1944; Novick and Szilard, 1950; Ryan and Schneider, 1949; Demerec, 1948; Welsch, 1950; also reviewed: Braun, 1947; Luria, 1947; Lederberg, 1948, 1949)."

Die Behauptung, dass Mutation und Selektion "die gestaltende Wirkfaktoren der Evolution" seien, wurde vielmehr seit etwa 1937 mit dem Beginn der "modern synthesis" (des Neodarwinismus) von der Mehrheit der Evolutionstheoretiker [nahezu] weltweit akzeptiert (zu den Gründen und Details vgl. siehe mendel09.htm).

[T. Dobzhansky schreibt zum Beispiel 1937, p. 12/13: "Gene changes, mutations, are the most obvious source of evolutionary changes and diversity in general. Next comes the changes of a grosser mechanical kind involving rearrangements of the genic materials within the chromosomes...Mutations and chromosomal changes arise in every sufficiently studied organism with a certain finite frequency, and thus constantly and unremittingly supply the raw materials for evolution." Siehe weiter sein Selektionskapitel p. 149 ff.]

Tatsache ist allerdings, dass die evolutive Bedeutung von Mutation und Selektion bis auf den heutigen Tag nur für die Mikroevolution nachgewiesen ist, und selbst dort nur in begrenztem Maße. In welchen Ausmaß der Neodarwinismus (und andere Evolutionstheorien) an den biologischen Tatsachen gescheitert ist, zeigt sehr deutlich Utricularia.html sowie die an dieses Kapitel anschließenden Diskussionen (vgl. auch http://www.discovery.org/crsc/fellows/MichaelBehe/index.html)#.

 

N.N. (16): "Aus diesem Grunde war man nicht in der Lage, über die Effizienz der evolutionstheoretischen Mechanismen zuverlässige Aussagen zu treffen,…"

W.-E.L. (16): Auf die Resistenzen durch Mutation und Selektion trifft diese Aussage nachweislich nicht zu. Und es sei noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, dass der Neodarwinismus bereits seit 1937 glaubte, "über die Effizienz der evolutionstheoretischen Mechanismen zuverlässige Aussagen" machen zu können: Seit dieser Zeit wird von der Mehrzahl der Evolutionstheoretiker der Ursprung aller Lebensformen mit Mutation und Selektion erklärt.

N.N. (17): "… und es schien angesichts mangelnder empirischer Stütze lange Zeit so,…"

W.-E.L. (17): Auch wenn ich mich wiederholen muß: Vgl. Sie bitte zur tatsächlich vorhandenen "empirischen Stütze" zur Mutation und Selektion bei Bakterienresistenzen die Arbeiten von Luria und Delbrück (1943), und Demerec (1945), oder in den Worten der Lederbergs: "Many lines of evidence have been adduced in support of preadaptation in a variety of systems (Luria and Delbrück, 1943; Lea and Coulson, 1949; Burnet, 1929; Newcombe, 1949; Lewis, 1934; Kristensen, 1944; Novick and Szilard, 1950; Ryan and Schneider, 1949; Demerec, 1948; Welsch, 1950; also reviewed: Braun, 1947; Luria, 1947; Lederberg, 1948, 1949)."

N.N.(18): "…als seien die proevolutionistischen Argumente und Deutungen nicht viel mehr Wert, als der Einwand der evolutionskritischen Dogmatiker, selektionspositive Mutationen seien viel zu selten und daher zu unwahrscheinlich, um bioevolutive Entwicklungsprozesse gestatten zu können."

W.-E.L. (18): Auch das ist historisch [total] falsch. N.N. kennt weder die Originalarbeit der Lederbergs noch die Arbeiten aus den vierziger Jahren. Es ging "in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts" (und auch schon lange zuvor) in der Bakterien- und Resistenzgenetik überhaupt nicht um pro- und antievolutionistische Argumente und Deutungen, sondern um die Frage nach den speziellen Ursachen der Resistenzerscheinungen bei Bakterien (vgl. Lönnig 2000, Einleitung):

"S. E. Luria und M. Delbrück schreiben in ihrem Beitrag MUTATIONS OF BACTERIA FROM VIRUS SENSITIVITY TO VIRUS RESISTANCE (1943, p. 491/492):

"D'HERELLE (1926) and many other investigators believed that the virus by direct action induced the resistant variants. GRATIA (1921), BURNET (1929), and others, on the other hand, believed that the resistant bacterial variants are produced by mutation in the culture prior to the addition of the virus. The virus merely brings the variants into prominence by eliminating all sensitive bacteria."

Luria und Delbrück haben diese Frage für ihre Versuche schon 1943 zugunsten der Mutationshypothese entscheiden können (p. 510):

"The distribution of the numbers of virus resistant bacteria in series of similar cultures of a virus-sensitive strain has been analyzed theoretically on the basis of two current hypotheses concerning the origin of the resistant bacteria. The distribution has been studied experimentally and has been found to conform with the conclusions drawn from the hypothesis that the resistant bacteria arise by mutations of sensitive cells independently of the action of the virus" (Hervorhebung im Schriftbild von mir)."

Der Einwand, "selektionspositive Mutationen seien viel zu selten und daher zu unwahrscheinlich, um bioevolutive Entwicklungsprozesse gestatten zu können", wurde (auch) von zahlreichen Evolutionstheoretikern erhoben, zumindest für komplexere Organismen wie Blütenpflanzen und Säugetiere.

Dass jedoch Bakterien mit ihrem ungeheuren Vermehrungspotential in kürzester Zeit und auf kleinstem Raum (bis zu 3 500 Generationen im Jahr mit 10 Billionen (1013) Individuen pro Gramm bei E. coli) Mutationen en masse aufweisen und allein schon dadurch eine Sonderstellung im Organismenreich einnehmen könnten (die Plasmide wurden erst später entdeckt), war denkenden Biologen schon vor den 1940er Jahren klar: "GRATIA (1921), BURNET (1929), and others…believed that the resistant bacterial variants are produced by mutation in the culture prior to the addition of the virus. The virus merely brings the variants into prominence by eliminating all sensitive bacteria" (Luria und Delbrück 1943).

Wenn von Dogmatismus die Rede sein soll, so ist es wohl zutreffender, diesen bei jenen Vertretern der Synthetischen Evolutionstheorie (Neodarwinisten) zu sehen, die bis heute von den Genfunktionsverlusten der Lederberschen Stempelversuche auf den Ursprung aller Gene und Lebensformen schließen. [Es sind die materialistischen Dogmatiker, die schlichte historische und naturwissenschaftliche Tatsachen nicht mehr verstehen können.]

N.N. (19): "Der erkenntnistheoretische Durchbruch gelang erst in den fünfziger Jahren, als es dem Biologen und Nobelpreisträger Joshua Lederberg gelang, die Existenz und Wirksamkeit der evolutionsmechanistischen Faktoren, Mutation und Selektion, in einem ansehensträchtigen Versuch empirisch unter Beweis zu stellen."

W.-E.L. (19): Ich kenne keinen Biologiehistoriker, der den "erkenntnistheoretischen Durchbruch" der Synthetischen Theorie mit ihren Hauptevolutionsfaktoren Mutation und Selektion erst im Jahre 1952 mit dem "ansehensträchtigen Versuch" der Lederbergs beginnen läßt. N.N.s historische Behauptungen sind rundweg falsch! Vgl. Sie bitte noch einmal mendel09.htm.

N.N. (20): "Was geschieht", so fragte sich Lederberg, "wenn man eine Bakterienkultur auf einer mit einem geeigneten Nähragar behafteten und sterilen Petrischale heranzüchtet und die zahlreichen so entstandenen Kolonien mit einem für gewöhnlich tödlichen Selektionsdruck in Form eines Gifts konfrontiert?"

W.-E.L. (20): (a) Wie schon in der Ditfurth-Arbeit ausführlicher behandelt (Lönnig 2000), haben die Lederbergs schwerpunktmäßig über Bakteriophagen-Resistenzen gearbeitet (die Streptomycin-Versuche folgten nur als Anhang und Bestätigung der Phagen-Versuche).

(b) Versuche der Konfrontation von Bakterien mit einem "gewöhnlich tödlichen Selektionsdruck" und dem Resultat überlebenden Kolonien gab es in großer Zahl schon Jahre vorher. Das kann also unmöglich die Hauptfrage der Versuche von Joshua und Esther M. Lederberg gewesen sein. Die Lederbergs selbst beschreiben ihr Hauptanliegen wie folgt (1952, p. 399) (Hervorhebungen im Schriftbild von mir):

"Elective enrichment is an indispensable technique in bacterial physiology and genetics (van Niel, 1949). Specific biotypes are most readily isolated by the establishment of cultural conditions that favor their growth or survival. It has been repeatedly questioned, however, whether a selective environment, may not only select but also direct adaptive heritable changes."

(Schriftbild hier und in den folgenden Zitaten von mir.)

Das also war die Fragestellung, um die es in den Lederbergschen Arbeit von 1952  tatsächlich ging. Wir lesen weiter:

"In accord with similar discussions in evolutionary biology (Huxley, 1942), we may denote the concepts of spontaneous mutation and natural selection in contrast to specific induction as "preadaptation" and "directed mutation", respectively."

Es ging also bei der Resistenzgenetik von Bakterien um die Faktorenfrage: Neodarwinismus versus Lamarckismus (um in bekannteren Begriffen zu sprechen). Joshua und Esther Lederberg führen anschließend die (schon oben wiederholt zitierten) zahlreichen Autoren auf, die die Frage schon seit Jahrzehnten weitgehend zugunsten der neodarwinistischen Mutationsauffassung (preadaptation) entschieden hatten:

"Many lines of evidence have been adduced in support of preadaptation in a variety of systems (Luria and Delbrück, 1943; Lea and Coulson, 1949; Burnet, 1929; Newcombe, 1949; Lewis, 1934; Kristensen, 1944; Novick and Szilard, 1950; Ryan and Schneider, 1949; Demerec, 1948; Welsch, 1950; also reviewed: Braun, 1947; Luria, 1947; Lederberg, 1948, 1949)."

[Luria hat die Bakterien sogar als "das letzte Bollwerk des Lamarckismus" bezeichnet (zitiert nach Keller 1995), und spätestens seit 1943 war auch diese Frage für viele Biologen zugunsten der Mutationsauffassung entschieden.] Was aber war dann das Anliegen der Verfasser?

"This paper concerns an approach to this problem that makes use of a replica plating technique which facilitates the handling of large numbers of bacterial clones for classification on a variety of media."

Und auf den Seiten 401/402 schreiben die Lederbergs nach Rückblick auf die bisherigen Untersuchungsmethoden zum Resultat ihrer Untersuchungen:

"Preadaptive mutation as the basis of bacterial resistance to phages has been supported by two types of evidence. Burnet (1929) succeeded in isolating phage resistant mutants of Salmonella by observing the colonial morphology of the R and S phases. The other evidence is biometric: Luria and Delbrück (1943) working with E. coli, strain B and phage T-1, showed that the numbers of mutants selected from parallel broth cultures followed a clonal rather than a random sampling distribution. This was substatiated by more direct evidence of clonal occurence of the mutants. Newcombe (1949) sprayed phage on films of growth on agar to assay them for their  count of resistant mutants. The counts were greatly augmented by redistributing the growth at the time the phage was sprayed. The increase was believed to result from the (preadaptive) occurrence of the mutants in coherent clones. On the undisturbed plates, the assay would give the count of clones; the redistribution would give the total count of resistant cells.

The replica plating method allows a more direct demonstration of the clonal  occurrence of the mutants: clones on an initial plate would be detected by the recurrence of resistant colonies at superimposable sites on serial replica-plates containing the phage. If the resistant cells did not exist already in clones on the  initial plate, they should occur in only a random distribution in serial replicas from a confluent film of growth.

For this test, a culture (W-l), derived from E. coli, strain K-12, and the phage T-1 were used."

In seiner Paralleldarstellung der Replika-Plattierung von Joshua und Esther M. Lederbergs schreibt Herr N.N. hingegen (bold von mir).:

"Die zentrale Frage Lederbergs lautete: Sind die zufallsbedingten Mutationen in der Lage, mindestens einer Bakterienkolonie ein Gen zu bescheren, das ihr unter normalerweise tödlichen Bedingungen einen absoluten Überlebensvorteil einbringt?"

Das war nicht nur keineswegs die zentrale Frage der Lederbergs, sondern stand in dieser Arbeit überhaupt nicht zur Debatte! Das spontane Auftreten von (Phagen- und anderen) Resistenzen war seit Jahren bekannt. Nach (weiterer) Beschreibung des Versuchs fährt N.N. fort:

"Selbst aus der Sicht eines Evolutionsbiologen ist zu erwarten, dass alle Bakterien zugrunde gehen und sich keine neuen Kolonien herausbilden."

Als hätten die Lederbergs 1951/52 das erste Mal in der Biologiegeschichte Resistenzen bei Bakterien beobachtet! (Vgl.zu diesem Punkt die Literaturangaben der Lederbergs oben.) Zu des Nobelpreisträgers F. M. Burnet's Arbeit von 1929 siehe http://www.asap.unimelb.edu.au/bsparcs/aasmemoirs/burnet.htm#cite16 (2000):

"Many years before Luria and Delbrück (15) published their classical paper on the 'fluctuation test', showing that the occurrence of bacteriophage-resistant bacteria in a culture exposed to bacteriophages was due to the selection of bacterial mutants, Burnet (16) had reached the same  conclusions, by selecting resistant mutants by their colonial morphology, without the use of phage as a selective agent."

Zu Beginn der 1950er Jahre war sowohl Evolutionstheoretikern als auch "Kreationisten" längst bekannt, dass keineswegs alle Bakterien in solchen Versuchen zugrunde gehen müssen und sich statt dessen neue resistente Kolonien herausbilden können. Darüber hinaus hatten beide Auffassungen grundsätzlich ein gewisses Anpassungpotential (Anpassung in begrenztem Maße in relativ kurzer Zeit) von vornherein postuliert.

N.N. behauptet weiter:

"Doch ganz selten (vielleicht in einem Prozent aller Wiederholungen oder weniger) wurden alle Erwartungen durch einen sensationell anderen Befund übertroffen. Es bildeten sich Resistenzen heraus, manchmal sogar bei mehreren Kolonien gleichzeitig!"

W.E.L.: Tatsächlich konnten die Lederbergs aufgrund einer Vielzahl vorangegangener Versuche (einschließlich der von J. Lederberg selbst) von vornherein erwarten, dass Resistenzen auftreten. 

Zusammenfassung zu Punkt (20): Im Sinne von N.N. (nämlich ob Resistenzen auftreten und damit Evolution stattfindet) fragten sich die Lederbergs also keineswegs: "Was geschieht, wenn man eine Bakterienkultur auf einer mit einem geeigneten Nähragar behafteten und sterilen Petrischale heranzüchtet und die zahlreichen so entstandenen Kolonien mit einem für gewöhnlich tödlichen Selektionsdruck in Form eines Gifts konfrontiert?" Denn das wußten Joshua und Esther Lederberg längst vorher! Sie hatten vielmehr die Frage nach der "preadaptation" oder "directed mutation" zur Resistenzgenetik bei Bakterien aufgegriffen, und sie beabsichtigten, dieses Problem einer möglichst direkten und einfach überprüfbaren Antwort zuzuführen - mit Erfolg wie sich herausstellte: "These observations, therefore, are cited as confirmation of previous evidence for the participation of spontaneous mutation and populational selection in the heritable adaptation of bacteria to new environments" (J. und E. M. Lederberg 1952, p. 406; - Schriftbild von mir).

N.N. (21): "Die Evolutionstheorie ließ erwarten, dass eine oder mehrere der zahlreichen Mutanten zufällig über einen Mechanismus verfügten, der ihnen eine Anpassung an den ungemütlichen Lebensraum beschaffte und phänotypische Veränderlichkeit erzeugte."

W.-E.L. (21): Gleichzeitig hören wir jedoch N.N.s Aussage: "Selbst aus der Sicht eines Evolutionsbiologen ist zu erwarten, dass alle Bakterien zugrunde gehen und sich keine neuen Kolonien herausbilden" (siehe oben).

N.N. (22): "Da über die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten spezifischer selektionspositiver Mutationen so gut wie nichts bekannt gewesen war, blieb der Ausgang dieses crucis-Experiments bis dato jedoch ungewiß."

W.-E.L. (22): Auch das ist historisch falsch. Die Lederbergs schreiben in ihrer Arbeit von 1952 (p. 402) über ihre E. coli Kultur (W-1, derived from E. coli, strain K-12): "The culture is fully sensitive to the phage T-1, as well as to streptomycin, and like most E. coli strains gives rise to resistant mutants at rates of approximately 10-7 and 10-10 per division, respectively."

Der Grundfehler von Herrn N.N.s Ausführungen zur Geschichte der Resistenzerscheinungen bei Bakterien liegt darin, dass er glaubt, diese Forschung hätte mit den Lederbergs erst (oder erst ganz kurz davor) angefangen; sie war - mit im Prinzip schon denselben Ergebnissen von 1952 - jedoch schon mindestens 23 Jahre alt (Burnet 1929)!

N.N. (23): "Lederberg ging praktischerweise so vor, dass er einen mit sterilem Samt beschlagenen Stempel auf mit Bakterien bevölkerte Agarplatten drückte und ihn dann jeweils auf weitere Petrischalen (Replikaplatten) übertrug, die jetzt aber neben dem Nährmedium ein tödliches Gift enthielten. Lederberg wußte, dass an dem Samtstempel von jeder punktförmigen Kolonie einige wenige Bakterien haften bleiben, die er in derselben geometrischen Anordnung jeweils detailgetreu auf die sekundären Platten transferierte."

W.-E.L. (23): Man fühlt sich ja richtig erleichtert, wenn man Herrn N.N. einmal zustimmen kann (wenn man jedenfalls die Phagen mit zum "tödlichen Gift" rechnet)!

N.N. (24): "Es war zu erwarten, dass die Bakterienpopulationen ob dieses enormen Selektionsdrucks praktisch völlig zusammenbrechen, weshalb das Bakterienwachstum auf den mit für sie in der Regel tödlichen Toxinen ausgebrachten Platten in der Regel auch ausblieb.".

W.-E.L. (24): Aufgrund der oben von den Lederbergs zitierten Wahrscheinlichkeiten zum Auftreten resistenter Mutanten ("The culture…like most E. coli strains gives rise to resistant mutants at rates of approximately 10-7 and 10-10 per division"), konnten die beiden Forscher etwas ganz anderes erwarten, nämlich das regelmäßige Auftreten von resistenten Kolonien [zumindest in größeren Versuchsserien]. N.N.s Aussage trifft auf 2 der 3 Versuchserien der Lederbergs tatsächlich nicht zu.

Die Lederbergs berichten in ihrem 1952er Beitrag von 3 unterschiedlichen Versuchserien zum Auftreten von 1. Resistenzen gegen Phagen (dem Hauptteil der Arbeit); und (zur Bestätigung) 2. der Resistenz gegen Streptomycin zunächst in der gleichen E. coli Kultur (mit der sie die bis dahin gewonnenen Ergebnisse zunächst nicht in der erhofften Weise bestätigen konnten: "The infrequency of sm-resistant mutants hinders the tests for clonal occurrence", p. 404) und 3. Resistenz gegen Streptomycin bei einer 'neuen' Linie mit einer wesentlich höheren Mutationsrate: "The culture 58-278, derived from E. coli, strain K-12, has been found to exibit a much higher rate for this mutation, about 10-7 per division (H.P. Treffers, personal communication). Replicas of films of this culture on plain agar to sm agar plates repeatedly gave patterns similar to those illustrated in figure 1 for phage resistance" (p. 404). In der ersten und dritten Versuchsserie traten die resistenten Kolonien in der erwarteten Häufigkeit auch regelmäßig auf.

Also, wie gesagt, für Hinweise auf Fehler bzw. Unklarheiten wäre ich Ihnen sehr dankbar.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Wolf-Ekkehard Lönnig

 

W.-E.L. (meine Mail vom 5. 2. 2001):

Sie schreiben unter anderem: "Fakt ist doch, dass bei Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika auftreten. Die Frage ist, wie kommt es dazu."

Antwort: Dazu kommt es häufig auf eine Weise, die der "Evolution" im Sinne von komplexeren Neuentwicklungen diametral entgegengesetzt ist, nämlich durch Genfunktions v e r l u s t e:

"Antibiotics usually enter bacterial cells by means of preexisting carbohydrate-, amino acid-, or ion-specific transport systems, whose natural substrates they mimic (Brown, 1977). Consequently, mutants deficient in one of these transport systems are resistant to an antibiotic entering through this system."

"From cultures of sensitive bacteria, treated with the antibiotic streptozotocin, two classes of resistant mutants can be isolated: 1) mutants, resistant under all conditions tested to even the highest doses of the antibiotic. These are either pleiotropic-defective pts-mutants, or more frequently, mutants lacking a transport system (enzyme IINag-complex of PEP-dependent phosphotransferase system) encoded by the gene nagE. This gene is inducible by N-acetyl-glucosamine and seems to be part of the nag operon. The transport system in question is responsible for the uptake of N-acetyl-glucosamine, of D-glucosamine and of streptozotocin; 2) conditional resistant mutants which are unable to energize or to synthesize the streptozotocin transport system under certain growth conditions but do have the transport activity under other conditions. These include a) mutants auxotrophic for amino acids, vitamins, or nucleotides, b) mutants negative or sensitive to carbohydrates in the medium, and c) mutants with defects in energy metabolism such as PEP synthesis".

(Vgl. Sie bitte weiter meine Arbeit zu von Ditfurth 2000).

Ich bitte um Nachsicht für meine kurze Notiz diesen Hauptpunkt betreffend - später - wohl erst in einigen Wochen - gerne mehr.

 

Noch einmal besten Dank für Ihre Mühe.

Mit den besten Grüßen,

Ihr

W.-E. Lönnig

 

W.-E.L. (meine Mail vom 27. 2. 2001) (Re: Wahrheit und Irrtum: Wie zu unterscheiden?):

 

Lieber Herr V.,

in der vorliegenden e-Mail möchte ich eine mehr persönliche Frage zur "Evolution" der Bakterienresistenzen aufgreifen: nämlich die grundsätzliche Schwierigkeit der Beurteilung von evolutionistischen Behauptungen, die mit dem Anspruch auf absolute Richtigkeit vortragen werden.

Dieser Anspruch auf absolute (und häufig auch noch als allgemein bekannte und von allen vernünftigen Menschen längst akzeptierte) Richtigkeit vieler evolutionistischer Aussagen wird dann sehr oft auch noch mit abwertenden Bemerkungen (ad-hominem-"Argumenten") gegenüber Naturwissenschaftlern vorgetragen, die aus berechtigten naturwissenschaftlichen Gründen bestimmte evolutionistische Behauptungen für fragwürdig halten oder ablehnen (so unterstellt mir N.N. [samt allen Sachkritikern seiner materialistischen Auffassungen] beispielsweise einen "unheilbar pathologischen Logikbegriff" [oder als Alternative "dogmatisch begründete Unwilligkeit zum logischen Denken"**]).

[Man vergleiche weiter zu derart unqualifizierten Beschimpfungen - der Leser beurteile bitte dabei selbst, ob diese Methoden auch einiges über den Charakter von Herrn N.N. und seine Philosophie/Weltanschauung aussagen - meinen Beitrag Antwort_an_Kritiker.html.]

Wie soll der biologische "Laie" (sage ich einmal - aber das ist keineswegs abwertend gemeint) derartige Totalitätsansprüche und Abwertungstendenzen beurteilen?

Nun, - derart mit dem Anspruch auf absolute Wahrhaftigkeit evolutionistischer Aussagen unter giftigster Polemik gegenüber Andersdenkenden - (von mir frei formuliert: die Andersdenkenden sind alles Idioten, die entweder keine Ahnung haben oder nicht richtig denken können) - steht nun der Laie in der Regel doch etwas verunsichert da: Die biologische Situation ist in der Regel komplex und nicht unmittelbar nachprüfbar (nicht einmal für die meisten Biologen), so dass der Laie am Ende nur feststellen kann: Es steht Aussage gegen Aussage - eine Entscheidung ist entweder für ihn nicht möglich oder er akzeptiert eben das, was ihm persönlich am naheliegendsten erscheint.

So behauptet N.N. zum Beispiel über die Versuche von Rainey und Travisano (vgl. Sie bitte noch einmal die Ihnen von mir übersandten Kommentare zu den folgenden fragwürdigen Behauptungen):

N.N. (8): " Mittlerweile wurde Lederbergs Evolutionsexperiment aber in Form zahlreicher Abwandlungen in aller Welt wiederholt, wobei die neuesten Befunde ganz klar die Entstehung neuer Funktionsproteine und Baupläne belegen.

N.N. (9): "So haben RAINEY und TRAVISANO über zahlreiche Generationen hinweg bei Mikroorganismen wiederholt Evolutionssprünge beobachtet, die zu völlig neuen Anpassungen führten."

N.N. (10): "Dabei zeigte sich, dass die unter einem bestimmtem Selektionsdruck auftretenden neuen Adaptationen und Varianten in jedem Falle so zahlreich und grundverschieden sind, dass von einer Beschränkung der Variation (Rekurrenz) nicht mehr die Rede sein kann. "

Wie soll der Laie von sich aus erkennen, dass diese Behauptungen in allen wesentlichen Punkten falsch sind? - Wie soll er erkennen, dass alle entscheidenden Aussagen der Punkte (8) (9) und (10) entweder evolutionär erdichtet oder glatt erlogen sind?

Nicht ein einziges neues Funktionsprotein kann N.N. zitieren (auch wird man in der Arbeit von Rainey und Travisano und anderen Arbeiten vergeblich danach suchen!). Evolutionssprünge im Sinne der postulierten Makroevolution (und um diese geht es hier) sind ebenfalls nicht nachzuweisen, und die Rekurrenz ist eine Tatsache, die die Autoren zum einen selbst betonen und zum anderen aus der beschränkten Genzahl und den (zumal in der Zeit) möglichen Punktmutationen direkt ableitbar ist.

Um noch einmal an diesen Punkt zu erinnern (Siehe meine Arbeit zu H. von Ditfurth):

Nach den Berechnungen von Klaus Wittlich (Mathematik/Physik) (persönliche Mitteilung am 26. 4. 2000) beläuft sich die Anzahl der in 24 Stunden auftretenden Mutationen für E. coli (mit 3 Teilungen pro Stunde und bei einer durchschnittlichen Mutationsrate von 10-8 [hoch 8] pro Gen und Generation und 10-11 [hoch 11] pro Nucleotid und Generation) auf 9,44 x 10 hoch 13 Mutationen pro Gen und 9,44 x 10 hoch 10 pro Basenpaar. Mit anderen Worten mutiert an nur einem einzigen Tag jedes einzelne Gen von E. coli rund 100 Billionen Mal, - und jedes einzelne Nukleotid wird rund 100 Milliarden Mal substituiert. [Nach Knippers 1997, p. 231, ereignet sich "ein Nucleotid-Austausch pro 109-1010 Basenpaare/Generation", die Mutationsrate ist demnach 10 bis 100mal höher als für die obige Kalkulation angenommen, und es ist entsprechend hoch zu rechnen.]

Rainey und Travisano sprechen in ihrem Artikel erstaunlicherweise (und ich meine: in nicht zutreffender Weise) allerdings von "new designs".

Ich habe inzwischen mit [einem evolutionstheoretisch orientierten Mikrobiologen, den ich hier nicht nennen möchte] korrespondiert und ihn nach einer Begründung dieser mißverständlichen Ausdrucksweise gefragt: Er gibt zu, dass die Mutationen schon vorher aufgetreten sein können und schreibt u.a.:

"I do not doubt that these mutations could have occurred before, but as far as the specific radiation we report is concerned these are "new designs" in the sense that they are ecologically successful mutants that are derived from a phenotypically different ancestral population. The term comes from the evo-devo community, who often refer to new phenotypes as new designs" (bold von mir).

Zur "specific radiation" bemerkt er zu meiner folgenden Frage: "And last, not least: Can you identify possible NATURAL environments which would be similar to your experimental situations for Pseudomonas fluorescens?"

"We publisehd a paper in Am Nat last year that shows that WS mutants are extremely unfit in minimal medium environments. I think that the mutants we detected would never persist except in the very precise environments we have. The pleiotropic effects are just too great. In different environments though, different possibilities would presumably emerge."

Zu den [molekular-]genetischen Grundlagen der Mutanten...haben [XXX und Mitarbeiter] inzwischen einen Phänotyp untersucht (1998, dem Erscheinungsjahr des Papers [von Rainey und Travisano] war zu dieser Frage noch [absolut] gar nichts bekannt), - und dieser eine [WS-]Phänotyp beruht auf einer Funktions-Verlustmutation ("...In a nutshell: the mutation abolishes temporal regulation of a cellulose-like polymer that is usually produced at the cell poles. The mutation has this effect because it causes constitutive phosphorylation of a key regulatory protein, that is ordinarily activated by the cell cycle").

[Dass nun aufgrund dieses Regulationsverlustes (mit dem Resultat der Überproduktion eines längst vorhandenen zelluloseähnlichen Polymers) die Zellen sich 'verheddern' oder 'verfilzen' - "this causes the cells to be tangled together and is the crucial determinant of the mat and colonisation of the air-broth interface" - verändert den Bakterienbauplan selbstverständlich nicht in einen völlig neuen Bauplan der Lebewesen - vgl. die Bauplandefinitionen oben. D.h. wir haben es hier nach wie vor mit Bakterien zu tun: Ihr Bauplan - die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten, der Gesamtaufbau, die innere Struktur der Bakterien etc. - bleibt erhalten. Nicht einmal eine neue Bakterienart hat man aufgrund der Verlustmutation benannt. (Auch dieses Therma könnte noch sehr viel ausführlicher diskutiert werden; vgl. auch die Punkte in der Einleitung oben)]

Wie Sie sehen, wird auch in der Originalliteratur evolutionistisch hochgestapelt, wenn dort zum Beispiel von "new designs" gesprochen, aber in der Realität von nichts weiter als von einem sog. "neuen" Phänotyp die Rede ist, der (jedoch in Wirklichkeit so alt ist wie die Art selbst und) mindestens schon Tausende von Malen aufgetreten ist! [Und obendrein handelt es sich regelmäßig um Verlustmutationen.]

[Sollte es sich jedoch herausstellen, dass - entgegen meinen obigen Prognosen - die Kulturbedingungen für die neuen Phänotypen derart künstlich-spezifisch sind, dass auch bei milliardenfachem Auftreten der Mutanten in der Natur die an größere Populationen gebundenen Phänotypen nicht nur nicht fortbestehen können, sondern kaum jemals realisiert würden, dann wäre die Situation vielleicht vergleichbar mit der "adaptiven Radiation" unserer Kulturpflanzen und Haustiere. Deren Phänotypen (die in aller Regel durch genetischen Strukturabbau entstanden sind - Ausnahme Polyploidien) haben in mehr als 99% der Fälle ebenfalls keine Chance, sich in der Natur durchzusetzen. Die Phänotypen unserer Kulturpflanzen als Populationen (Massenauftreten als Mono- und andere Kulturen) sind allein durch unsere künstlich-spezifischen Zucht- und Anbaumethoden in von uns gestalteten Lebensräumen gegeben. - Die oben erwähnten in der Natur schon Milliarden Mal aufgetretenen Phänotypsprünge wären dann vor allem potentielle, aber nur selten realisierte Erscheinungsbilder. Das könnte zu der Frage führen, wieviele Hunderte und vielleicht sogar Tausende weitere durch Verlustmutationen entstandene und nur in künstlich-spezifischen Umwelten selektierbare und realisierbare neue Phänotypen ("new designs") bei Bakterien wie Pseudomonas fluorescens wohl sonst noch möglich sind. Alle solche "adaptiven Radiationen" hätten jedoch mit der Bildung der primären Arten in der Natur, also dem eigentlichen Evolutionsproblem, nichts zu tun, - vielleicht aber mit der Bildung sekundärer Arten (vgl. Mutationen: Das Gesetz der rekurrenten Variation.]

Was sich heute weltweit abspielt, ist eine Art Propagandakrieg, bei dem mit allen Mitteln - auch vielen unlauteren! - das Publikum zum Glauben an die unbegrenzte Evolution gebracht werden soll. Die Daten, die für die Makro-Evolution sprechen sollen, werden als absolut sicher dargestellt und jede ernsthafte [und naturwissenschaftlich berechtigte] Kritik als "Idiotie" abgelehnt! (Zum Beispiel aufgrund "pathologischer Logik" oder eines "unheilbar pathologischen Logikbegriffs" etc. - vgl. N.N. oben).

Im allgemeinen scheint diese Methode Erfolg zu haben: denn der Laie (ja nicht einmal der Biologe, der auf einem anderen Gebiet arbeitet) kann angesichts der komplexen Materie in der Regel Wahrheit und Irrtum voneinander unterscheiden.

Das wird erst dann möglich, wenn man in die Details geht und zum Beispiel feststellt, dass die mutationsbedingten Resistenzerscheinungen in der Regel auf VERLUSTMUTATIONEN zurückzuführen sind.

Soviel erst einmal für Heute.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolf-Ekkehard Lönnig

 

Ceterum censeo:

"Die Zelle ist das vollendetste kybernetische System auf der Erde. Alle Automation der menschlichen Technik ist gegen die Zelle nur ein primitives Beginnen des Menschen, im Prinzip zu einer Biotechnik zu gelangen" (Professor Siegfried Strugger, cell physiology).

Wenn nun schon "das primitive Beginnen" auf diesem Weg immer bewußtes Handeln, Intelligenz, Geist und Weisheit voraussetzt, - wieviel mehr muß das dann erst auf den Ursprung der tausendmal komplexeren kybernetischen Systeme der Lebensformen zutreffen!

 

W.-E.L. (meine Mail vom 28. 2. 2001):

Lieber Herr V.,

wie ich im Nachhinein festgestellte, habe ich es versäumt, mich in meiner e-Mail von gestern noch einmal für Ihre e-Mails vom 30. Januar 2001 und vom 6. Februar 2001 (überhaupt) ganz herzlich zu bedanken - was ich hiermit nachholen möchte...

Zu Ihren Ausführungen überhaupt: Sie schneiden dort sehr viele interessante Punkte an, die wir zum Teil - so möchte ich am liebsten vorschlagen - einmal von Angesicht zu Angesicht diskutieren sollten. Bei der Entfernung [Xxx] - Köln und unseren vielfältigen familären und beruflichen Verpflichtungen wird sich das vermutlich nicht so einfach in die Tat umsetzen lassen. Sollten Sie jedoch einmal in Köln oder in der Nähe sein, dann lade ich Sie hiermit schon einmal ganz herzlich zu einem Gespräch zu mir nach Hause oder hier am Institut ein.

Einen "Verriß" Ihrer Ausführungen dürfen Sie von mir nicht erwarten. Mir gefällt der ruhige und freundliche Stil Ihrer Ausführungen (ganz im Gegensatz zu N.N.s immer wieder praktizierten widerwärtigen Polemik) - auch wenn wir in einigen wesentlichen Fragen (noch?) klar unterschiedliche Positionen vertreten.

Gefreut habe ich mich natürlich über Ihre Kommentare wie:

"Anders die Neodarwinisten. Sie haben - nach der Entdeckung der DNA - die Behauptung aufgestellt, einen Mutationsmechanismus gefunden zu haben - den (blinden) Zufall. D.h. es wird behauptet, dass der Zufall die nötige genetische Vielfalt schaffen kann, damit die Selektion den Rest erledigt. Laut N.N. hat das Lederbergsche Experiment dies gezeigt. Nach der Lekttüre Ihrer Diskussion mit N.N. ist mir klar geworden - und dafür danke ich Ihnen ausdrücklich (ich hatte es doch für möglich gehalten, das sei mir aber verziehen, da ich als Laie nicht direkt zur Wahrheitsfindung beitragen kann (keine Experimente, keine Fachliteratur)) - dass das Lederbergsche Experiment und weitere ähnliche eigentlich das Gegenteil gezeigt haben. Sie haben also die Neodarwinisten widerlegt - was wichtig genug ist."

- Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen in meiner gestrigen e-Mail weiteren Aufschluß zu Ihren Überlegungen geben konnte wie:

[Herr V.:] "...Es scheint mir nicht untersucht worden zu sein, was bei den Stempelversuchen tatsächlich passiert ist. D.h. man müsste das genaue Genom vorher und nach der Resistenzbildung kennen. Dann könnte man sehen, an welchen Stellen Mutationen auftreten und möglicherweise auch explizit nachweisen, dass Mutationen entweder zum Tod führen oder nur an ganz bestimmten Stellen möglich sind."

W.-E.L.: Tatsächlich sind jedoch zahlreiche Resistenzen molekulargenetisch genau untersucht und aufgeklärt, so dass ich an diesem Punkt noch einmal einhaken möchte und zunächst folgende - wie ich meine - zu diesem sowie den obigen Punkten einige recht aufschlußreiche Aussagen des evolutionistischen Mikrobiologen R.E. Lenski zitieren:

"Mutations that confer resistance do so by  d i s r u p t i n g   some normal physiological process in the cell, thereby causing  d e t r i m e n t a l  side-effects" (R.E.Lenski 1997, p. 131).

Überdies ist folgendes zu beachten:

"In the case of plasmid-encoded resistance functions, bacteria must synthesize additional nucleic acids and proteins; this synthesis imposes an energetic burden (DaSilva & Bailey 1986) and the products that are synthesized may also interfere with the cell's physiology (Lenski & Nguyen 1988). Resistant bacteria may therefore be inferior competitors to sensitive genotypes in the absence of antibiotics" (Lenski pp. 131/132, bold von mir).

"Many studies have shown that resistant genotypes are  l e s s  fit than their sensitive progenitors in antibiotic-free medium....I am confident that the literature contains tens, if not   h u n d r e d s,  of cases in which resistance has been shown to   r e d u c e  bacterial competitiveness in the absence of antibiotic" (Lenski p. 133, gesperrrt von mir).

Der Autor diskutiert mehrere solcher Fälle in seinem Paper. Durch Modifier-Mutationen können in gezielten Experimenten die Kosten der Resistenz herabgesetzt werden; in natürlichen Populationen ist dafür dafür jedoch noch kein Fall beschrieben worden.

M.T. Madigan, J. M. Martinko und J. Parker beschreiben jedoch für den V e r l u s t der Antibiotika-Resistenz auch in natürlichen Populationen folgenden beachtenswerten Fall (Biology of Microorganisms 2000, p.769):

"In the 1980s, Hungary was extremely dependent on penicillin for treatment of ear and sinus infections, very common childhood diseases. The antibiotic was cheap, readily available, and widely used. However, the causative agent in most cases of these diseases, Streptococcus pneumoniae, became resistant to penicillin - in the early 1980s, 50% of the diagnosed cases were caused by penicillin-resistant pneumococci......physicians began to prescribe non-ß-lactam antibiotics to treat these dideases. Froam 1983 to 1992, the consumption of penicillin decreased by one-half. ALONG WITH THE DECREASE IN PENICILLIN USE, THE LEVELS OF PENICILLIN-RESISTANT PNEUMOCOCCI SURPRISINGLY DECREASED FROM THE HIGH OF 50 PERCENT TO 34 PERCENT, PRESUMABLY BECAUSE THERE WERE NO LONGER ANY SELECTION FOR PENICILLIN-RESISTANT ORGANISMS. Thus, by shifting drug use away from penicillin, Hungarian physicians were able to s t o p and to actually r e v e r s e a trend toward complete penicillin resistance in pneumococci" (Großschreibung von mir).

Was passiert nun auf molekularer Ebene im Falle   m u t a t i v   (also nicht Plasmid-Transfer-) bedingter Resistenzen (wie sie zum Beispiel in den Lederbergschen Versuchen aufgetreten sind)? Vergleichen Sie bitte zu dieser Frage noch einmal meine Arbeit Der_Lederbergsche_I.html und zwar den Punkt "3. Worauf die [Phagen- und Antibiotika-] Resistenzen in den Lederbergschen Stempelversuchen (im klaren Gegensatz zu H. von Ditfurths Behauptungen von der Entstehung neuer Gene und neuer Enzyme etc.) tatsächlich beruhen".

Zur Ergänzung sei hier noch die Arbeit von L. Y. Fuchs, F. Reyna, L. Chihu und B. Carillo zitiert: (1997): Molecular Aspects of Fluoroquinolone Resistance (pp. 147-174 in: Antibiotic Resistance: From Molecular Basics to Therapeutic Options. Ed. C.F.Amabile-Cuevas. Springer-Verlag).

Hier zeigen die Autoren im Detail, dass die Resistenzen gegen Fluorochinone in zahlreichen Linien von Bakterienarten wie Escherichia coli, Salmonella typhimurium (und 5 weiteren Salmonella-Arten), Shigella dysenteriae, Enterococcus faecalis, Bacillus subtilis und vielen weiteren Bakteriengattungen und Arten in der Regel auf eine einzige Aminosäurerestsubstitution in einer stark konservierten DNA- und Protein-Region zurückzuführen sind ("[Evidence that gyrase is a target for quinolones comes from single point mutations in the gyrA gene which confer quinolone resistance.] These mutations occur in a very conserved region at the N-terminal domain of the A subunit close to the catalytic Tyr122 site, and have been described in a variety of microorganisms (Table 8.1)"). (Die Ausnahme [oder besser: die Minderheit] sind Doppelmutanten, die in 2 unabhängigen Schritten gebildet wurden.)

[Weiterer Nachtrag: Von 124 resistenten Arten bzw. Linien hatten 95 nur eine einzige Aminosäurerestsubstitution aufzuweisen, 26 Arten bzw. Linien zeigten zwei Substitutionen (plus 2 unsichere Kandidaten) und 1 Linie drei Austausche; - wenn auch bei genauer Auszählung der Prozentsatz der "Ausnahmen" etwas höher ist als erwartet, so ist doch die Grundaussage von den relativ geringen Sequenzabweichungen zur Ermöglichung der Antibiotikaresistenzen bestätigt und die Behauptung N.N.s von der Bildung neuer Funktionsproteine widerlegt: Es handelt sich in allen Fällen nach wie vor um DNA-Gyrasen. Übrigens handelt es sich auf der DNA-Ebene bei den bis dahin untersuchten Sequenzen nur in 2 Fällen um mehr als 2 Nukleotidsubstitutionen, nämlich um 3 Austausche. Die große Mehrheit zeigt nur eine einzige Nukleotidsubstitution (83 von 117 untersuchten DNA-Sequenzen)!]

Starke Konservierung bedeutet geringe Sequenz-Abweichungsmöglichkeiten zur Gewährung optimaler Funktionen (hier der DNA-Gyrase: "This essential enzyme is unique in catalizing the negative supercoiling of DNA" (Fuchs et al. p. 148)).

[Die Autoren berichten zwar, dass in Supercoiling Assays die beiden E. coli Mutationen Ser83Leu und Ser83Trp so effizient wie die "wildtype enzymes in introducing negative supercoils into closed circular DNA" gewesen sein sollen; die starke Konservierung deutet jedoch darauf hin, dass die bisherigen Experimente noch nicht alle wichtigen funktionalen Korrelationen des Enzyms (speziell der Position 83) in E. coli erfasst haben können: Denn ohne funktionale Notwendigkeiten wäre die Sequenz bei den schon wiederholt genannten Mutationsraten längst abgedriftet, d.h. die starke Konservierung (auch) an der Position 83 deutet auf eine bisher noch nicht erkannte besondere Funktion hin.

Aber selbst wenn wir einmal annehmen, dass - ganz entgegen dieser Überlegung sowie den Aussagen Salyers (2. Zitat ganz oben) und Hunderter bestätigender Beobachtungen - viele Substitutionen funktional neutral wären, o d e r   dass deren Nachteile durch Modifier-Mutationen in relativ kurzen Zeiträumen kompensiert werden könnten (letztere Idee wird von Lenski favorisiert), so wären immer noch keine neuen Enzyme entstanden: Die DNA-Gyrasen wären nach wie vor DNA-Gyrasen mit ihren typischen Funktionen und das gleiche träfe auf die Katalasen zu (Isoniazid-Resistenz bei Mycobacterium tuberculosis durch Punktmutationen in diesem Enzym oder aber - und hier könnte diese Hypothese wohl kaum mehr zutreffen - durch Deletionen), auf die Pyrazinamidasen (Pyrazinamid-Resistenz in der Regel durch Punktmutationen, die zu Missense-Mutationen oder - für die Hypothese wieder schwieriger - zu Stop-Codons führen), Arabinosyltransferasen (Ethambutol-Resistenz häufig durch Missense-Mutationen im Codon 306), etc. etc. zu. - Aber kommen wir zur Veranschaulichung des nach Salyers zitierten, bereits häufig empirisch bestätigten Prinzips auf unser Fluoroquinolon- und Gyrase-Beispiel zurück:]

Die Aminosäurerestsubstitutionen zur Resistenz sind in aller Regel ein Kompromiss zum Überleben der jeweiligen Bakterienspezies in der Fluoroquinolone-"verseuchten" Umwelt: V e r l u s t   der optimalen Funktionsfähigkeit der DNA-Gyrase, dafür aber das Überleben angesichts des Antibiotikums.

Entfällt nun der Selektionsdruck durch das Antibiotikum, dann kann entweder die Linie zur ursprünglichen optimalen Funktionsfähigkeit seiner DNA-Gyrase zurückmutieren (keine größere Schwierigkeit bei einer [oder 2] Punktmutation[en: in 2 Schritten] angesichts der großen Individuenzahlen bei Bakterienpopulationen) oder nichtmutierte Überlebende (z.B. solche, die noch nicht mit Fluoroquinolone in Berührung gekommen sind) können wieder die "Herrschaft" übernehmen und sich ausbreiten.

Mit einem Wort: Die mutativ bedingte Genese der Antibiotika-Resistenzen in den Lederbergschen (und anderen) Versuchen (insbesondere des "Großversuchs" durch die moderne Medizin) beruht nicht auf der Entstehung neuer Gene und Enzyme.

Ich möchte diesen Punkt noch einmal unterstreichen: Es gibt kein einziges Beispiel für die Entstehung völlig neuer Gene und Enzyme für die Erklärung der mutativ entstandenen Antibiotika-Resistenzen. Und die Molekulargenetik dürfte inzwischen Tausende von solchen Resistenz-Sequenzen kennen...

Natürlich würde mich sehr interessieren, wie Sie über die obigen Ausführungen denken!

 

Mit den besten Grüßen,

Ihr

Wolf-Ekkehard Lönnig

 

Aus Mail von W.-E.L. vom 16. 3. 2001 (Auszug aus Antwort von Herrn V. vom 2. März 2001):

[Zitat Herr V.:] Ich denke, das mit den Bakterienresistenzen habe ich nun verstanden. Wie Sie zusammenfassend schreiben, ist die Entstehung völlig neuer Gene noch nirgends beobachtet worden. Und offenbar sind auch die tatsächlichen genetischen Veränderungen in diversen Experimenten untersucht worden, so dass man davon ausgehen kann, dass die Entstehung neuer Gene auf diese Weise nicht vor sich geht.

 

Weitere Einwände und ein begeisterter Kommentar

 

(Vorläufiger) Schluss

[Wenn Herr N.N. oben von der "gewaltigen schöpferischen Kraft" der Evolution durch Mutation und Selektion spricht, dann ist diese Behauptung sicher wesentlich weiter von den biologischen Realitäten entfernt, als die Bestimmung der Faktoren Mutation und Selektion als "Urdummheit und Urbrutalität" (Neuhäusler) - vor allem für höhere Organismen. Das Faktorensystem des Neodarwinismus (in der Regel Allelbildung durch Verlustmutationen mit Selektionsvorteilen in spezifischen Umwelten) hat jedoch für die Mikroevolution seine Berechtigung.]

In diesem Zusammenhang sei auch an das eingangs zitierte Wort des Mikrobiologen Alan H. Linton (2001) erinnert: "Throughout 150 years of the science of bacteriology, there is no evidence that one species of bacteria has changed into another."*** Heißt das, dass das schon immer so war und auch in Zukunft immer so sein muß? Ein ungewöhnliches Ausmaß "horizontaler (Mikro-)Evolution" ist bei Bakterien durch den plasmidbedingten Gentransfer denkbar (hier durch Genaddition - soweit keine neue energetische Bürde entsteht - möglicherweise auch vertikal, wobei die Grenzen durch das Maß des funktionalen Gengewinns gesteckt werden). Führen solche über die Möglichkeiten der Eukaryonten weit hinausgehenden Prozesse auch zu neuen Arten? - Vergegenwärtigen wir uns dabei vielleicht noch einmal, über welche für die Evolutionsfrage besonders relevanten Fähigkeiten Bakterien sonst noch verfügen:

"Bakterien...sind haploid; Mutationen setzen sich deshalb besonders schnell durch. Sie zeichnen sich durch eine geringe Verdopplungszeit mit minimal 15 Minuten aus. Ein solches Bakterium weist unter günstigen Bedingungen nach Ablauf von 100 Jahren ca. 3.500.000 [3,5 Millionen!] Generationen auf, dagegen zum Vergleich die Fruchtfliege Drosophila 1.700 und der Mensch nur fünf. Etwa 100.000 [Einhunderttausend!] Generationen aber sollen genügen, um von primitiven "Vormenschen" zum Homo sapiens zu gelangen. Diese Generationszahl kann bei Bakterien in etwas mehr als einem Jahr erreicht werden. Bakterien...gestatten das Arbeiten mit großer Individuenzahl (1 mg Escherichia coli- Zellen entsprechen ca. 1010 Individuen) und ihre Mutationsrate läßt sich auf einfache Weise künstlich steigern" (Junker und Scherer 2001, p. 107 [Anmerkungen in eckigen Klammern von mir]).

Von den zahlreichen lebenden Fossilien unter Prokaryonten einmal abgesehen (die z.T. auf 3 Milliarden Jahre und mehr datiert werden), dürfte es jedenfalls sehr nachdenklich stimmen, dass bislang nicht einmal bei solchen für die Evolutionsfrage nahezu idealen Versuchsobjekten wie Bakterien eine als naturwissenschaftlich einwandfrei zu bezeichnende experimentelle Artbildung nachgewiesen ist.

 

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*Das soll nicht ausschließen, dass vielleicht einmal für die Beschreibung mikroevolutiver Vorgänge ein Nobelpreis verliehen werden könnte (dann möglicherweise wieder mit dem oben ausführlich diskutierten Fehler, mit der Mikroevolution die Makroevolution zu implizieren).

#Ich identifiziere mich jedoch nicht mit dem politischen Anliegen des Discovery-Instituts.

**Die oben im Detail nachgewiesene Fehlerhaftigkeit von N.N.s Ausführungen - von seiner phantastischen Behauptung der Entstehung neuer Baupläne in neuesten Evolutionsexperimenten bis zur permanenten Weigerung, Klaus Wittlichs relativ einfachen mathematischen Ansatz zur rekurrenten Variation (und damit diese selbst) nachzuvollziehen und zu akzeptieren etc. - könnte im Anschluss an seine Vorwürfe allerdings zur Frage führen, inwieweit eine "dogmatische Unwilligkeit zum logischen Denken" nun tatsächlich auf Herrn N.N. selbst zutrifft. Ich frage mich überhaupt schon seit geraumer Zeit, ob es nicht grundsätzlich zu Herr N.N.s Diskussionsstil gehört, alle seine 'Unarten' nach der Methode "haltet den Dieb" auf seine Diskussionspartner zu projizieren, um letztere dann mitsamt ihren Auffassungen unter persönlichen Beleidigungen und "bombastischen Tiraden" (Conrad-Martius für Haeckels Stilrichtung) - wenn irgend möglich - abzuqualifizieren. Ich bitte jedoch zu bedenken, dass solche Methoden vom eigentlichen Ziel, der Wahrheitsfindung in den Natur- (und anderen) Wissenschaften, ablenken und sich damit als 'wahrheits- und wissenschaftsfeindlich' zu erkennen geben.

(Gegen diesen Hinweis ließe sich vielleicht einwänden, dass - den "haltet-den-Dieb-Ansatz" konsequent zu Ende gedacht - sich Herr N.N. in Grunde genommen laufend selbst beschimpft und herabsetzt (und man es damit eigentlich bewenden lassen könnte). Der in dieser Frage bislang noch nicht informierte Leser kann das jedoch in der Regel nicht unmittelbar und direkt erkennen (vgl. oben Dr. V.). Nach Zuschriften und Gesprächen zu urteilen, hat sich jedenfalls die obige genaue Widerlegung von Herrn N.N.s unwissenschaftlichen Behauptungen (vgl. weiter auch die Diskussion zu Utricularia), sowie eine Analyse seiner Diffamierungsversuche für den wahrheitssuchenden Leser als ganz ausgesprochen hilfreich erwiesen.)

***Zitiert nach Getting the facts straight. Discovery Institute's Critique of PBS's Evolution. Die Herausgeber fügen hinzu: "Alan H. Linton is emeritus professor of bacteriology at the University of Bristol (U.K.). The quotation is from The Times Higher Education Supplement (April 20, 2001), 29. Und weiter bemerken die Autoren: "The person who has probably come closer than anyone to producing new species of bacteria is Michigan State University biologist Richard E. Lenski. But Lenski has only been able to produce "an incipient genetic barrier between formerly identical lines" - a barrier which he admits is "much smaller than the barrier between such clearly distinct species as E. coli and Salmonella enterica." See Martin Vulic, Richard E. Lenski, and Miroslav Radman, "Mutation, recombination, and incipient speciation of bacteria in the laboratory," Proceedings of the National Academy of Sciences USA 96 (1999), 7348-7351." (Siehe weiter http://www.reviewevolution.com/viewersGuide/Evolution_04.php.) Abgesehen von der Einschränkung, die Vulic et al. selbst formulieren, sowie der bislang völligen Unkenntnis der molekularen Grundlagen der beobachteten Unterschiede (auch hier könnten Verlustmutationen ein besondere Rolle spielen) - und die Besonderheiten des Artbegriffs bei Bakterien seien dabei noch gar nicht erwähnt - sind auch in diesem Falle eindeutig keine neuen in der Natur beständigen Arten erzeugt worden.

 

 

Ein paar Literaturangaben:

Amabile-Cuevas, C.F. (1997): Antibiotic Resistance: From Molecular Basics to Therapeutic Options. Springer Verlag. New York. [Dort Fuchs et al.: Molecular Aspects of Fluoroquinolone Resistance; pp. 147-174.]

Chadwick, D.J. and J. Goode [Editors] (1997): Antibiotic Resistance: Origins, Evolution, Selection and Spread. John Wiley & Sons. Chichester. [Dort Lenski: The Cost of Antibiotic Resistance - From the Perspective of a Bacterium; pp. 131-151.]

Junker, R. und Scherer, S. (1998, 2001): Evolution - Ein kritisches Lehrbuch; 4. und 5. Auflage, Weyel Biologie, Gießen. Vgl. insbesondere das Kapitel IV.7 Molekulare Mechanismen der Mikroevolution, pp. 96-134.)

Keller, E.F. (1995): Barbara McClintock. Birkhäuser Verlag. Basel (Zitat p. 167).

Linton, A.H. (2001): (Siehe Details in der Anmerkung 3*** oben)

Nicolaou, K.C. and C.N.C. Boddy (2001): Behind Enemy Lines. Scientific American, May 2001; pp. 46-53.

Rainey, P.B. and M. Travisano (1998): Adaptive Radiation in a Heterogeneous Environment. Nature 394, pp. 69-72.

Salyers, A.A. (1995): Antibiotic Resistance Transfer in the Mammalian Intestinal Tract: Implications for Human Health, Food Safety and Biotechnology. Springer Verlag. New York und R.G Landes Company. Austin.

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Anmerkung zu den beiden folgenden Links:

Ich identifiziere mich mit den naturwissenschaftlich korrekten Argumenten der folgenden Seiten, jedoch nicht mit den Kreationismus, der vor allem auf den weiteren Links dieser Seiten zum Ausdruck kommt. Die in der Regel von Naturwissenschaftlern vorgetragene Kritik zur herrschenden Abstammungslehre erscheint mir in vielen Punkten ausgezeichnet (nicht zuletzt der ergänzende Aufschluss zur Bedeutung der Antibiotikaresistenzen) .

 

http://www.trueorigins.org/spetner1.asp (Siehe das Unterkapitel Antibiotic Resistance as an Example of Evolution)

http://www.geocities.com/Heartland/7547/antibios.html

 

Verwandte Themen/Links (eigene Arbeiten):

   

Mutationen: Das Gesetz der rekurrenten Variation

Evolution durch Genduplikationen?

Gregor Mendel: Why his discoveries were ignored for 35 (72) years

Rezension: R. Junker und S. Scherer (1998): Evolution - Ein kritisches Lehrbuch [vgl. auch Nachtrag zur 5. Aufl. 2001]

Wolf-Ekkehard Lönnig: Artbegriff, Evolution und Schöpfung

Ein paar offene Fragen der Evolutionstheorie sowie theologische Einwände von Evolutionstheoretikern zum Thema Intelligent Design

Wolf-Ekkehard Lönnig: Antwort an meine Kritiker

Loennig: Homepage

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